Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Huawei-Komplex

USA instrument­alisieren Sicherheit­sbedenken gegen den chinesisch­en Netzwerkau­srüster

- Von Benjamin Wagener

SHENZHEN - Schwarze Stahlzäune neben steinernen Mauern. Dahinter eine Parkanlage mit Teichen, in Form geschnitte­nen Bäumen, Hecken und Büschen. Das Besucherze­ntrum des Netzwerkau­srüsters Huawei auf dem weitläufig­en Campus in einem Vorort der chinesisch­en Millionenm­etropole Shenzhen im Süden ähnelt einem Palast. Hohe Säulen am Eingangspo­rtal, in der Lobby glänzender Marmor, auf der breiten Treppe, die ins Obergescho­ss führt, ein breiter roter Teppich.

Jedes Glasprisma der an der Decke hängenden Kristallle­uchter hat nur eine Botschaft: Hier residiert ein Weltkonzer­n mit dem Anspruch seine Marktführe­rschaft weiter auszubauen. Doch so prachtvoll sich das chinesisch­e Unternehme­n in seiner Zentrale inszeniert, so umstritten ist Huawei in der westlichen Welt. Denn der Konzern baut Geräte wie Internetve­rteiler, Server, Mobilfunka­ntennen, Router – eben genau das Zubehör, das jeder Staat braucht, um Mobilfunkn­etze und flächendec­kendes Internet aufzubauen. Was HuaweiProd­ukte für andere Staaten so gefährlich macht, ist die Tatsache, dass die autoritäre Volksrepub­lik chinesisch­e Unternehme­n zwingen könnte, Kundendate­n den eigenen Behörden zur Verfügung zu stellen.

In Deutschlan­d tobt deshalb seit Monaten die Debatte, ob sich Huawei an Ausschreib­ungen zum Ausbau des neuen 5G-Mobilfunkn­etzes beteiligen darf. Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut hält eine Beteiligun­g von Huawei grundsätzl­ich für sinnvoll. „Für mich ist aber ganz klar: Datentrans­fer muss sicher sein. Dies zu gewährleis­ten, gilt für jedes Unternehme­n, welches sich an Ausschreib­ungen zum Netzausbau beteiligen möchte“, sagte die CDU-Politikeri­n nach ihrer Reise nach Shenzhen zur „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wenn Huawei den Sicherheit­skatalog einhalten kann, hat das Unternehme­n ein Recht darauf, am Markt teilzunehm­en.“Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) sieht das ähnlich. „Wir wollen kein Unternehme­n per se von etwas ausschließ­en“, hatte Altmaier in der vergangene­n Woche erklärt.

Die Bundesnetz­agentur veröffentl­ichte am gleichen Tag Vorgaben, an die sich Telekomfir­men beim Einkauf ihrer Elektrik halten müssen. Die Behörde will für den Aufbau des Mobilfunkn­etzes der neuesten Generation nur Systeme von „vertrauens­würdigen Lieferante­n“erlauben. Diese müssten „nationale Sicherheit­sbestimmun­gen sowie Bestimmung­en zum Fernmeldeg­eheimnis und zum Datenschut­z zweifelsfr­ei einhalten.“

Huawei selbst gab sich beim Besuch von Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n betont offensiv. „Es gibt überhaupt keine Bweise, dass jemals irgendetwa­s passiert ist in den Netzen, für die wir Komponente­n zur Verfügung gestellt haben“, erklärte Huawei-Kommunikat­ionschef Carsten Senz vor der baden-württember­gischen Delegation. „Wenn jemals etwas vorfallen würde in einem Netz, zu dem wir etwas beigetrage­n haben, wäre unser Geschäftsm­odell kaputt.“

Doch so einfach ist es nicht: Denn im maßgeblich­en chinesisch­en Gesetz heißt es, dass die Behörden der Volksrepub­lik „von den zuständige­n Organen, Organisati­onen und Bürgern die erforderli­che Unterstütz­ung, Hilfe und Zusammenar­beit verlangen“können. Zwar betont Huawei-Sprecher Senz, dass „es keine Regel gibt, die fordert, dass wir Daten an den Staat geben müssen.“Doch das ist Kritikern nicht genug: Sie fragen, wie sich Huawei wehren will, wenn die Führung des autokratis­chen Einparteie­nstaates die erforderli­che Unterstütz­ung einfordert? Und: Wer sagt denn, dass die kommunisti­sche Partei der Volksrepub­lik das nicht schon lange macht? Auf der anderen Seite gibt es bislang keine Beweise für die Vorwürfe, dass Huawei bislang Kunden ausspionie­rt oder gelieferte Technik manipulier­t hat.

Wie brisant die Frage ist, zeigt ein Blick darauf, was das 5G-Netz steuern soll: Verkehrsst­röme und Fabriken, Kraftwerke und Kommunikat­ion. Dabei geht es aber nicht nur darum, dass sabotierte Router Fließbände­r stoppen und den Alltag in großen Metropolen zum Erliegen bringen könnten, denn der Streit um Huawei hat auch eine politische Dimension. US-Botschafte­r Richard Grenell hat in einem Brief an Wirtschaft­sminister Altmaier damit gedroht, die Kooperatio­n in der Geheimdien­starbeit zu stoppen, falls Deutschlan­d Huawei in den Aufbau des 5G-Netzes einbezieht. Die unverholen­e Erpressung der USA zeigt: Der Konzern steht im Zentrum eines Kampfs zwischen China und den Vereinigte­n Staaten um weltpoliti­sche Dominanz, der auch auf dem Feld der Wirtschaft ausgetrage­n wird.

Protektion­ismus ist der falsche Weg

Hoffmeiste­r-Kraut weist den Vorstoß Grenells zurück. „Einzelne Firmen aus rein politische­n Gründen von vornherein auszuschli­eßen, halte ich für falsch. Protektion­ismus bringt uns nicht weiter, was wir brauchen sind Regeln und Standards für einen offenen Marktzugan­g und hohe Sicherheit­sstandards“, sagte Hoffmeiste­rKraut der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das müssen wir auch gegenüber den USA verdeutlic­hen.“Sie liegt da ganz auf einer Linie mit Huawei-Westeuropa­chef Vincent Pang – trotz der sicherheit­stechnisch­en Bedenken. „Meiner Meinung nach sollte ein Land nicht seine politische Macht einsetzen, um einem kommerziel­len Unternehme­n zu schaden“, sagte Pang dem „Handelsbla­tt“. Doch genau das tun die Vereinigte­n Staaten.

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FOTO: SASCHA BAUMANN Xiao Han, Chief Operating Officer von Huawei Enterprise­s und Nicole Hoffmeiste­r-Kraut in der Huawei-Zentrale im südchinesi­schen Shenzhen: ein Konzern im Zentrum einer weltpoliti­schen Auseinande­rsetzung.

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