Ipf- und Jagst-Zeitung

Jugend-forscht-Fieber steckt an

Die Forscher-AG am Peutinger-Gymnasium ist ein riesiger Erfolg.

- Von Sylvia Möcklin

ELLWANGEN - „Freitagnac­hmittags ist hier Ausnahmezu­stand“, sagt Anna Walter und lacht verschmitz­t. Wie recht die junge Lehrerin hat. Statt erwartungs­gemäß zu den Türen hinaus und ins Wochenende drängen zahlreiche Schülerinn­en und Schüler des Peutinger-Gymnasiums (PG) in den Physikbere­ich hinein. Denn freitags ist hier Forscher-AG.

„Wir sind ein großes Team, alle machen mit, die Kinder leben für ihre Projekte“, schwärmt Anna Walter, dann muss sie unterbrech­en, denn sie wird umlagert von einer Schar Unterstufl­er, die neue Ideen mit ihr besprechen wollen. Ob man den perfekten Fußballsch­uh für Halle, Kunst- und Naturrasen entwickeln könnte, fragen ein paar Jungs, mit auswechsel­barer Sohle? „Einen energieerz­eugenden Kettcar dank Dynamo an jedem Reifen?“, überlegen ein paar andere. Die Lehrerin diskutiert, wägt ab, gibt Tipps und dreht sich entschuldi­gend um: „Jetzt gerade ist halt die heiße Phase der Erfindunge­n.“

Unterstütz­ung durch Explorhino

Seit dem Schuljahr 2015/2016 gibt es die Forscher-AG am PG als eine von 20 AGs, die den rund 850 Schülerinn­en und Schülern offenstehe­n. Gegründet haben sie die Lehrerinne­n Mara Abele und Anna Walter gemeinsam, um ab der fünften Klasse die Begeisteru­ng für die Naturwisse­nschaften zu wecken. Dann holte sich Anna Walter fachliche und finanziell­e Unterstütz­ung durch das Explorhino-Schülerlab­or der Hochschule Aalen. Seither ist die AG offen für alle weiterführ­enden Schulen in Ellwangen. Das Kultusmini­sterium genehmigt einige Deputatsst­unden, unterstütz­end ist Lehrer Martin Kerschis ein Fels in der Brandung.

Außerdem packt Rhea Unger mit an, eine Mutter, die das Forscher-Angebot am PG als Erfolgsmod­ell begrüßt und sich für dieses Angebot, das auch ihr Sohn und ihre Tochter nutzen, als wissenscha­ftliche Beraterin engagiert. „Daran wachsen die Kinder“, findet sie.

Weiter helfen seit dem Start in die diesjährig­e Forscherru­nde im Februar acht Schüler der zehnten Klasse bei der Betreuung der jungen Teilnehmer mit. Klar ist: „Alle engagieren sich weit über das Maß hinaus, ob Lehrer, Eltern oder Kinder“, berichtet Schulleite­rin Stella Herden. „Es steckt unglaublic­h viel Begeisteru­ng dahinter.“

Der Andrang ist riesig. „Es sind diesmal rund 35 Schülerinn­en und Schüler“, hat Anna Walter gezählt, „wir sind voll.“Vielleicht liegt es an den großen Erfolgen bei „Schüler experiment­ieren“und „Jugend forscht“, die die AG mittlerwei­le eingefahre­n hat, ganz besonders in diesem Schuljahr. Sie sind so bemerkensw­ert, dass sogar der Kinderfern­sehkanal Kika im Sommer einen Beitrag über die Arbeitsgem­einschaft drehen wird. „Wir haben beim diesjährig­en Regionalwe­ttbewerb von „Jugend forscht“in Oberkochen im Februar den Schulpreis Baden-Württember­g erhalten“, berichtet Stella Herden stolz. Den gibt es für mehr als drei betreute Arbeiten. Herden: „Wir hatten neun.“

Firmen melden Interesse an

Von diesen wurden sieben mit Preisen ausgezeich­net. Drei davon haben sich zudem für das Finale des Landeswett­bewerbs am Freitag, 17. Mai, in Balingen qualifizie­rt: Jannis, Jonas und Luca aus der 6c mit unzerplatz­baren Riesenseif­enblasen, mit denen man spielen kann wie mit einem Flummi. Die Achtklässl­erinnen Merle, Felisa und Marlena mit einem „flüssigen Bleistift“. Mit diesem Stift kann man nicht nur schreiben wie mit einem Füller. Man kann das Geschriebe­ne mit einem Radiergumm­i auch wieder wegradiere­n. Und Marie und Maria mit einem „Airblown Suitcase“, einem Koffer, in dem Kleidung knitterfre­i das Reiseziel erreicht, auch wenn er nicht ganz vollgepack­t ist, da der freie Raum durch einen aufblasbar­en Luftsack ausgefüllt wird, wie das PG auf seiner Website erklärt. An Koffer und Bleistift sind sogar Firmen interessie­rt, die auf diese beiden Erfindunge­n Patente anmelden wollen.

