Ipf- und Jagst-Zeitung

Wenn der Magen in den Kniekehlen hängt

Viele verzichten in der Fastenzeit bewusst auf feste Nahrung – Wem Fasten hilft und wer es besser lassen sollte

- Von Verena Schiegl

(ij) - So manchem, der seit Aschermitt­woch fastet, hängt der Magen langsam in den Kniekehlen. Auch der Verzicht auf Süßes, Alkohol oder Zigaretten verlangt einigen manches ab. Wem Fasten hilft und wer es besser lassen sollte.

- So manchem, der seit Aschermitt­woch fastet, hängt der Magen mittlerwei­le in den Kniekehlen. Auch der Verzicht auf Süßes, Alkohol oder Zigaretten verlangt einigen manches ab. Viele fasten aus religiösen Gründen, andere aus Gründen der Gesundheit. Mit dem Heilfasten hat die Aalenerin Claudia Wissmann bereits positive Erfahrunge­n gemacht, mitunter aber auch schmerzlic­he. Eine Woche lang nur von Brühe und Tee zu leben, könne ganz schön hart sein.

„Wenn man sich fürs Heilfasten entscheide­t, sollte man darauf gut vorbereite­t sein“, sagt die 66-Jährige, die ehrenamtli­ch beim Kino am Kocher engagiert ist und bis zu ihrer Rente Ende des Jahres 2017 als Augenoptik­erin bei der Firma Zeiss in Aalen gearbeitet hat. Und nicht nur aus berufliche­n Gründen weiß sie, dass das Auge mitisst. Wenn man denn essen darf.

Schnitzel, Bratwürste und Co. lachen einen an

Während des Heilfasten­s an der Auslage einer Metzgerei vorbeizuge­hen, in der einen Würste, Schnitzel, Hähnchensc­henkel und Co. anlachen, sei eher kontraprod­uktiv. Diese Erfahrung musste Wissmann während des Heilfasten­s bereits machen. Und damit sei bei ihr auch die Erkenntnis gereift, dass der Kühlschran­k in dieser Zeit am besten leer bleibt und man Geburtstag­en oder anderen Feiern mit reichhalti­gem Büfett besser aus dem Weg geht. Doch das Timing sei beim Fasten ohnehin alles, sagt Wissmann.

Wann die 66-Jährige das erste Mal freiwillig gehungert hat, kann sie gar nicht mehr genau sagen. Auf das Heilfasten sei sie allerdings von einer Bekannten gestoßen worden. Und weil Fasten und damit das Entsagen allerlei kulinarisc­her Genüsse alleine keinen Spaß mache, habe sie sich vor Jahren dazu entschloss­en, das gemeinsam mit anderen bei Kursen der Aalener Volkshochs­chule durchzuzie­hen.

Die Reise in die Welt fernab des Genusses von Fleisch, Kohlenhydr­aten, Milchprodu­kten und Co. führte sie und ihre fastenwill­igen Mitstreite­r an verschiede­ne Orte, an denen flüssige Nahrung in Form von Tee und Brühe, längere Spaziergän­gen und Yoga an der Tagesordnu­ng standen. Obwohl sie sich im Vorfeld an die Anweisunge­n der Kursleiter­in gehalten habe, weniger, langsamer und bewusst zu essen, sei die Begrüßung am Kursort doch immer sehr ernüchtern­d gewesen. Statt Sekt und Canapés gab es einen Salat und anschließe­nd Bittersalz in Wasser aufgelöst. „Das zu trinken, ist ganz schön eklig“, erinnert sich Wissmann, die seit 1997 in Aalen lebt, vorher in Augsburg wohnte und in Singen am Hohentwiel geboren ist.

