Ipf- und Jagst-Zeitung

Das fünfte Jahr soll kein verflixtes werden

Sebastian Vettel muss bei Ferrari langsam liefern, wenn aus der Liebesheir­at keine kriselnde Ehe werden soll

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(fil/SID/dpa) - Die Vergleiche haben Sebastian Vettel schon begleitet, da war er noch nicht einmal in der Formel 1. Der viermalige Weltmeiste­r hat sich an die manchmal recht bemühten Analogien zu Michael Schumacher, dem Rekordwelt­meister, der vom frühen Idol und Förderer Vettels zum Freund wurde, gewöhnt.

Vor dem Start der neuen Saison am Sonntag in Melbourne (6.10/RTL und Sky) geht die aktuellste VettelSchu­macher-Analogie so: Vettel geht in seine fünfte Saison bei der Scuderia Ferrari. Vier Jahre lang ist Vettel nun erfolglos seinem fünften WMTitel – dem ersten für Ferrari – hinterherg­efahren. Langsam sollte er liefern, wenn aus der Liebesheir­at nicht eine kriselnde Ehe werden soll. Aber: Wie lange benötigte einst Schumacher, um seinen ersten von am Ende vier Titeln für den Rennstall einzufahre­n und so zur Legende zu werden? Man ahnt es – fünf.

„Es wäre das Ultimative, wenn ich mit Ferrari die WM gewinne“, sagt Vettel also, „es ist mein Ziel, mein Traum.“Er weiß aber auch, dass es höchste Zeit wird. Einiges spricht dafür, dass das fünfte Jahr in Rot ein Alles-oder-Nichts-Jahr für den mittlerwei­le auch schon 31-jährigen Vettel ist.

Schon in der vergangene­n Saison hatte Ferrari ein Auto, das in der Lage war, die Dominanz von Mercedes und Weltmeiste­r Lewis Hamilton zu brechen. Dass es am Ende nicht klappte, lag vorwiegend an einem lähmenden Streit in der Führungseb­ene Ferraris und strategisc­hen Fehlern – aber eben auch am Fahrer. Vettel zeigte in einer insgesamt guten Saison Schwächen, und er ist nicht mehr unumstritt­en in Italien. Vettel sieht es sportlich, es gebe eben nur „einen Sieger“, sagte er der „Sport Bild“: „Der Zweite ist der erste Statist. Das ist nicht immer fair, aber Formel 1 ist kein Kindergebu­rtstag.“

Und weil die Formel 1 ein hartes Pflaster ist, muss Vettel sich nun auch teamintern einer ganz neuen Herausford­erung stellen. Nach vier Jahren an der Seite seines Kumpels, seines oft treuen Gehilfen Kimi Räikkönen hat nun Charles Leclerc das zweite Ferrari-Cockpit ergattert – ein letzter Wille des im Juli 2018 verstorben­en mächtigen Fiat-Bosses Sergio Marchionne.

Der Monegasse ist eines der größten Talente des Sports, er gilt als künftiger Weltmeiste­r, kommt zudem aus der Ferrari-Akademie und wäre damit für den Rennstall ein sehr vorzeigbar­er Nummer-1-Fahrer. Schon bei den Testfahrte­n in Barcelona präsentier­te sich der 21-Jährige auf Augenhöhe mit Vettel – der neue Ferrari-Boss Mattia Binotto gibt sich wenig überrascht. „Charles ist smart, er ist schnell“, sagt der neue Teamchef dem „Corriere della Sera“: „Wir werden sehr viel Freude an ihm haben.“

Leclerc wird durchaus als einer gesehen, der Vettel den Status als Speerspitz­e der Roten nehmen kann, zweifellos soll ihm die Zukunft gehören. Kurzfristi­g gibt es allerdings auch gute Nachrichte­n für Vettel. Zwar sollen beide Piloten „frei kämpfen“, sagt Binotto. Wenn sich die Scuderia mit Blick auf die Meistersch­aft aber in gewissen Rennsituat­ionen für einen Piloten entscheide­n muss, dann wird das zumindest zu Beginn wohl Vettel sein.

„Sebastian hat mehr Erfahrung, er ist viele Jahre bei uns, hat WM-Titel gewonnen“, sagt Binotto, „also ist er unser Champion.“Genau dieses klare Bekenntnis hatte in der vergangene­n Saison gefehlt, in mindestens zwei Situatione­n sträubte sich Binottos Vorgänger Maurizio Arrivabene, Räikkönen zugunsten Vettels und der WM-Chancen einzubrems­en.

Im Gegensatz zum recht zerknitter­t daherkomme­nden Ex-MarlboroMa­rketingman­n Arrivabene ist Binotto Ingenieur. Er war einst als Motorening­enieur schon an Schumacher­s Siegesseri­e beteiligt. Im Januar hat der 49-Jährige seinen Intimfeind Arrivabene abgelöst – Binottos Verhältnis zu Vettel gilt als gut.

Wehrlein Simulatorf­ahrer bei Ferrari – auch dank Vettel

Und überhaupt hat Vettel bei allem Druck ja einige Gründe, 2019 optimistis­ch anzugehen. Sein Team scheint das neue Aerodynami­k-Regelwerk am besten umgesetzt zu haben, der SF90, von Vettel Lina getauft, beeindruck­te bei den Tests. „Unglaublic­h“fand Vettel sein neues Auto, sprach von „Perfektion“.

Zudem hat Vettel deutsche Unterstütz­ung erhalten: Der Worndorfer Pascal Wehrlein, 2016 und 2017 in der Formel 1 mit Unterstütz­ung von Mercedes bei den Hinterbänk­lerteams Manor und Sauber, und letzte Saison wieder für Mercedes in der DTM aktiv, hat sich Ferrari angeschlos­sen. Parallel zu seinem Engagement in der Formel E arbeitet er als Simulatort­ester für Ferrari. „Als das Thema hochkam, habe ich seinen Namen genannt“, so Vettel zur „Sport Bild“.

Und auch ein Schumacher ist wieder bei Ferrari: Michaels Sohn Mick, Europameis­ter der Formel 3 und heuer in der Formel 2 unterwegs, gehört dem Ferrari-Juniorteam an. Haben sich die Rollen umgedreht? „Ich sehe mich nicht in der Lehrmeiste­rrolle“, so Vettel, „der Unterschie­d: Michael war mein großes Vorbild, er ist es auch heute noch in gewisser Weise. Er fehlt mir. Mick hat seine Familie, da braucht er niemand anders. Aber wer weiß, dass er immer zu mir kommen kann, wenn er Fragen hat.“

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FOTO: IMAGO Der neue Ferrari SF90, von Vettel Lina getauft, beeindruck­te bei den Testfahrte­n mit Topzeiten.
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FOTO: IMAGO Sebastian Vettel (li.) und Pascal Wehrlein im Jahr 2017 als Rivalen in der Formel 1. Nun ist der Worndorfer Wehrlein Simulatort­ester bei Ferrari – auf Vettels Empfehlung.
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FOTO: DPA Michael Schumacher­s Sohn Mick ist seit dieser Saison Mitglied des Ferrari-Juniorteam­s.

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