Jugend-forscht-Fieber steckt an
Die Forscher-AG am Peutinger-Gymnasium ist ein riesiger Erfolg.
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ELLWANGEN - „Freitagnachmittags ist hier Ausnahmezustand“, sagt Anna Walter und lacht verschmitzt. Wie recht die junge Lehrerin hat. Statt erwartungsgemäß zu den Türen hinaus und ins Wochenende drängen zahlreiche Schülerinnen und Schüler des Peutinger-Gymnasiums (PG) in den Physikbereich hinein. Denn freitags ist hier Forscher-AG.
„Wir sind ein großes Team, alle machen mit, die Kinder leben für ihre Projekte“, schwärmt Anna Walter, dann muss sie unterbrechen, denn sie wird umlagert von einer Schar Unterstufler, die neue Ideen mit ihr besprechen wollen. Ob man den perfekten Fußballschuh für Halle, Kunst- und Naturrasen entwickeln könnte, fragen ein paar Jungs, mit auswechselbarer Sohle? „Einen energieerzeugenden Kettcar dank Dynamo an jedem Reifen?“, überlegen ein paar andere. Die Lehrerin diskutiert, wägt ab, gibt Tipps und dreht sich entschuldigend um: „Jetzt gerade ist halt die heiße Phase der Erfindungen.“
Unterstützung durch Explorhino
Seit dem Schuljahr 2015/2016 gibt es die Forscher-AG am PG als eine von 20 AGs, die den rund 850 Schülerinnen und Schülern offenstehen. Gegründet haben sie die Lehrerinnen Mara Abele und Anna Walter gemeinsam, um ab der fünften Klasse die Begeisterung für die Naturwissenschaften zu wecken. Dann holte sich Anna Walter fachliche und finanzielle Unterstützung durch das Explorhino-Schülerlabor der Hochschule Aalen. Seither ist die AG offen für alle weiterführenden Schulen in Ellwangen. Das Kultusministerium genehmigt einige Deputatsstunden, unterstützend ist Lehrer Martin Kerschis ein Fels in der Brandung.
Außerdem packt Rhea Unger mit an, eine Mutter, die das Forscher-Angebot am PG als Erfolgsmodell begrüßt und sich für dieses Angebot, das auch ihr Sohn und ihre Tochter nutzen, als wissenschaftliche Beraterin engagiert. „Daran wachsen die Kinder“, findet sie.
Weiter helfen seit dem Start in die diesjährige Forscherrunde im Februar acht Schüler der zehnten Klasse bei der Betreuung der jungen Teilnehmer mit. Klar ist: „Alle engagieren sich weit über das Maß hinaus, ob Lehrer, Eltern oder Kinder“, berichtet Schulleiterin Stella Herden. „Es steckt unglaublich viel Begeisterung dahinter.“
Der Andrang ist riesig. „Es sind diesmal rund 35 Schülerinnen und Schüler“, hat Anna Walter gezählt, „wir sind voll.“Vielleicht liegt es an den großen Erfolgen bei „Schüler experimentieren“und „Jugend forscht“, die die AG mittlerweile eingefahren hat, ganz besonders in diesem Schuljahr. Sie sind so bemerkenswert, dass sogar der Kinderfernsehkanal Kika im Sommer einen Beitrag über die Arbeitsgemeinschaft drehen wird. „Wir haben beim diesjährigen Regionalwettbewerb von „Jugend forscht“in Oberkochen im Februar den Schulpreis Baden-Württemberg erhalten“, berichtet Stella Herden stolz. Den gibt es für mehr als drei betreute Arbeiten. Herden: „Wir hatten neun.“
Firmen melden Interesse an
Von diesen wurden sieben mit Preisen ausgezeichnet. Drei davon haben sich zudem für das Finale des Landeswettbewerbs am Freitag, 17. Mai, in Balingen qualifiziert: Jannis, Jonas und Luca aus der 6c mit unzerplatzbaren Riesenseifenblasen, mit denen man spielen kann wie mit einem Flummi. Die Achtklässlerinnen Merle, Felisa und Marlena mit einem „flüssigen Bleistift“. Mit diesem Stift kann man nicht nur schreiben wie mit einem Füller. Man kann das Geschriebene mit einem Radiergummi auch wieder wegradieren. Und Marie und Maria mit einem „Airblown Suitcase“, einem Koffer, in dem Kleidung knitterfrei das Reiseziel erreicht, auch wenn er nicht ganz vollgepackt ist, da der freie Raum durch einen aufblasbaren Luftsack ausgefüllt wird, wie das PG auf seiner Website erklärt. An Koffer und Bleistift sind sogar Firmen interessiert, die auf diese beiden Erfindungen Patente anmelden wollen.
