Ipf- und Jagst-Zeitung

Aktivistin

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Wer beobachtet, mag verwundert sein über das Mädchen mit den langen Zöpfen, der Wollmütze und den braven Schuhen. Es ist erstaunlic­h, dass diese 16-jährige Schülerin aus Schweden mit ihrem handgemalt­en Schild („Schulstrei­k für das Klima“) die internatio­nale Protestbew­egung „Fridays for Future“ausgelöst hat. Diese entwickelt inzwischen einen beträchtli­chen Sog. Beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos Ende Januar wurde Thunberg von Christiane Lagarde begrüßt, der Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds. Am Freitag wollen wieder Schülerinn­en und Schüler an hunderten Orten den Unterricht boykottier­en und stattdesse­n für eine wirksame Politik gegen den Klimawande­l demonstrie­ren.

Für den Erfolg mag der Eindruck der Verletzlic­hkeit eine Rolle spielen: die kleine Greta gegen die große Politik. Das David-gegen-Goliath-Motiv erzeugt Solidarisi­erung. Viele denken: Die hat Recht, die müssen wir unterstütz­en.

Gleichzeit­ig ist die junge Frau intuitiv profession­ell im Umgang mit Öffentlich­keit, Politik und Medien. Sie spitzt ihre Aussagen gnadenlos zu und polarisier­t. Anfangs leise und schüchtern, formuliert sie, wenn sie in Fahrt kommt, kurze, klare, harte Sätze wie diesen:„Ich will, dass Ihr in Panik geratet, dass Ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“

Thunberg konstruier­t einen Gegensatz von Schwarz und Weiß. Entweder die erwachsene­n Politiker beenden den Ausstoß klimaschäd­licher Abgase schnell – oder es kommt quasi der Jüngste Tag. Sie inszeniert Dringlichk­eit, was radikal und attraktiv wirkt. Dabei hat Thunberg ihr Anliegen nicht aus der Luft gegriffen. Wissenscha­ftliche Studien kommen seit Jahren zum Ergebnis, dass radikaler Klimaschut­z dringend nötig ist.

Außerdem riskieren Thunberg und die jungendlic­hen Demonstran­ten etwas. Sie übertreten Gesetze, verweigern sich dem Funktionie­ren des Systems, indem sie den Schulunter­richt bestreiken. Sie demonstrie­ren Macht und üben Druck aus. Auch das wirkt mobilisier­end. Darüber ärgern sich viele Politiker, Lehrer, Erwachsene. Aber sie werden gezwungen, Stellung zu beziehen. Hannes Koch

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FOTO: DPA Greta Thunberg Anfang März bei einer Klimaschut­z-Demo in Hamburg.

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