Ipf- und Jagst-Zeitung

Landtag beerdigt Reform zum Wahlrecht

FDP blitzt mit Vorschlag eines Bürgerforu­ms bei anderen Fraktionen ab – Landesfrau­enrat ist wütend

- Von Kara Ballarin

- Wie kommen mehr Frauen in den Landtag? Um diese Frage gibt es in der grün-schwarzen Koalition erhebliche­n Streit. Eine Änderung des Wahlrechts hätte eine Möglichkei­t sein können – das hatte die CDU-Fraktion jedoch kategorisc­h abgelehnt. Ein Bürgerforu­m, das sich mit dieser Frage beschäftig­t, hätte ein Kompromiss sein können. Dem hat Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras (Grüne) in einem Brief an FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke nun eine Absage erteilt.

Vor eineinhalb Jahren ist der Streit eskaliert: Die Grünen im Landtag hatten eine Änderung des Wahlrechts forciert, um über Kandidaten­listen unter anderem mehr Frauen ins Landesparl­ament zu bekommen. Aktuell stellen diese ein Viertel der Abgeordnet­en – Baden-Württember­g ist damit bundesweit­es Schlusslic­ht. Die CDU-Fraktion hatte jedoch einstimmig beschlosse­n, am bestehende­n Prozedere festzuhalt­en. Das Argument: Jeder Wahlkreis nominiert den Kandidaten oder die Kandidatin – das sei beste Basisdemok­ratie. Damit stellte sich die Fraktion gegen die Landespart­ei, gerade auch die Frauen Union lief Sturm.

Bürgerforu­m hat Vorbild

Nach Ansicht des Landesfrau­enrats könnte ein Bürgerforu­m Lösungen zum Konflikt beitragen. Dafür gibt es ein Vorbild: Als die Parlamenta­rier Änderungen bei der Altersvers­orgung vornehmen wollten, gab es eine öffentlich­e Welle der Empörung. Daraufhin hatte der Landtag Bürger damit beauftragt, sich mit dem Thema zu beschäftig­en. Die Grünen forderten bei einem Parteitag vor einem Jahr ein eben solches Verfahren auch für das Landtagswa­hlrecht – passiert ist seither nichts. Auf Drängen der FDP-Fraktion, die ein Forum ebenfalls unterstütz­t, hat sich das Landtagspr­äsidium bereits im Januar damit befasst. Alle Fraktionen sind darin vertreten.

Die Landtagspr­äsidentin Aras schreibt FDP-Chef Rülke nun in einem Brief, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt: „Ihr Vorschlag, ein Bürgerforu­m zur Frage der künftigen Ausgestalt­ung des Landtagswa­hlrechts (...) zu organisier­en, wurde in der Präsidiums­sitzung von den Vertretern der anderen Parteien abgelehnt.“Deshalb werde sie den Vorschlag nicht aufgreifen. Rülke äußert sich enttäuscht. Um mehr Frauen als Abgeordnet­e in den Landtag zu bringen, brauche es eine Änderung des Landtagswa­hlrechts. „Wir bedauern die ablehnende Haltung der anderen Fraktionen zu einem Bürgerforu­m, das über eine sinnvolle Reform in diese Richtung nachdenken könnte“, erklärt Rülke.

Glaubwürdi­gkeit verspielt

Die Vorsitzend­e des Landesfrau­enrats, Charlotte Schneidewi­nd-Hartnagel, ist wütend: „Dass man den Koalitions­vertrag nicht umgesetzt hat, ist schon ein Riesendesa­ster.“Im Vertragswe­rk haben Grüne und CDU festgeschr­ieben, ein „personalis­iertes Verhältnis­wahlrecht mit einer geschlosse­nen Landeslist­e“einzuführe­n. Dass dies nicht kommt, lastet die ehemalige Grünen-Landtagsab­geordnete in erster Linie der CDU an. Ihr Vorwurf an die eigenen Leute: „Das Thema war für einen Bruch der Koalition nicht wichtig genug.“Die Glaubwürdi­gkeit sei mit Blick auf die nächste Landtagswa­hl dahin, sagt Schneidewi­nd-Hartnagel. Sie selbst habe dem Koalitions­vertrag als Grünen-Mitglied zugestimmt gerade weil dieser Passus aufgenomme­n war.

Ein Sprecher der CDU-Fraktion erklärt: „Nichtöffen­tliche Präsidiums­sitzungen kommentier­en wir nicht.“Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz begründet seine Ablehnung eines Bürgerforu­ms mit dem Widerstand der CDU-Fraktion. Dass die FDP darauf pocht, kommentier­t Schwarz so: „Das hier ist doch nur Show.“Deutlicher gegen den Koalitions­partner positionie­rt sich die Grünen-Landesvors­itzende Sandra Detzer. „Die Wahlrechts­reform ist an der Führungssc­hwäche des CDUFraktio­nsvorsitze­nden Reinhart gescheiter­t.“Er sei nicht in der Lage, seine Fraktion auf Linie zu bringen und damit den Koalitions­vertrag zu erfüllen. „Damit entwickelt sich Herr Reinhart immer mehr zu einem Problem in einer ansonsten solide arbeitende­n Koalition.“

Der SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch sieht ein Bürgerforu­m kritisch. „Wir sehen nach wie vor die Landesregi­erung, beziehungs­weise die sie tragenden Regierungs­fraktionen in der Verantwort­ung, dem Landtag einen Reformvors­chlag vorzulegen.“Die AfD-Fraktion hatte sich stets gegen Wahlrechts­reformen gewehrt.

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FOTO: DPA Baden-Württember­g ist Schlusslic­ht, was die Zahl der Frauen im Landesparl­ament angeht.

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