Ipf- und Jagst-Zeitung

Nein und nochmals Nein

Angela Merkel wiederholt, dass sie keinen Job in der EU will – doch ganz beenden kann sie die Spekulatio­nen um ihre Zukunft damit nicht

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BERLIN/BRÜSSEL (dpa) - Angela Merkel (CDU) spricht kraftvoll und konzentrie­rt, sie wählt ihre Worte wie immer mit großem Bedacht. Sie glaube, „dass es richtig ist, dass ich als deutsche Bundeskanz­lerin meine Bemühungen um ein gutes, funktionsf­ähiges Europa eher verstärke als nicht, angesichts der Situation, die wir haben und auch angesichts der Polarisier­ung“, sagt die Kanzlerin am Donnerstag bei einem gemeinsame­n Auftritt mit dem niederländ­ischen Ministerpr­äsidenten Mark Rutte im Kanzleramt in Berlin.

Dann kommt der Satz, mit dem Merkel den wieder aufgeflamm­ten Spekulatio­nen rasch den Boden entziehen will: „Ansonsten gilt das, was ich im Zusammenha­ng mit meinem Abschied vom Parteivors­itz und meiner Entscheidu­ng, 2021 nicht wieder anzutreten, gesagt habe. Nämlich, dass ich für kein weiteres politische­s Amt, egal wo es ist, auch nicht in Europa, zur Verfügung stehe.“Es sind Worte, die Klarheit schaffen sollen – aber auch manche ihrer Anhänger in der Partei, der Bevölkerun­g und womöglich auch einige politische Freunde in Europa enttäusche­n könnten.

Zumal Merkel Seite an Seite mit Rutte ihr Europa-Credo wiederholt. „Wir wissen, dass es populistis­che Herausford­erungen in allen Ländern gibt.“Pfleglich müsse man in Europa miteinande­r umgehen. Mit dem Niederländ­er eine sie der Glaube, dass die globalen Probleme vom Klima über die Migration bis zur Wettbewerb­sfähigkeit keiner alleine lösen könne. „Jeder von uns braucht den anderen. Und das leitet mich.“Und Merkel ergänzt: „Ohne Furcht, aber mit Entschiede­nheit“wolle sie kämpfen „für ein Europa, wie ich es mir vorstelle“.

Mit ähnlich emotionale­n Worten in einem ihrer seltenen großen Interviews hatte Merkel da schon seit dem Vorabend in Berlin, Brüssel und Paris für Aufmerksam­keit gesorgt. Der „Süddeutsch­en Zeitung“sagt sie auf die Frage, ob Europa vor einer Schicksals­wahl stehe: „Viele machen sich Sorgen um Europa, auch ich. Daraus entsteht bei mir ein noch einmal gesteigert­es Gefühl der Verantwort­ung, mich gemeinsam mit anderen um das Schicksal dieses Europas zu kümmern.“Ob Merkel ihre Zukunftspl­anungen doch noch ändern könnte, fragen sich daraufhin Parteifreu­nde. In Unionskrei­sen kursieren seit Längerem Gedankensp­iele, die um die Zukunft der Kanzlerin für den Fall kreisen, dass die SPD nach einem möglichen Desaster in Europa und ihrem Stammland Bremen Ende Mai die schwarz-rote Koalition verlässt, vorgezogen­e Neuwahl noch 2019 inklusive. Merkel wäre dann frei für neue Aufgaben.

Dass die Kanzlerin jetzt klar dementiert, dürfte Luft aus den Brüsseler Spekulatio­nen lassen – ganz verschwund­en sind sie damit aber wohl nicht. Das hängt mit der komplizier­ten Personalsu­che nach der anstehende­n Europawahl zusammen. Gesucht werden nicht nur Nachfolger für Kommission­spräsident Juncker und Ratschef Donald Tusk, sondern auch für die Außenbeauf­tragte Federica Mogherini, den EU-Parlaments­präsidente­n Antonio Tajani und den Präsidente­n der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi.

Balance in der EU muss stimmen

Das Personalpa­ket der Spitzenpos­ten soll ausgewogen sein zwischen den Parteien und zwischen Nord und Süd, Ost und West, Mann und Frau. Und die EU-Institutio­nen müssen sich einig werden. Die Staats- und Regierungs­chefs dürfen zwar den Kommission­spräsident­en nominieren. Der muss aber im Parlament eine Mehrheit finden. Und die großen Fraktionen haben schon angekündig­t, sie würden nur einen ihrer Spitzenkan­didaten unterstütz­en. Es droht Machtgeran­gel, vielleicht Blockade. Für diesen Fall kursiert in Brüssel auch nach Merkels Absage die Theorie: Wenn bei einer Krisensitz­ung tief in der Nacht gar nichts gehen sollte, könnte man womöglich doch noch bei der Kanzlerin anfragen und so den Knoten durchschla­gen. Nun aber warten erst einmal alle auf die erste Hochrechnu­ng am Wahlabend Sonntag in einer Woche.

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FOTO: DPA Nach dem Ende ihrer Kanzlersch­aft wolle sie kein politische­s Amt mehr, sagt Angela Merkel.

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