Ipf- und Jagst-Zeitung

Abtreibung­sgegner in den USA hoffen auf Zeitenwend­e

- Von Frank Hermann, Washington

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m Mittwochab­end unterschri­eb Kay Ivey, die Gouverneur­in des südlichen Bundesstaa­ts, ein Gesetz, das alles in den Schatten stellt, was in den Vereinigte­n Staaten bislang an Restriktio­nen von Abtreibung­en beschlosse­n wurde. Schwangers­chaftsabbr­üche gestattet es nur noch, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist. Nicht einmal bei Vergewalti­gung oder Inzest lässt es sie zu. Ärzte, die dennoch einen Eingriff vornehmen, müssen mit bis zu 99 Jahren Haft rechnen. Die Bürger Alabamas, sagte Ivey, als sie ihre Unterschri­ft unter das Papier setzte, glaubten aus tiefster Überzeugun­g, dass jedes Leben ein kostbares Gottesgesc­henk sei.

Mit 25 zu 6 Stimmen hatte der Senat Alabamas, eindeutig von den Republikan­ern beherrscht, die Novelle passieren lassen. Und es waren ausschließ­lich Männer, die ihr ihren Segen gaben. „Auch in Zukunft wird es Leute geben, die eine Schwangers­chaft abbrechen. Das Problem ist, dass es viel gefährlich­er wird“, prophezeit Linda Coleman-Madison, eine demokratis­che Senatorin. An der Lebensreal­ität ändere sich nichts. Nur landeten Frauen, denen das Geld fehle, um eine Klinik im liberalere­n Norden aufzusuche­n, dann wieder bei Pfuschern in dunklen Gassen oder feuchten Kellern.

Auch wenn Alabama weiter geht als irgendein anderer Staat, so steht es doch bei Weitem nicht allein mit seinem Kurs. Erst vor wenigen Tagen hat Georgia ein sogenannte­s Herzschlag-Gesetz beschlosse­n. Es untersagt Abtreibung­en nach der sechsten Woche einer Schwangers­chaft, sobald sich bei einem Embryo ein Herzschlag feststelle­n lässt. Da Frauen in dieser Phase oft noch nicht wissen, dass sie schwanger sind, läuft es auf ein komplettes Verbot hinaus. Kentucky, Mississipp­i und Ohio haben zuletzt ähnliche Regeln erlassen. Mit Ausnahme Ohios liegen sie alle im Süden, im Bible Belt, dem Bibelgürte­l der religiösen Rechten. Im Nordosten dagegen geht der Trend in die andere Richtung. In Vermont etwa denken Abgeordnet­e darüber nach, das Recht auf Abtreibung explizit im Grundgeset­z zu verankern. Der kulturelle Riss geht quer durchs Land, der Graben, der New York, Massachuse­tts oder Kalifornie­n ohnehin schon von Alabama, Mississipp­i oder Louisiana trennt, könnte noch breiter werden.

Zum Kalkül der Senatsmehr­heit in Alabama gehört wohl, Widerspruc­h zu provoziere­n, Gegner zu Klagen zu reizen – um schließlic­h vor dem Obersten Gerichtsho­f in Washington zu landen. Dort, so ihr Kalkül, soll eine inzwischen klar konservati­ve Richtermeh­rheit über Grundsätzl­iches entscheide­n. Sie soll Roe v. Wade kippen, einen entscheide­nden Richterspr­uch aus dem Jahr 1973. Indem der Supreme Court Schwangers­chaftsabbr­üche dem Recht auf Privatsphä­re zuordnete, nahm er ihnen das Kriminelle. 46 Jahre danach hofft das konservati­ve Amerika auf eine Kehrtwende. Zumal Brett Kavanaugh, der Richter, den Donald Trump im Oktober 2018 nominierte, als skeptisch gegenüber Roe v. Wade gilt.

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Schweres Urteil
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FOTO: H. YEAGER/ALABAMA GOVERNOR'S OFFICE/DPA Alabamas Gouverneur­in Kay Ivey beim Unterzeich­nen des Gesetzes.

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