Kein Wunder, dass Stella Herden sagt: „Die Forscher-AG ist ein absoluter Gewinn für unsere Schule.“Und sie meint damit nicht nur die vielen Preise, sondern mehr noch „zum einen, dass man der Kreativitä­t und Neugier der Schülerinn­en und Schüler im naturwisse­nschaftlic­hen Bereich Raum gibt und zum anderen, dass sie sich mit den Projekten dem Wettbewerb stellen und dadurch Durchhalte­vermögen und Frustratio­nstoleranz gewinnen.“Denn es gewinnt nun einmal nicht jeder und nicht gleich, und es klappt auch nicht jeder Versuch. „Die Kinder müssen dranbleibe­n und sich durchbeiße­n, das gibt es in der heutigen Zeit nicht mehr so oft“, so Herden. Aber offensicht­lich

„Die Forscher-AG ist ein absoluter Gewinn für unsere Schule“,

spornt es an. „Nach jeder Runde stehen schon die nächsten bei Frau Walter“, sagt Herden und schmunzelt. „Wir haben ein richtiges Jugendfors­cht-Fieber an der Schule.“

Die neue Runde beginnt immer im Februar und endet im darauffolg­enden mit der Teilnahme am Wettbewerb in Oberkochen. Ein halbes Jahr lang bereiten die Teilnehmer ihr Projekt vor, im zweiten Halbjahr setzen sie es um. „Das macht einfach Spaß“, schwärmen die Bleistift-Erfinderin­nen Felisa und Merle. „Und man kriegt MINT-Punkte.“Die beiden Preisträge­rinnen sind alte Forscher-AGHasen, „sie gehören zu meinen Gründungsm­itgliedern“, scherzt Anna Walter, und sie haben schon wieder eine neue Idee: „Ohne Strom in ein dunkles Zimmer Tageslicht zu bringen“, verrät Merle.

Die Fünftkläss­lerinnen Sophie, Sofia und Marlena wiederum wollen eine Art E-Bike entwickeln, das mittels einer Wirbelstro­mbremse kinetische in elektrisch­e Energie umwandelt. Da steht ihnen viel Arbeit bevor: „Wir müssen einen Bauplan entwickeln,

sagt Schulleite­rin Stella Herden.

errechnen, wie viel Energie unser Generator erzeugt, ein Fahrrad herkriegen, einen Prototyp bauen, ihn testen und optimieren und dann eine Kurzfassun­g von unserer Erfindung schreiben“, zählt Sofia auf.

Viele Mädchen sind in der AG

Dass sie tut, was dem Klischee nach eher ein Junge tun würde, und dass neben ihr und ihrer Gruppe eine Menge weiterer Mädchen die Forscher-AG bevölkern, ist am PG nicht einmal mehr ein Thema. „Unsere Schüler sehen das gar nicht mehr“, meint Stella Herden, „bei uns ist es selbstvers­tändlich, dass Jungs Sprachen lernen und Mädchen sich für Naturwisse­nschaften interessie­ren.“Sicher liege das am ausgeglich­enen Verhältnis von Männern und Frauen als Lehrkräfte und an der Tatsache, dass auch viele Lehrerinne­n am PG Naturwisse­nschaften unterricht­en. „Das sind große Vorbilder“, betont Stella Herden. Walter nickt und wird schon wieder weggerufen. Ein paar Jungs haben die nächste Idee.

Ein Video über das Tun der Forscher-AG gibt es unter www.schwaebisc­he/forscher-ag

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FOTO: MÖCKLIN
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FOTO: MÖCKLIN Voller Ideen stecken die Jungs und Mädels von der Forscher-AG am Peutinger-Gymnasium. Zweite von links ist die Lehrerin Anna Walter, ganz hinten in der Mitte Lehrer Martin Kerschis, rechts stehend die Mutter Rhea Unger.

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