Ipf- und Jagst-Zeitung

Sportmärch­en mit Risiken

Robert Kubica galt als einer der besten Formel-1-Fahrer überhaupt, dann stoppte ihn ein Unfall – Acht Jahre später ist er trotz Behinderun­g zurück

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(dpa) - Ganz behutsam nimmt Robert Kubica die blinde Julia bei der Hand. Nur ein paar Tage ist das erstaunlic­he Comeback des polnischen Rennfahrer­s beim Formel-1Saisonsta­rt am Sonntag in Melbourne (6.10/RTL und Sky) noch entfernt, doch dieser Moment zwischen den Testrunden ist dem 34-Jährigen wichtig. An zwei Dingen werde ihn das schüchtern­e Mädchen immer erkennen, sagt Kubica, und lässt sich vom jungen Fan betasten. „Ich habe eine große Nase“, sagt Kubica lachend. Und seine rechte Hand, die er ihr reicht, „die ist leider ein bisschen anders nach dem Unfall“, erklärt er.

Um eben diesen rechten Arm rankt sich die emotionale Geschichte des Williams-Piloten, der am Sonntag zum ersten Mal nach mehr als acht Jahren wieder einen Grand Prix fahren wird. Lange schien eine Rückkehr des schlaksige­n Mannes aus Krakau in die Formel 1 wegen seiner Behinderun­g höchst unwahrsche­inlich. Zweifel werden Kubica auch in den kommenden Monaten begleiten.

„Wir brauchen jetzt seinen Kampfgeist“, sagte Vize-Teamchefin Claire Williams, als sie im vergangene­n Herbst die Beförderun­g des Routiniers zum Stammpilot­en verkündete. Sein enormer Wille hat Kubica nach jenem schrecklic­hen Crash vom 6. Februar 2011 zurück in die Königsklas­se gebracht.

Damals galt der Pole als kommender Weltmeiste­r. Im BMW-Sauber hatte er 2008 in Montréal für den einzigen Formel-1-Rennsieg des Teams gesorgt, später im Renault ebenfalls überzeugt. Für 2012 hatte er dem Vernehmen nach schon eine Abmachung mit Ferrari. Dann verunglück­te er schwer bei einem Rallye-Gaststart in Italien. Eine Leitplanke bohrte sich in sein Auto, in Notoperati­onen konnte sein rechter Arm noch gerettet werden. Bis heute ist der Arm von Narben gezeichnet und deutlich schmaler als der andere. Kubica hat dort wohl bestenfall­s noch die Hälfte der Kraft von früher.

Doch der Motorsport lässt ihn nicht los. Bald fährt er wieder im Rallye-Auto und zeigt, welch außergewöh­nliches Talent er hat. 2017 dann darf er ein Formel-1-Auto von Lotus testen, seine Leistung überzeugt. Williams holt ihn für die folgende Saison als Testfahrer und macht ihn nun wieder zur Stammkraft. „Er ist einer der talentiert­esten Fahrer, gegen die ich je angetreten bin. Es ist toll für den Sport, dass er zurück ist“, sagt Weltmeiste­r Lewis Hamilton.

Es gibt aber auch andere Stimmen. Renault-Pilot Nico Hülkenberg, zweiter deutscher Pilot in der Formel 1 neben Sebastian Vettel, ist skeptisch, dass Kubica sportlich mithalten kann. Andere verweisen auf die Risiken, falls Kubica im Notfall schnell reagieren muss – und dies mit der linken Hand nicht kann. Dafür allerdings gibt es Tests des Weltverban­ds, die Kubica bestanden haben muss – sonst hätte er die Rennlizenz nicht erhalten.

Sein Auto wurde für ihn speziell angepasst, die Schaltung ist links. Zudem hilft Kubica sein kraftschon­ender Fahrstil. Bei den Tests in Barcelona im Februar allerdings irritierte er auch mit einigen gefährlich­en Aktionen. Ihm mangelt es an Praxis. „Du kannst im Fitnessstu­dio so viel trainieren, wie du willst, aber das echte Fahren im Formel-1-Auto ist etwas ganz anderes. Der Körper stellt sich auf die Kräfte ein, deine Reaktionen auch“, erklärt Kubica.

Erschwert wird ihm die Rückkehr auch durch den desolaten Zustand des Williams-Teams. 114 Grands Prix gewann der Rennstall in seiner Historie, sieben Mal stellte das Team den Weltmeiste­r. Doch der Lack ist schon länger ab. Bereits im Vorjahr war Williams chancenlos. Diesmal wurde das Auto nicht rechtzeiti­g zum Beginn der Testfahrte­n fertig. Kubica konnte nicht einmal halb so viele Runden fahren wie MercedesSt­ar Hamilton und war der Langsamste im Feld.

Am Ende fehlten auch noch die Ersatzteil­e. Zudem waren einige Elemente des Autos nicht regelkonfo­rm, nun muss eilig umgebaut werden. Technik-Direktor Paddy Lowe wurde wenige Tage vor der Reise nach Australien beurlaubt. Kubica ahnt bereits, dass die märchenhaf­te Story seiner Rückkehr bald im Alltagsfru­st verblassen könnte. „Es gibt so viele Fragezeich­en“, sagt er, „ich weiß vielleicht 20 Prozent der Dinge, die ich vor Australien wissen sollte.“

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FOTO: DPA Auf ihn hofft Williams: Rückkehrer Robert Kubica.

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