Spielball der Politik
Die Iran-Krise beeinflusst die globale Ölförderung und damit den deutschen Spritpreis
FRANKFURT - Die Nachrichten, die den Ölpreis zurzeit bestimmen, kommen aus dem Nahen Osten. So sorgen die Spannungen zwischen den USA und Iran dort für unvorhergesehene Nebeneffekte: Zu Wochenbeginn gab es mutmaßliche Sabotage-Aktionen gegen Tanker aus SaudiArabien, Amerikas Verbündeten. Zudem griffen Unbekannte zwei Ölförderanlagen in Saudi-Arabien mit Drohnen an, hieß es aus Riad. Der Ölpreis stieg kurz an. Dann verbilligte er sich für die wichtigsten Ölsorten aber auch wieder etwas.
Dieses Auf und Ab ist durch das Spannungsfeld begründet, in dem sich der Ölpreis gerade befindet: Auf der einen Seite ist Iran und der Konflikt mit den USA das bestimmende Thema an den Ölmärkten. Die Ankündigung der USA vor wenigen Wochen, die Ausnahmeregelungen für die Iran-Sanktionen für bestimmte Länder wie China und Indien aufzuheben, hatte Ende April zu einem deutlichen Preisanstieg geführt.
Bis dahin durften diese Länder noch Öl aus Iran beziehen, seit Anfang Mai ist dies vorbei. „Die Ölpreise können deshalb auch noch anziehen“, sagt Martin Lück, der für den deutschsprachigen Raum zuständige Chefanlagestratege beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. „Das iranische Angebot wird weitgehend aus dem Markt herausgenommen. Die Frage ist, wie schnell die anderen großen Anbieter, vor allem Saudi-Arabien und Russland, in diese Bresche springen können.“
Auf der anderen Seite sind die Ölpreise in den vergangenen zwei Wochen aber wieder deutlich gefallen – aktuell auf rund 72 Dollar pro Fass der Nordseesorte Brent. Denn die neue Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China hat Sorgen hervorgerufen, dass die weltweite Konjunktur in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Drosselt die Industrie ihre Produktion, wird weniger Öl benötigt und die Preise fallen tendenziell. „Das heißt, wenn es hier wirklich zu Bremsspuren kommt, dann hätte das auch entsprechende Auswirkungen auf die Ölnachfrage und auf den Ölmarkt“, sagt Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank.
Aufgrund dieses Spannungsfeldes zwischen schwächelnder Wirtschaft und eskalierenden Spannungen schwankt der Ölpreis derzeit quasi von Tag zu Tag. Fritsch und viele seiner Kollegen rechnen damit, dass der Ölpreis kurzfristig ansteigen kann – auf bis zu rund 80 Dollar pro Barrel. Einen Anstieg beim Ölpreis auf den Weltmärkten spüren Verbraucher an den Tankstellen: So ist der Benzinpreis seit Jahresbeginn um satte 15 Prozent gestiegen – ungefähr parallel zum Anstieg des Rohölpreises an den Weltmärkten.
In dieser Woche erreichte er einen neuen Jahreshöchststand. Ein Liter E10 liegt im Bundesdurchschnitt nach Berechnungen des ADAC preislich bei rund 1,50 Euro, noch einmal 0,2 Cent mehr als in der Vorwoche. Die Preise an den Tankstellen reagieren bekanntlich erst mit einiger Verzögerung auf Preisschwankungen an den Weltmärkten; und es ist bekannt, dass Preissteigerungen schneller zu Reaktionen an den Zapfsäulen führen als Preisrückgänge. Genau dieser Effekt war auch im vergangenen Herbst zu beobachten, als in den Wochen zuvor die Spritpreise wegen der Lieferschwierigkeiten aufgrund der niedrigen Pegelstände der Flüsse gestiegen waren, die Preise aber in der Folge nicht in dem Maße sanken, wie die Pegelstände stiegen.
Der Machtkampf in Venezuela sorgt zudem für Aufwärtsdruck bei den Ölpreisen. Durch die politische Krise ist die Wirtschaft eingebrochen und die Ölexporte reduzieren sich Monat für Monat. Saudi-Arabien auf der anderen Seite könnte zwar seine Förderung hochfahren, hat aber eher ein Interesse an höheren Ölpreisen als heute. Das Königreich benötigt nach Berechnungen des IWF einen Ölpreis von rund 90 Dollar pro Fass, um durch die Einnahmen seinen Staatshaushalt im Gleichgewicht zu halten.
Drohung: Blockade von Hormus
Die Entwicklung des Konfliktes zwischen Iran und den USA aber ist der Faktor, der wohl in nächster Zeit über das Auf oder Ab beim Ölpreis entscheiden wird. So hat Iran in den vergangenen Wochen mehrfach damit gedroht, die Straße von Hormus zu schließen. Die Meerenge ist eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt und verbindet die Ölförderländer im Nahen Osten mit den wichtigsten Ölverbrauchsmärkten der Welt. „Wenn die Straße blockiert würde, hätte das kaum absehbare Auswirkungen auf das Ölangebot und auf den Ölpreis“, sagt CommmerzbankExperte Fritsch. Genau das ist auch der Kalkül seitens Irans.
Sollte die Lage nicht unerwartet eskalieren, erwarten die viele Experten, dass sich der Ölpreis nach einem kurzen Anstieg vor allem in der zweiten Jahreshälfte wieder nach unten bewegen könnte. Denn bis dahin dürfte unter anderem die Schieferölproduktion in den USA deutlich steigen. Das käme dann vielleicht gerade rechtzeitig zum Herbst, wenn viele Verbraucher wieder darüber nachdenken, Öl für die Heizanlage nachzubestellen.