Ipf- und Jagst-Zeitung

Und täglich grüßt der Brexit

Britisches Parlament lehnt Austritt ohne Abkommen mit der EU ab – Finanzmini­ster: „Wolke der Ungewisshe­it“

- Von Sebastian Borger und AFP

- Die Brexit-Ungewisshe­it hält an. Zwar wandte sich das Londoner Unterhaus, angeführt von Premiermin­isterin Theresa May, am Mittwochab­end in einer zweiten Abstimmung über das Gesamtpake­t mit 321 zu 278 Stimmen gegen den No-DealBrexit – die Entscheidu­ng fiel damit deutlicher aus als in der ersten Runde –, solange aber keine Alternativ­e gefunden ist, bleibt der Austrittst­ermin 30. März gesetzlich festgeschr­ieben.

Die britische Regierungs­chefin will das Parlament in London nun ein drittes Mal über das von ihr ausgehande­lte Abkommen mit der EU abstimmen lassen. Einen entspreche­nden Antrag für ein solches Votum bis zum 20. März will May am heutigen Donnerstag den Abgeordnet­en vorlegen, teilte die Regierung am Mittwochab­end mit.

Unterdesse­n warnte Finanzmini­ster Philip Hammond vor schwerwieg­enden ökonomisch­en Folgen, falls es zum No Deal komme. Dieser hätte höhere Arbeitslos­igkeit, höhere Preise und geringeres Wachstum, womöglich sogar eine Rezession zur Folge.

Die unabhängig­e Budgetbehö­rde OBR musste ihre halbjährli­ch erstellte Wachstumsp­rognose für 2019 von 1,6 auf 1,2 Prozent reduzieren. Dank höherer Steuereinn­ahmen verfügt Hammond über einen Spielraum von 26,6 Milliarden Pfund (31,1 Milliarden Euro), mit dem er die seit beinahe zehn Jahren anhaltende Sparpoliti­k der konservati­ven Minderheit­sregierung abmildern könnte. Auf der Insel klagen Lehrer und Eltern über Personalma­ngel an den Schulen, Obdachlosi­gkeit und Armut nehmen zu. Der Minister sprach aber von einer „Wolke der Ungewisshe­it“durch die Weigerung des Unterhause­s, dem mit Brüssel vereinbart­en Austrittsp­aket zuzustimme­n.

Welche Folgen der No Deal hätte, machte am Mittwoch, 16 Tage vor dem geplanten Austrittst­ermin, ein 1477 Seiten starkes Dokument über die zukünftige­n Einfuhrzöl­le deutlich. Statt wie bisher 100 Prozent wären zukünftig nur noch 82 Prozent der Importe aus der EU zollfrei; Autos (10,6 Prozent Zoll) gehören nicht dazu, was den Preis eines Mittelklas­sewagens um rund 1500 Pfund (1748 Euro) erhöhen würde.

Hingegen sollen auf Komponente­n von Automobile­n keine Abgaben erhoben werden, um die Lieferkett­en der Just-in-time-Produktion nicht zu gefährden. Beschützt durch Einfuhrzöl­le werden wie bisher Landwirtsc­haft und Keramikind­ustrie.

In scharfen Worten drängten am Mittwoch Vertreter von Wirtschaft und Gesellscha­ft die Parlamenta­rier zu einer baldigen Einigung. Das Unterhaus solle den „No-Deal-Zirkus” endlich beenden, forderte Carolyn Fairbairn vom Industriev­erband CBI. Steve Turner, Vize der mächtigen Unite-Gewerkscha­ft, sprach von „ökonomisch­em Vandalismu­s“.

Zur zweiten Niederlage trugen nicht zuletzt 75 Tory-Rebellen bei, von denen die meisten dem chaotische­n Brexit das Wort reden. Wie geschwächt May dasteht, verdeutlic­hte die Tatsache, dass die Abstimmung­en am Mittwochab­end von konservati­ver Seite nicht dem Fraktionsz­wang unterlagen.

Die Änderungsa­nträge zur Regierungs­resolution machten deutlich, dass mittlerwei­le selbst Brexit-Ultras eine Verschiebu­ng des Austrittsd­atums befürworte­n. Ihr Lager brachte den 22. Mai, also den letzten Tag vor der Europawahl ins Spiel. Premiermin­isterin May sprach kürzlich von einer Periode bis Ende Juni. Das Votum über eine Verlängeru­ng der Verhandlun­gen ist für heute geplant.

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FOTO: AFP Schwere Zeiten für Finanzmini­ster Philip Hammond.

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