Kein Wunder, dass Stella Herden sagt: „Die Forscher-AG ist ein absoluter Gewinn für unsere Schule.“Und sie meint damit nicht nur die vielen Preise, sondern mehr noch „zum einen, dass man der Kreativität und Neugier der Schülerinnen und Schüler im naturwissenschaftlichen Bereich Raum gibt und zum anderen, dass sie sich mit den Projekten dem Wettbewerb stellen und dadurch Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz gewinnen.“Denn es gewinnt nun einmal nicht jeder und nicht gleich, und es klappt auch nicht jeder Versuch. „Die Kinder müssen dranbleiben und sich durchbeißen, das gibt es in der heutigen Zeit nicht mehr so oft“, so Herden. Aber offensichtlich
„Die Forscher-AG ist ein absoluter Gewinn für unsere Schule“,
spornt es an. „Nach jeder Runde stehen schon die nächsten bei Frau Walter“, sagt Herden und schmunzelt. „Wir haben ein richtiges Jugendforscht-Fieber an der Schule.“
Die neue Runde beginnt immer im Februar und endet im darauffolgenden mit der Teilnahme am Wettbewerb in Oberkochen. Ein halbes Jahr lang bereiten die Teilnehmer ihr Projekt vor, im zweiten Halbjahr setzen sie es um. „Das macht einfach Spaß“, schwärmen die Bleistift-Erfinderinnen Felisa und Merle. „Und man kriegt MINT-Punkte.“Die beiden Preisträgerinnen sind alte Forscher-AGHasen, „sie gehören zu meinen Gründungsmitgliedern“, scherzt Anna Walter, und sie haben schon wieder eine neue Idee: „Ohne Strom in ein dunkles Zimmer Tageslicht zu bringen“, verrät Merle.
Die Fünftklässlerinnen Sophie, Sofia und Marlena wiederum wollen eine Art E-Bike entwickeln, das mittels einer Wirbelstrombremse kinetische in elektrische Energie umwandelt. Da steht ihnen viel Arbeit bevor: „Wir müssen einen Bauplan entwickeln,
sagt Schulleiterin Stella Herden.
errechnen, wie viel Energie unser Generator erzeugt, ein Fahrrad herkriegen, einen Prototyp bauen, ihn testen und optimieren und dann eine Kurzfassung von unserer Erfindung schreiben“, zählt Sofia auf.
Viele Mädchen sind in der AG
Dass sie tut, was dem Klischee nach eher ein Junge tun würde, und dass neben ihr und ihrer Gruppe eine Menge weiterer Mädchen die Forscher-AG bevölkern, ist am PG nicht einmal mehr ein Thema. „Unsere Schüler sehen das gar nicht mehr“, meint Stella Herden, „bei uns ist es selbstverständlich, dass Jungs Sprachen lernen und Mädchen sich für Naturwissenschaften interessieren.“Sicher liege das am ausgeglichenen Verhältnis von Männern und Frauen als Lehrkräfte und an der Tatsache, dass auch viele Lehrerinnen am PG Naturwissenschaften unterrichten. „Das sind große Vorbilder“, betont Stella Herden. Walter nickt und wird schon wieder weggerufen. Ein paar Jungs haben die nächste Idee.
Ein Video über das Tun der Forscher-AG gibt es unter www.schwaebische/forscher-ag