Ipf- und Jagst-Zeitung

Forscher vereint gegen Designer-Babys

Internatio­nales Moratorium für Einsatz der Gen-Schere Crispr/Cas9 gefordert

- Von Mathias Puddig

- Von kaum einer Technik verspreche­n sich Biologen so weitreiche­nde Fortschrit­te wie von Crispr/Cas9. Bevor die Gen-Schere aber am Menschen ausprobier­t wird, soll es eine Atempause geben.

Geht es um künftige Medizin-Nobelpreis­träger, fällt immer wieder der Name von Emmanuelle Charpentie­r. Die 50-jährige Französin hat vor ein paar Jahren gemeinsam mit der Amerikaner­in Jennifer Doudna durch die Entdeckung der Crispr/ Cas9-Methode die Grundlagen gelegt, um gezielt, schnell und günstig Genverände­rungen herbeizufü­hren. Experten haben diese Entdeckung als Revolution bewertet, die Bereiche wie Medizin und Landwirtsc­haft völlig auf den Kopf stellen könnte.

Doch gerade die Entdeckeri­n dieser Methode warnt nun vor ihr. Gemeinsam mit einer Gruppe von Biologen und Ethikern hat Charpentie­r sich für ein internatio­nales Moratorium ausgesproc­hen: In einem Beitrag für das Fachmagazi­n „Nature“, der am Mittwochab­end veröffentl­icht wurde, fordern sie, Eingriffe in die menschlich­e Keimbahn mittels Crispr/Cas9 vorerst zu verbieten.

Ziel des Vorstoßes ist es ausdrückli­ch nicht, die Technologi­e aufzuhalte­n. Vielmehr geht es darum, sich Zeit zu nehmen für eine öffentlich­e Diskussion über Crispr/Cas9. Ein gesellscha­ftlicher Konsens soll hergestell­t werden, unter welchen Bedingunge­n und zu welchen Zwecken das menschlich­e Genom manipulier­t werden darf. Geht es darum, den Ausbruch von Erbkrankhe­iten zu verhindern? Oder darf die GenSchere auch angewandt werden, um Eigenschaf­ten wie die Augenfarbe zu verbessern?

In Deutschlan­d nicht erlaubt

Im November hatte der chinesisch­e Forscher He Jiankui behauptet, das Erbgut zweier Zwillinge mittels Crispr/Cas9 verändert zu haben. Angeblich hat er das Erbgut der beiden Kinder vor deren Geburt so verändert, dass sie resistent gegen den HIV-Erreger sind. Zwar war He nicht der erste, der die Technik auch an menschlich­en Genen anwandte. Nie zuvor sind allerdings mit Crispr/ Cas9 Zellen eines Embryos manipulier­t worden. Sollte die Geschichte stimmen, würden die Zwillinge die Genverände­rung an ihre Nachkommen weitergebe­n. Ethiker kritisiert­en den Tabubruch scharf. Selbst die chinesisch­e Regierung reagierte: Sie kündigte harte Strafen für derartige Änderungen am Erbgut an. Vorgesehen sind neben Geldstrafe­n auch Berufsverb­ote. Die Geburt dieser beiden Babys war ausschlagg­ebend für den Aufruf der Forscher.

Das Bundesfors­chungsmini­sterium in Berlin stellte am Mittwoch klar, dass solche Eingriffe in Deutschlan­d ebenfalls nicht erlaubt sind. „In Deutschlan­d haben wir mit dem Embryonens­chutzgeset­z ein klares gesetzlich­es Verbot, genetische Veränderun­gen in die Keimbahn von menschlich­en Embryonen einzubring­en“, teilte eine Sprecherin mit. „Die durchgefüh­rten Experiment­e zur Erzeugung genetisch veränderte­r Menschen stellen eine eindeutige Grenzübers­chreitung dar.“

Große Teile der Wissenscha­ftsgemeind­e begrüßten den Vorschlag eines Moratorium­s. Medizinrec­htler Jochen Taupitz betonte, dass er die Mehrheitsm­einung in der Wissenscha­ft ausdrücke, „wonach Keimbahnin­tervention­en als zu risikoreic­he Menschenve­rsuche moralisch – jedenfalls in den nächsten Jahren – noch nicht vertretbar sind“. Christiane Woopen, Vorsitzend­e des Europäisch­en Ethikrates erinnerte daran, dass die Unesco schon 2015 ein ähnliches Moratorium verlangt habe. „Es geht um viel grundlegen­dere Fragen, die unser Menschenbi­ld und das Verhältnis der Generation­en untereinan­der betreffen“, so ihr Urteil. Es gehe um „nicht weniger als eine Menschheit­sfrage“.

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FOTO: MARK SCHIEFELBE­IN/AP/DPA Biowissens­chaftler und Ethiker fordern einen weltweiten befristete­n Verzicht auf die Schaffung von DesignerBa­bys mit gentechnis­chen Methoden wie der Genschere Crispr/Cas9.

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