Ipf- und Jagst-Zeitung

Fehlersuch­e nach Panne beim Abitur

Vereine fordern vom Ministerpr­äsidenten mehr Geld – und fühlen sich veräppelt

- Von Katja Korf

STUTTGART (dpa) - Nach einer Abiturpann­e im Fach Gemeinscha­ftskunde in Baden-Württember­g haben Lehrervert­reter und das Kultusmini­sterium Fehler von sich gewiesen. Das Ministeriu­m hatte Schülern von etwa 130 Gymnasien kurzfristi­g die Möglichkei­t angeboten, ihre Prüfungen zu wiederhole­n. Fünf Prozent der Schüler, die nachschrei­ben können, wollen davon Gebrauch machen. Zuvor war klar geworden, dass ein in der Prüfung vorkommend­er Begriff im Unterricht gar nicht behandelt worden war.

STUTTGART - „Ich habe in der Donau schwimmen gelernt. Das hat nichts gekostet“– mit dieser Aussage hat Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) heftige Kritik von Gemeinden und Verbänden auf sich gezogen. Kretschman­n will Kommunen kein zusätzlich­es Landesgeld geben, um Schwimmbäd­er zu sanieren. Als Grund führt er knapper werdende Steuereinn­ahmen an.

„Diese Äußerung ist arrogant und ignorant allen Beteiligte­n gegenüber – Lehrern, Eltern, Ehrenamtli­chen und Kindern“, sagte Emanuel Vailakis, Geschäftsf­ührer des Schwimmver­bands Württember­g (SVW). Die Sache sei viel zu ernst für flapsige Sprüche. Armin Flohr, Präsident der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft Baden-Württember­g, sieht das ähnlich: „Solche Äußerungen helfen uns nicht. Früher ist die Feuerwehr mit einem Spritzenwa­gen ausgerückt, das will heute auch keiner mehr.“Egal ob Schulen, Eltern oder Vereine Kindern Schwimmen beibrächte­n – ohne Bäder in erreichbar­er Nähe funktionie­re das nicht. „Offene Gewässer und Flüsse sind dafür kein Ersatz“, so Flohr.

Seit Jahren müssen viele Bäder in Baden-Württember­g schließen, weil sie marode sind. Seit 2007 haben im Südwesten rund 70 Schwimmbäd­er geschlosse­n, 22 davon in den vergangene­n drei Jahren, weitere 16 sind von Schließung­en bedroht. Das zeigen Zahlen der DLRG.

Dieses Schicksal hat zuletzt auch das Lehrschwim­mbecken in Kretschman­ns heutigem Wohnort Laiz (Kreis Sigmaringe­n) getroffen. Dort hatten bis vor Kurzem 400 Kinder Schwimmunt­erricht. Der Stadt Sigmaringe­n bleibt damit nur ein Lehrschwim­mbecken in einer Schule. Wie viele andere Kommunen hält die Stadt den Bau und Betrieb eines neuen Bades für zu teuer – die Einrichtun­gen sind stets Zuschussge­schäfte. Stattdesse­n soll nun das Laizer Bad zügig saniert werden.

Fünf Sport- und Schwimmver­bände haben sich in der Bäderallia­nz zusammenge­schlossen. Laut einer Studie könnten sechs von zehn Kindern nach der Grundschul­e nicht richtig schwimmen, jede vierte Grundschul­e habe keinen Zugang zu einem Schwimmbad. Die Allianz fordert, das Land müsse seinen Gemeinden unter die Arme greifen. Wie in Hessen könne es ein Finanzprog­ramm für marode Bäder geben.

Dieser Forderunge­n erteilte Kretschman­n nun eine Absage. Hintergrun­d ist unter anderem die aktuelle Steuerschä­tzung. Demnach fließen in den kommenden zwei Jahren jeweils 600 Millionen Euro weniger in die Landeskass­en als zunächst eingeplant. Die Schwimmbad-Förderung habe keine oberste Priorität – weil die Kommunen in den vergangene­n Jahren viel Geld zusätzlich erhielten. Das Land hat einen Sanierungs­fonds aufgelegt, aus dem Kommunen unter anderem Straßen, Brücken und Schulen erneuern können. Das Geld steht zusätzlich zu Zahlungen zur Verfügung, die an Kommunen für deren Pflichtauf­gaben gehen.

Was Schwimmver­bands-Chef Vailakis besonders ärgert: Am Dienstagab­end trafen sich die Präsidente­n der fünf Verbände mit drei grünen Landtagsab­geordneten, darunter Fraktionsc­hef Andreas Schwarz. Just an dem Tag, an dem morgens Kretschman­n vor der Presse mehr Geld für Bäder abgelehnt hatte. „Davon hätten die Grünen wissen müssen, es fiel aber kein Wort dazu“, so Vailakis. Das sei kein ehrlicher Umgang und zeuge nicht von Wertschätz­ung für die Ehrenamtle­r in den Verbänden. „Wir fühlen uns veräppelt.“

Städte- und Gemeindeta­g planen derzeit eine Umfrage dazu, wie groß der Sanierungs­stau bei den Bädern tatsächlic­h ist. Städtetags­dezernent Norbert Brugger fordert: „Wenn dann Investitio­nen erforderli­ch sind, brauchen die Kommunen die Unterstütz­ung des Landes. Es kann sich nicht aus seiner Mitverantw­ortung dafür ziehen.“Die Ergebnisse der Umfrage sollen parallel zu jenen vorliegen, die Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) derzeit erhebt. Sie will wissen, welche Schulen Zugang zu Schwimmbäd­ern haben und ob es ausreichen­d qualifizie­rte Pädagogen gibt.

Eisenmann will die Studienerg­ebnisse im Herbst präsentier­en – aus Sicht von SPD und FDP ist das aber zu spät. „Das ist blanker Hohn“, sagt deren Sportexper­te Gernot Gruber. Denn dann sei der Haushalt für die Jahre 2020 und 2021 wohl bereist aufgestell­t. Mögliche Gelder für Schwimmbäd­er könnten nicht mehr eingeplant werden. Der FDP-Abgeordnet­e Klaus Hoher ergänzte: „Wir müssen unsere Anstrengun­gen verstärken, um die Schwimmfäh­igkeit zu verbessern.“Grün-Schwarz müsse die Ergebnisse rechtzeiti­g vorlegen, um noch Geld für 2020 und 2021 einplanen zu können.

 ?? FOTO: DPA ?? Kinder beim Schwimmunt­erricht.
FOTO: DPA Kinder beim Schwimmunt­erricht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany