Abtreibungsgegner in den USA hoffen auf Zeitenwende
A●
m Mittwochabend unterschrieb Kay Ivey, die Gouverneurin des südlichen Bundesstaats, ein Gesetz, das alles in den Schatten stellt, was in den Vereinigten Staaten bislang an Restriktionen von Abtreibungen beschlossen wurde. Schwangerschaftsabbrüche gestattet es nur noch, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist. Nicht einmal bei Vergewaltigung oder Inzest lässt es sie zu. Ärzte, die dennoch einen Eingriff vornehmen, müssen mit bis zu 99 Jahren Haft rechnen. Die Bürger Alabamas, sagte Ivey, als sie ihre Unterschrift unter das Papier setzte, glaubten aus tiefster Überzeugung, dass jedes Leben ein kostbares Gottesgeschenk sei.
Mit 25 zu 6 Stimmen hatte der Senat Alabamas, eindeutig von den Republikanern beherrscht, die Novelle passieren lassen. Und es waren ausschließlich Männer, die ihr ihren Segen gaben. „Auch in Zukunft wird es Leute geben, die eine Schwangerschaft abbrechen. Das Problem ist, dass es viel gefährlicher wird“, prophezeit Linda Coleman-Madison, eine demokratische Senatorin. An der Lebensrealität ändere sich nichts. Nur landeten Frauen, denen das Geld fehle, um eine Klinik im liberaleren Norden aufzusuchen, dann wieder bei Pfuschern in dunklen Gassen oder feuchten Kellern.
Auch wenn Alabama weiter geht als irgendein anderer Staat, so steht es doch bei Weitem nicht allein mit seinem Kurs. Erst vor wenigen Tagen hat Georgia ein sogenanntes Herzschlag-Gesetz beschlossen. Es untersagt Abtreibungen nach der sechsten Woche einer Schwangerschaft, sobald sich bei einem Embryo ein Herzschlag feststellen lässt. Da Frauen in dieser Phase oft noch nicht wissen, dass sie schwanger sind, läuft es auf ein komplettes Verbot hinaus. Kentucky, Mississippi und Ohio haben zuletzt ähnliche Regeln erlassen. Mit Ausnahme Ohios liegen sie alle im Süden, im Bible Belt, dem Bibelgürtel der religiösen Rechten. Im Nordosten dagegen geht der Trend in die andere Richtung. In Vermont etwa denken Abgeordnete darüber nach, das Recht auf Abtreibung explizit im Grundgesetz zu verankern. Der kulturelle Riss geht quer durchs Land, der Graben, der New York, Massachusetts oder Kalifornien ohnehin schon von Alabama, Mississippi oder Louisiana trennt, könnte noch breiter werden.
Zum Kalkül der Senatsmehrheit in Alabama gehört wohl, Widerspruch zu provozieren, Gegner zu Klagen zu reizen – um schließlich vor dem Obersten Gerichtshof in Washington zu landen. Dort, so ihr Kalkül, soll eine inzwischen klar konservative Richtermehrheit über Grundsätzliches entscheiden. Sie soll Roe v. Wade kippen, einen entscheidenden Richterspruch aus dem Jahr 1973. Indem der Supreme Court Schwangerschaftsabbrüche dem Recht auf Privatsphäre zuordnete, nahm er ihnen das Kriminelle. 46 Jahre danach hofft das konservative Amerika auf eine Kehrtwende. Zumal Brett Kavanaugh, der Richter, den Donald Trump im Oktober 2018 nominierte, als skeptisch gegenüber Roe v. Wade gilt.