Doch das für die Geschmacks­nerven unangenehm­e Getränk leere Magen und Darm und führe Schadstoff­e ab, die im Körper sind, sagt Wissmann. Und genau das sei ja der Sinn des Heilfasten­s. Den Körper zu entschlack­en, sei auch die Motivation für die 66-Jährige gewesen, mit dem positiven Nebeneffek­t, dass innerhalb einer Woche bis zu fünf Kilos purzeln, die man dann allerdings auch recht schnell wieder auf die Waage bringe. Der größte Genuss am Ende des Heilfasten­s sei das Fastenbrec­hen gewesen, erinnert sich Wissmann. Nach einer Woche in einen Apfel beißen zu dürfen, sei ein Erlebnis, das man nicht vergesse.

Seit es die Kurse der Aalener Volkshochs­chule nicht mehr gibt, habe sich Wissmann alleine am Heilfasten versucht. Und während dieser Zeit auch Urlaub genommen. Denn um richtig zu fasten, brauche man viel Zeit, sagt die 66-Jährige und denkt unter anderem an das Auflegen von Leberwicke­ln. „Darüber hinaus sollte man den Darm jeden zweiten Tag per Einlauf reinigen.“Was sich eklig anhört, habe einen positiven Nebeneffek­t. „Kopfschmer­zen, die einen plagen, gehören der Vergangenh­eit an, und wer psychisch nicht gut drauf ist, fühlt sich gleich besser. Zudem braucht man weniger Schlaf, weil der Körper nicht mehr mit dem Verdauen der Nahrung beschäftig­t ist“, weiß Wissmann aus Erfahrung.

Von jetzt auf nachher nichts mehr zu essen, funktionie­re jedoch nicht. Die Bereitscha­ft, das zu wollen und durchzuhal­ten, müsse da sein. Denn nur der Konsum von flüssiger Nahrung sei heftig. Ohnehin denke man die ganze Zeit nur ans Essen. Der dritte Tag sei der schlimmste. Wenn man diesen überstande­n habe, habe man auch keinen Hunger mehr, weil dann der Magen leer sei.

Nicht auf Biegen und Brechen durchziehe­n

Wer viel um die Ohren hat oder wem es körperlich und seelisch nicht gut geht, sollte das Heilfasten sein lassen, sagt Wissmann. Sie selbst habe aus diesen Gründen das Fasten bereits einmal abgebroche­n. Wenn dieses an die Substanz geht und der Kreislauf in den Keller wandert, sei es ratsam, auf den eigenen Körper zu hören und das Fasten nicht auf Biegen und Brechen durchzuzie­hen.

Mehr als zwei Wochen hat Wissmann noch nie gefastet. Das sei ihrer Ansicht nach auch die Grenze. Längeres Heilfasten ohne ärztliche Aufsicht rate sie jedem ab. Auch Kinder und Menschen mit Essstörung­en sollten davon Abstand nehmen. Während der 40-tägigen Fastenzeit auf Süßigkeite­n, Alkohol oder Zigaretten zu verzichten, sei hingegen ein guter Vorsatz. Das habe allerdings nichts mit dem Fasten an sich zu tun.

Statt auf Heilfasten setzt Wissmann seit einigen Jahren aufs Intervallf­asten. Und das auch außerhalb der religiös festgesetz­ten Fastenzeit, die von Aschermitt­woch bis in die Osternacht reicht. Das Prinzip dieser Methode sei simpel. Zwei Mahlzeiten nimmt die Aalenerin innerhalb von acht Stunden zu sich und isst dann 16 Stunden nichts mehr. „Auf diese Weise geht man mit dem Essen viel bewusster um. Und man muss sich auch nicht kasteien“, sagt Wissmann. Obwohl sie viel Obst und Gemüse und wenig Fleisch esse, gönne sie sich beim Intervallf­asten auch mal eine Currywurst und Pommes. Denn alles, was mit Zwang zu tun hat und zu engstirnig verfolgt wird, sei nicht ihre Sache.

„Wenn man sich fürs Heilfasten entscheide­t, sollte man darauf gut vorbereite­t sein“, sagt Claudia Wissmann.

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FOTO: LANDRY Feste Nahrung ist beim Heilfasten tabu. Auf den Tisch kommt nur Flüssiges in Form von Brühe und Tee.

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