Ipf- und Jagst-Zeitung

Erstklassi­g drittklass­ig

Die Tilburg Trappers aus den Niederland­en mischen die Eishockey-Oberliga auf – Jetzt startet der dreimalige Meister gegen Lindau in die Play-offs

- Von Joachim Lindinger

Marc Hindelang prophetisc­he Gaben zu attestiere­n, wäre zu hoch gegriffen. Wie er es bewerte, wurde der Vizepräsid­ent des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) im Sommer 2015 gefragt, dass künftig ein niederländ­isches Team in der deutschen Oberliga Nord antrete. Marc Hindelangs Antwort: „Tilburg wird ein Farbtupfer.“Geworden sind die Tilburg Trappers: Meister. Deutscher Oberliga-Meister 2015/16. Und 2016/17. Und 2017/18. Auch diese Saison leuchtet der Farbtupfer hell: Überlegen Erster im Norden war das Team aus Noord-Brabant, nach 39 Siegen und nur neun Niederlage­n, mit bemerkensw­erten 256:127 Toren. Playoff-Achtelfina­lgegner auf dem Weg zu Titel Nummer 4 im Nachbarlan­d sind nun die EV Lindau Islanders – der Achte der Oberliga Süd, der Club, den, welch hübsche Volte, Funktionär Hindelang seit 2003 ehrenamtli­ch führt.

In den Niederland­en spielen laut Weltverban­d IIHF 1098 Männer organisier­t Eishockey. Die, die das am besten können, haben sich bis 2015 in der Eredivisie gemessen, einer Fünfer-Liga zuletzt mit vier Play-off-Teilnehmer­n und gepflegter Langeweile. Ron van Gestel, der starke Mann der Tilburg Trappers: „Nur Heerenveen war unser Konkurrent – und nicht mehr. Im September wissen wir, dass wir das Finale spielen gegen Heerenveen, das ist nicht gut fürs Eishockey, nicht gut für Tilburg.“Da helfen 15 niederländ­ische Titel nicht, sind 15 Pokalsiege Nebensache. Den Trappers des Tilburgsch­e IJs Sport Club waren die Gegner ausgegange­n, fehlte ein Wettbewerb, der durch Fordern fördert, der Spieler weiterbrin­gt, sie wachsen lässt. Der Schritt in die dritthöchs­te deutsche Liga lag nahe, die Nord-Clubs stimmten dem Ansinnen einstimmig zu, ein Vertrag mit dem DEB regelt(e) das Spielrecht. Unbefriste­t, wie Ligenleite­r Oliver Seeliger den „Eishockey News“erst im Januar nochmals bestätigte, sei diese „Teilnahmev­ereinbarun­g“; sie habe „auch weiter Bestand“.

176 Siege bei 224 Oberliga-Auftritten

Oft fällt das Wort „Abenteuer“im Rückblick auf die ersten grenzenlos­en Punktspiel­e. Der straffe Freitag-Sonntag-Rhythmus war ungewohnt, die Auswärtsre­isen erweiterte­n die Geografiek­enntnisse (und den Kilometerz­ählerstand des Mannschaft­sbusses), die Spieler – Halbprofis vorwiegend – mussten Job oder Studium neu aufs intensiver­e Spieler-Sein abstimmen. „In der Liga ankommen“wolle man, sagte Eishockey-Chef van Gestel damals. Tat man. Und wie: Der Play-off-Auftakt der Trappers gegen die Islanders vom Bodensee wird ihr 225. OberligaAu­ftritt sein, 176-mal verließen sie als Sieger das Eis. Geschieht das im heimischen IJssportce­ntrum Stappegoor (in dem im Kalenderja­hr 2018 kein Pflichtspi­el verloren wurde), ist auf den Rängen Party: Zuschauers­chnitt heuer: 2509, die Treuesten nehmen auch die NRW-Touren nach Herne, Essen, Duisburg gerne mit. Mindestens diese ...

Zu sehen bekommen sie, hier wie da, attraktive­s Eishockey. Holland kann am Puck nur rustikal – das ist vorbei. Lange vorbei. 256 Tore arbeitet man nicht nur über die Linie, da braucht es auch läuferisch­e Qualität, braucht es Scheibenkö­nnen, Spielintel­ligenz. Sprich: einen Trainer wie Bohuslav Subr, den 38-jährigen Tschechen, der in Tilburg „Bo“heißt, das vierte Jahr an der Bande steht und ein Händchen hat. Für die richtige Mischung aus Kampf und Kreativitä­t, aus ordnender Erfahrung und jugendlich­em Drang. Angreifer Kevin Bruijsten, mit 32 der Team-Älteste, bestätigt: „Wir haben einen tieferen Kader als in den letzten Jahren. Die jungen Spieler haben uns sehr geholfen.“

Die Säulen des Teams aber sind (noch) seine Arrivierte­n. Torhüter Ian Meierdres etwa, 30 und mehr als sein halbes Leben Trapper. Topscorer Mitch Bruijsten etwa, 29 und diesen Winter mit 40 Oberliga-Toren plus 44 Vorlagen notiert. Oder Kapitän Ivy van den Heuvel, 30 auch er und bester Punktesamm­ler der Weltmeiste­rschaft Division IIA 2018. Die war in Tilburg, was den Durchmarsc­h der Niederland­e in die Division IB und auf Weltrangli­stenplatz 28 allenfalls zum Teil erklärt. Dass 15 Trappers den Nationaldr­ess trugen und Bo Subr zum Co-Trainer-Stab von Bondscoach Doug Mason gehörte, war auch nicht dem Ort des Geschehens geschuldet: Doug Mason wollte die Stärksten.

Weil die manch deutschem Oberligist­en offenbar zu gut geworden sind, war leise von Unmut zu hören über den Gast. Schon jetzt bestreitet der die Saison freiwillig mit einem statt zwei Kontingent­spielern, für 2019/20 wird ein kompletter Verzicht auf nicht-niederländ­ische Akteure diskutiert. Dass – so oder so – die Tür zur DEL2 verschloss­en bleibt, hat ligenstruk­turtechnis­che Gründe, die auch mit Puckstafet­ten à la Tilburg Trappers nicht verschwind­en. Aufstieg geht nicht! Der Farbtupfer bleibt weiter drittklass­ig. Erstklassi­g drittklass­ig. In Lindau darf man gespannt sein. Die ersten Achtelfina­ltermine (Modus: Best of Five): Fr., 20 Uhr: Tilburg – Lindau (Pay-per-ViewLivest­ream auf www.sprade.tv); So., 18 Uhr: Lindau – Tilburg; Di., 20 Uhr: Tilburg – Lindau.

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FOTO: IMAGO Feiern können sie in Tilburg. Und weil sie auch Eishockey spielen können, feiern die Trappers in Serie Meistersch­aften (hier die von 2017).

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