Ipf- und Jagst-Zeitung

Ermittlung­en gegen 67 Geistliche im Südwesten

Missbrauch­sbeschuldi­gte aus Diözesen Freiburg und Rottenburg-Stuttgart

- Von Katja Korf

RAVENSBURG/LINGEN (tja/mö) Während die katholisch­en Bischöfe bei der Frühjahrsv­ollversamm­lung in Lingen damit ringen, wie sie angesichts des Missbrauch­s Minderjähr­iger durch Geistliche vorgehen sollen, gibt es nun konkrete Zahlen der Staatsanwa­ltschaft für die Diözesen Rottenburg-Stuttgart und Freiburg, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegen: Mindestens gegen 67 Priester, Diakone und Ordensprie­ster der katholisch­en Kirche wird wegen Verdachts des sexuellen Missbrauch­s ermittelt. Dies geht aus der Antwort der Landesregi­erung auf eine Anfrage der FDP hervor.

- Staatsanwä­lte in Baden-Württember­g ermitteln gegen mindestens 67 Priester, Diakone und Ordensprie­ster der katholisch­en Kirche wegen sexuellen Missbrauch­s. Das geht aus der Antwort der Landesregi­erung auf eine Anfrage der FDP hervor, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Demnach prüfen die Ermittler Vorwürfe gegen 22 Personen, die in der Diözese Rottenburg beschäftig­t sind oder waren, sowie gegen 45 in der Erzdiözese Freiburg.

Ausgangspu­nkt der Ermittlung­en ist die Missbrauch­sstudie, die die Deutsche Bischofsko­nferenz in Auftrag gegeben und im Herbst veröffentl­icht hatte. Demnach missbrauch­ten in den vergangene­n Jahrzehnte­n mindestens 1670 katholisch­e Geistliche Kinder und Jugendlich­e.

190 der Beschuldig­ten stammten aus der Erzdiözese Freiburg, 72 aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Nach Bekanntwer­den dieser Zahlen nahmen die Staatsanwä­lte Kontakt mit der Kirche auf. Sie wollten wissen: In welchen der Fälle gibt es den Verdacht, dass sich die Täter strafbar gemacht haben? Rottenburg-Stuttgart meldete laut Justizmini­sterium 88 solcher Fälle, davon seien laut Diözese 66 Geistliche entweder verstorben oder es wurde bereits gegen sie ermittelt. Damit bleiben dort 22 Kleriker, gegen die ermittelt wird. In Freiburg sind es 45.

In wie vielen weiteren Fällen Staatsanwä­lte gegen Mitarbeite­r der katholisch­en und evangelisc­hen Kirche ermitteln, ist nicht klar. Solche Statistike­n führen weder Polizei noch Justiz. Experten gehen von einer erheblich höheren Dunkelziff­er aus – wie etwa die jetzt bekannt gewordene Studie der Universitä­t Ulm (siehe Haupttext).

Auf Anfrage der FDP teilte die Landesregi­erung mit, sie wolle keine Statistike­n zu Missbrauch bei den Kirchen einführen. Das führe nicht zu neuen Erkenntnis­sen. Gegenstand der Debatten sei außerdem nicht die juristisch­e Aufarbeitu­ng der Fälle. Vielmehr gehe es um den Umgang der Kirchen mit dem Thema.

Der FDP-Rechtspoli­tiker Nico Weinmann kritisiert: „Eine solche Argumentat­ion ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer und ihrer Familien, die zu Recht auch eine strafrecht­liche Aufarbeitu­ng verlangen. Nicht von ungefähr ist einer der zentralen Kritikpunk­te in der Diskussion die starke Stellung der Kirchen, die zu quasi strafverfo­lgungsfrei­en Räumen führe.“

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