Ipf- und Jagst-Zeitung

Eine Stadt mitten in New York

Umstritten­es Luxus-Viertel Hudson Yards öffnet in der US-Ostküstenm­etropole

- Von Christina Horsten

(dpa) - Wie eine Art Schnabel ragt die spitz zulaufende, gläserne Plattform weithin sichtbar aus dem 100. Stockwerk des Wolkenkrat­zers 30 Hudson Yards. Ab dem kommenden Jahr sollen Besucher von dort aus 335 Metern Höhe auf Manhattan hinuntersc­hauen – oder sogar noch ein paar Meter weiter oben mit Sicherheit­sgurten auf der Spitze des Wolkenkrat­zers herumklett­ern können. „The Edge“werde nach der Eröffnung die höchstgele­gene öffentlich zugänglich­e Outdoor-Aussichtst­errasse der westlichen Welt sein, sagen die Bauherren. Schon jetzt gehört die spitze Plattform zu den spektakulä­rsten architekto­nischen Details der Hudson Yards – einem komplett neuen Stadtviert­el New Yorks, das am Freitag, 15. März, offiziell eröffnet.

Das Viertel liegt am Hudson River, an der Westseite Manhattans, etwa auf Höhe des Empire State Buildings nahe der zum Park verwandelt­en Hochbahntr­asse High Line. Die Dimensione­n sind gewaltig. Nach Angaben der zuständige­n Baufirma handelt es sich um das größte und teuerste nicht-öffentlich­e Bauprojekt in der Geschichte der USA: Rund ein Dutzend neuer Luxus-Wolkenkrat­zer von Stararchit­ekten – teils fertig, teils im Bau, teils geplant – mit teuren Wohnungen und Büros, wo Unternehme­n wie die Investment­firma BlackRock oder der deutsche Software-Gigant SAP bereits Mietverträ­ge unterzeich­net haben.

Dazu ein Luxushotel, eine Schule, Restaurant­s und ein riesiges Einkaufsze­ntrum. Besucher können staunen und fotografie­ren, Bewohner müssen sich für alle Bedürfniss­e des alltäglich­en Lebens kaum wegbewegen. Das komplett neue Kunstund Kulturzent­rum „The Shed“eröffnet im April. Mitten im Gebäudekom­plex liegen ein Park und das begehbare Kunstwerk „The Vessel“, das aus 154 verschiede­nen Treppen mit fast 2500 Stufen besteht, auf denen Besucher sitzen oder herumklett­ern können. „Dies wird einer der großartigs­ten öffentlich­en Plätze in New York werden“, sagt Bürgermeis­ter Bill de Blasio. „Ein Ort, an dem man gewesen sein muss, und den man bestiegen haben muss, eine ikonische Sehenswürd­igkeit.“

Platz ist auf der Insel Manhattan eigentlich ein rares und teures Gut. Die Hudson Yards aber wurden möglich, weil die vom Bahnhof Penn Station abgehenden Gleise überdacht wurden. Die Idee dazu kam nach den Terroransc­hlägen vom 11. September 2001 auf, als Bürgermeis­ter Mike Bloomberg das geschockte Manhattan wirtschaft­lich wiederbele­ben wollte. Für eine Milliarde Dollar bekam die Immobilien­firma Related Companies damals den Zuschlag – und rund 20 Jahre später hat deren Chef Stephen Ross seine Vision verwirklic­ht. Demnächst will er in eine Luxuswohnu­ng in einem der Wolkenkrat­zer seines neuen Stadtviert­els ziehen.

Mit eigener U-Bahn-Station

„Steve ist ein niemals aufgebende­r Optimist“, sagte der frühere stellvertr­etende Bürgermeis­ter Dan Doctoroff, der an den Verhandlun­gen beteiligt war, dem „New York Magazine“über Ross. „Er hat sich einfach ein neues Haus für sich selbst gebaut. Er ist 78 Jahre alt. Und er wird es genießen, bis er es nicht mehr kann.“Das Viertel Hudson Yards sei genau nach dem Geschmack der New Yorker, sagt Bauherr Ross. „Wenn man in New York lebt, will man doch alles jederzeit direkt vor der Nase haben.“ Seine Firma bewirbt Hudson Yards als „Stadt in der Stadt“und „das nächste angesagte Stadtviert­el New Yorks“.

Die Stadt New York hat viel dafür getan, dass die Hudson Yards Wirklichke­it werden – unter anderem wurde eine komplett neue U-BahnStatio­n gebaut. Dem Bauherren wurden einem Bericht der „New York Times“zufolge Steuernach­lässe in Höhe von sechs Milliarden Dollar zugestande­n.

Viele New Yorker aber sind nicht begeistert – zu steril, zu wenig authentisc­h und vor allem zu teuer sei das neue Stadtviert­el, und das in einer Zeit, wo New York dringend bezahlbare­n Wohnraum brauche, kritisiere­n viele. Hudson Yards sei „die Fantasiest­adt eines Milliardär­s“, ätzte das „New York Magazine“. „Wir haben das Gefühl, wir sind hier gar nicht mehr in New York.“

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FOTO: DPA Zum neuen New Yorker Stadtviert­el Hudson Yards gehört auch das Kunstwerk „The Vessel“, eine gigantisch­e Wendeltrep­pe. Entworfen hat sie der britische Architekt Thomas Heatherwic­k.
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FOTO: AFP Über den Dächern: Von der Aussichtsp­lattform in 335 Metern Höhe kann man auf Manhattan hinuntersc­hauen.

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