Landtag beerdigt Reform zum Wahlrecht
FDP blitzt mit Vorschlag eines Bürgerforums bei anderen Fraktionen ab – Landesfrauenrat ist wütend
- Wie kommen mehr Frauen in den Landtag? Um diese Frage gibt es in der grün-schwarzen Koalition erheblichen Streit. Eine Änderung des Wahlrechts hätte eine Möglichkeit sein können – das hatte die CDU-Fraktion jedoch kategorisch abgelehnt. Ein Bürgerforum, das sich mit dieser Frage beschäftigt, hätte ein Kompromiss sein können. Dem hat Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) in einem Brief an FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke nun eine Absage erteilt.
Vor eineinhalb Jahren ist der Streit eskaliert: Die Grünen im Landtag hatten eine Änderung des Wahlrechts forciert, um über Kandidatenlisten unter anderem mehr Frauen ins Landesparlament zu bekommen. Aktuell stellen diese ein Viertel der Abgeordneten – Baden-Württemberg ist damit bundesweites Schlusslicht. Die CDU-Fraktion hatte jedoch einstimmig beschlossen, am bestehenden Prozedere festzuhalten. Das Argument: Jeder Wahlkreis nominiert den Kandidaten oder die Kandidatin – das sei beste Basisdemokratie. Damit stellte sich die Fraktion gegen die Landespartei, gerade auch die Frauen Union lief Sturm.
Bürgerforum hat Vorbild
Nach Ansicht des Landesfrauenrats könnte ein Bürgerforum Lösungen zum Konflikt beitragen. Dafür gibt es ein Vorbild: Als die Parlamentarier Änderungen bei der Altersversorgung vornehmen wollten, gab es eine öffentliche Welle der Empörung. Daraufhin hatte der Landtag Bürger damit beauftragt, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Die Grünen forderten bei einem Parteitag vor einem Jahr ein eben solches Verfahren auch für das Landtagswahlrecht – passiert ist seither nichts. Auf Drängen der FDP-Fraktion, die ein Forum ebenfalls unterstützt, hat sich das Landtagspräsidium bereits im Januar damit befasst. Alle Fraktionen sind darin vertreten.
Die Landtagspräsidentin Aras schreibt FDP-Chef Rülke nun in einem Brief, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt: „Ihr Vorschlag, ein Bürgerforum zur Frage der künftigen Ausgestaltung des Landtagswahlrechts (...) zu organisieren, wurde in der Präsidiumssitzung von den Vertretern der anderen Parteien abgelehnt.“Deshalb werde sie den Vorschlag nicht aufgreifen. Rülke äußert sich enttäuscht. Um mehr Frauen als Abgeordnete in den Landtag zu bringen, brauche es eine Änderung des Landtagswahlrechts. „Wir bedauern die ablehnende Haltung der anderen Fraktionen zu einem Bürgerforum, das über eine sinnvolle Reform in diese Richtung nachdenken könnte“, erklärt Rülke.
Glaubwürdigkeit verspielt
Die Vorsitzende des Landesfrauenrats, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, ist wütend: „Dass man den Koalitionsvertrag nicht umgesetzt hat, ist schon ein Riesendesaster.“Im Vertragswerk haben Grüne und CDU festgeschrieben, ein „personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste“einzuführen. Dass dies nicht kommt, lastet die ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete in erster Linie der CDU an. Ihr Vorwurf an die eigenen Leute: „Das Thema war für einen Bruch der Koalition nicht wichtig genug.“Die Glaubwürdigkeit sei mit Blick auf die nächste Landtagswahl dahin, sagt Schneidewind-Hartnagel. Sie selbst habe dem Koalitionsvertrag als Grünen-Mitglied zugestimmt gerade weil dieser Passus aufgenommen war.
Ein Sprecher der CDU-Fraktion erklärt: „Nichtöffentliche Präsidiumssitzungen kommentieren wir nicht.“Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz begründet seine Ablehnung eines Bürgerforums mit dem Widerstand der CDU-Fraktion. Dass die FDP darauf pocht, kommentiert Schwarz so: „Das hier ist doch nur Show.“Deutlicher gegen den Koalitionspartner positioniert sich die Grünen-Landesvorsitzende Sandra Detzer. „Die Wahlrechtsreform ist an der Führungsschwäche des CDUFraktionsvorsitzenden Reinhart gescheitert.“Er sei nicht in der Lage, seine Fraktion auf Linie zu bringen und damit den Koalitionsvertrag zu erfüllen. „Damit entwickelt sich Herr Reinhart immer mehr zu einem Problem in einer ansonsten solide arbeitenden Koalition.“
Der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sieht ein Bürgerforum kritisch. „Wir sehen nach wie vor die Landesregierung, beziehungsweise die sie tragenden Regierungsfraktionen in der Verantwortung, dem Landtag einen Reformvorschlag vorzulegen.“Die AfD-Fraktion hatte sich stets gegen Wahlrechtsreformen gewehrt.