Der Huawei-Komplex
USA instrumentalisieren Sicherheitsbedenken gegen den chinesischen Netzwerkausrüster
SHENZHEN - Schwarze Stahlzäune neben steinernen Mauern. Dahinter eine Parkanlage mit Teichen, in Form geschnittenen Bäumen, Hecken und Büschen. Das Besucherzentrum des Netzwerkausrüsters Huawei auf dem weitläufigen Campus in einem Vorort der chinesischen Millionenmetropole Shenzhen im Süden ähnelt einem Palast. Hohe Säulen am Eingangsportal, in der Lobby glänzender Marmor, auf der breiten Treppe, die ins Obergeschoss führt, ein breiter roter Teppich.
Jedes Glasprisma der an der Decke hängenden Kristallleuchter hat nur eine Botschaft: Hier residiert ein Weltkonzern mit dem Anspruch seine Marktführerschaft weiter auszubauen. Doch so prachtvoll sich das chinesische Unternehmen in seiner Zentrale inszeniert, so umstritten ist Huawei in der westlichen Welt. Denn der Konzern baut Geräte wie Internetverteiler, Server, Mobilfunkantennen, Router – eben genau das Zubehör, das jeder Staat braucht, um Mobilfunknetze und flächendeckendes Internet aufzubauen. Was HuaweiProdukte für andere Staaten so gefährlich macht, ist die Tatsache, dass die autoritäre Volksrepublik chinesische Unternehmen zwingen könnte, Kundendaten den eigenen Behörden zur Verfügung zu stellen.
In Deutschland tobt deshalb seit Monaten die Debatte, ob sich Huawei an Ausschreibungen zum Ausbau des neuen 5G-Mobilfunknetzes beteiligen darf. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut hält eine Beteiligung von Huawei grundsätzlich für sinnvoll. „Für mich ist aber ganz klar: Datentransfer muss sicher sein. Dies zu gewährleisten, gilt für jedes Unternehmen, welches sich an Ausschreibungen zum Netzausbau beteiligen möchte“, sagte die CDU-Politikerin nach ihrer Reise nach Shenzhen zur „Schwäbischen Zeitung“. „Wenn Huawei den Sicherheitskatalog einhalten kann, hat das Unternehmen ein Recht darauf, am Markt teilzunehmen.“Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht das ähnlich. „Wir wollen kein Unternehmen per se von etwas ausschließen“, hatte Altmaier in der vergangenen Woche erklärt.
Die Bundesnetzagentur veröffentlichte am gleichen Tag Vorgaben, an die sich Telekomfirmen beim Einkauf ihrer Elektrik halten müssen. Die Behörde will für den Aufbau des Mobilfunknetzes der neuesten Generation nur Systeme von „vertrauenswürdigen Lieferanten“erlauben. Diese müssten „nationale Sicherheitsbestimmungen sowie Bestimmungen zum Fernmeldegeheimnis und zum Datenschutz zweifelsfrei einhalten.“
Huawei selbst gab sich beim Besuch von Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin betont offensiv. „Es gibt überhaupt keine Bweise, dass jemals irgendetwas passiert ist in den Netzen, für die wir Komponenten zur Verfügung gestellt haben“, erklärte Huawei-Kommunikationschef Carsten Senz vor der baden-württembergischen Delegation. „Wenn jemals etwas vorfallen würde in einem Netz, zu dem wir etwas beigetragen haben, wäre unser Geschäftsmodell kaputt.“
Doch so einfach ist es nicht: Denn im maßgeblichen chinesischen Gesetz heißt es, dass die Behörden der Volksrepublik „von den zuständigen Organen, Organisationen und Bürgern die erforderliche Unterstützung, Hilfe und Zusammenarbeit verlangen“können. Zwar betont Huawei-Sprecher Senz, dass „es keine Regel gibt, die fordert, dass wir Daten an den Staat geben müssen.“Doch das ist Kritikern nicht genug: Sie fragen, wie sich Huawei wehren will, wenn die Führung des autokratischen Einparteienstaates die erforderliche Unterstützung einfordert? Und: Wer sagt denn, dass die kommunistische Partei der Volksrepublik das nicht schon lange macht? Auf der anderen Seite gibt es bislang keine Beweise für die Vorwürfe, dass Huawei bislang Kunden ausspioniert oder gelieferte Technik manipuliert hat.
Wie brisant die Frage ist, zeigt ein Blick darauf, was das 5G-Netz steuern soll: Verkehrsströme und Fabriken, Kraftwerke und Kommunikation. Dabei geht es aber nicht nur darum, dass sabotierte Router Fließbänder stoppen und den Alltag in großen Metropolen zum Erliegen bringen könnten, denn der Streit um Huawei hat auch eine politische Dimension. US-Botschafter Richard Grenell hat in einem Brief an Wirtschaftsminister Altmaier damit gedroht, die Kooperation in der Geheimdienstarbeit zu stoppen, falls Deutschland Huawei in den Aufbau des 5G-Netzes einbezieht. Die unverholene Erpressung der USA zeigt: Der Konzern steht im Zentrum eines Kampfs zwischen China und den Vereinigten Staaten um weltpolitische Dominanz, der auch auf dem Feld der Wirtschaft ausgetragen wird.
Protektionismus ist der falsche Weg
Hoffmeister-Kraut weist den Vorstoß Grenells zurück. „Einzelne Firmen aus rein politischen Gründen von vornherein auszuschließen, halte ich für falsch. Protektionismus bringt uns nicht weiter, was wir brauchen sind Regeln und Standards für einen offenen Marktzugang und hohe Sicherheitsstandards“, sagte HoffmeisterKraut der „Schwäbischen Zeitung“. „Das müssen wir auch gegenüber den USA verdeutlichen.“Sie liegt da ganz auf einer Linie mit Huawei-Westeuropachef Vincent Pang – trotz der sicherheitstechnischen Bedenken. „Meiner Meinung nach sollte ein Land nicht seine politische Macht einsetzen, um einem kommerziellen Unternehmen zu schaden“, sagte Pang dem „Handelsblatt“. Doch genau das tun die Vereinigten Staaten.