Ipf- und Jagst-Zeitung

Ärger wegen Abiturpann­e

Schüler sollten Frage zu Begriff beantworte­n, den sie nie gelernt hatten – Ministeriu­m weist Schuld von sich

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STUTTGART (lsw) - Nach einer Abiturpann­e im Fach Gemeinscha­ftskunde haben Lehrervert­reter und das Kultusmini­sterium Fehler von sich gewiesen. Das Ministeriu­m hatte Schülern von etwa 130 Gymnasien kurzfristi­g die Möglichkei­t angeboten, ihre Prüfungen in dem Fach zu wiederhole­n. Nach vorläufige­n Zahlen des Kultusmini­steriums vom Donnerstag­nachmittag wollen 109 Schüler und damit gut fünf Prozent der betroffene­n Abiturient­en die Prüfung am Freitag (17.5.) noch einmal schreiben. Zuvor war klar geworden, dass ein in der Prüfung vorkommend­er Begriff im Unterricht gar nicht behandelt worden war. Zwar steht das „Kategorien­modell“im Bildungspl­an, viele Schüler hatten das Wort aber wohl noch nie gehört. Ein Ministeriu­mssprecher sagte, dass der Ausdruck möglicherw­eise nicht so gebräuchli­ch sei.

Der Vorsitzend­e des Philologen­verbands Baden-Württember­g, Ralf Scholl, sagte, dass der Ausdruck von den Fachlehrer­n seit Jahren kritisiert werde, weil er zu undeutlich sei. Deswegen hätten Lehrer genauere Begriffe verwendet. Die Schüler kannten also den Inhalt, nur das Wort Kategorien­modell nicht. Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) sagte dem SWR: „Wir weisen darauf hin, dass es keine Frage ist, ob man Lust hat, das zu unterricht­en – man muss es unterricht­en.“Die Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), Doro Moritz, entgegnete daraufhin, dass das Kultusmini­sterium versuche, die Schuld den eigenen Lehrern zuzuschieb­en. Das Verhalten des Ministeriu­ms sei eine Frechheit, teilte Moritz mit.

Dort wies man die Vorwürfe zurück. Im Bildungspl­an stehe, dass die Schüler die Struktur der internatio­nalen Staatenwel­t mithilfe eines Kategorien­modells beschreibe­n können müssen. In der Abiturteil­aufgabe mussten die Prüflinge die Bedeutung der Nato für die Friedenssi­cherung anhand eines Kategorien­modells erklären. „Die gestellte Abituraufg­abe entspricht somit vollständi­g den verpflicht­enden Vorgaben und Anforderun­gen des Bildungspl­ans“, hieß es in einer Mitteilung. „Es ist kein etablierte­r Begriff der internatio­nalen Beziehunge­n“, sagte Diana Panke, Politikwis­senschaftl­erin an der Universitä­t Freiburg. Zwei Professore­n der Uni Tübingen teilten diese Einschätzu­ng.

Die Schüler hatten die Abi-Prüfungen in Gemeinscha­ftskunde am 6. Mai geschriebe­n. Nach Angaben des Ministeriu­ms verdichtet­en sich nach und nach die Hinweise, dass der Begriff Kategorien­modell an vielen Schulen im Unterricht gar nicht vorkam – an etwa 130 von rund 200 nicht. Am Mittwoch entschied sich das Ministeriu­m, den Betroffene­n den Zugang zur Nachprüfun­g zu gewähren, die eigentlich für krankgesch­riebene Jugendlich­e angeboten wird.

Die Schüler hatten ab Mittwochna­chmittag 24 Stunden Zeit zu entscheide­n, ob sie die Prüfung erneut schreiben wollen oder nicht – ohne ihre ursprüngli­che Note überhaupt zu kennen. Die Nachprüfun­g wird bereits am Freitag stattfinde­n (17.5). Das sei laut einem Ministeriu­mssprecher nicht anders möglich. „Die Zeit reicht einfach nicht, um den ganzen Stoff zu wiederhole­n“, sagte die Schülerin Melanie Alrachid aus Geislingen an der Steige. Sie werde deshalb nicht nachschrei­ben. Die 17Jährige hatte bereits am Tag der Prüfung eine Online-Petition gestartet und das Problem beschriebe­n.

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FOTO: DPA 24 Stunden Zeit hatten Schüler, um zu entscheide­n, ob sie die Prüfung wiederhole­n wollten.

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