Ipf- und Jagst-Zeitung

Schmale Radwege E-Tretroller vor der Zulassung

Bundesrat entscheide­t heute über die motorisier­ten Kurzstreck­en-Scooter

- Von Hannes Koch und Wolfgang Mulke

BERLIN - Heute entscheide­t der Bundesrat über E-Tretroller auf deutschen Straßen. Wie die modernen Fortbewegu­ngsmittel mit dem ohnehin dichten Verkehr harmoniere­n, ist unklar. Ein Blick auf Probleme und mögliche Lösungen.

Die neuen Regeln

Wenn der Bundesrat heute zustimmt, was erwartet wird, dürfen Elektro-Tretroller künftig im öffentlich­en Verkehr fahren. Allerdings nicht auf Geh-, sondern nur auf Radwegen oder, wenn keine vorhanden sind, auf den Straßen. Außerdem gilt eine Versicheru­ngspflicht wie bei Mofas. Die Plakette für die Haftpflich­t wird auf das Fahrzeug geklebt. Die sogenannte­n Scooter dürfen maximal 20 km/h schnell sein und müssen über eine Betriebser­laubnis verfügen. Diese Modelle darf man ab 15 benutzen, bei Rollern bis 8 km/h bereits ab 12. Diese Erlaubnis erteilen die Behörden pauschal für die Modelle, die den technische­n Vorgaben genügen, also beispielsw­eise mit Bremsen und einer Lichtanlag­e ausgestatt­et sind.

Nach dem Bundesrat beschließt nochmals das Bundeskabi­nett, eventuell schon kommende Woche. Sobald die Verordnung im Bundesgese­tzblatt steht, tritt sie in Kraft. Das dauert etwa einen Monat. Dann kann man die neuen Fahrzeuge privat kaufen oder bei Sharing-Anbietern in den Städten ausleihen. Sie könnten Berufspend­lern unter anderem dazu dienen, Wege zwischen S-Bahnhof und Büro zurückzule­gen.

Schon heute ist in vielen Städten und an zahlreiche­n Straßen zu wenig Platz für den zunehmende­n Fahrradver­kehr – sofern Radwege überhaupt existieren. Wo es sie gibt, sind sie nicht selten zu schmal und zu schlecht ausgebaut. Erst allmählich investiere­n Großstädte in eine zeitgemäße Fahrradinf­rastruktur. Die neue Konkurrenz der E-Tretroller könnte diese Konflikte verschärfe­n.

„Breitere Radwege für ein sicheres Nebeneinan­der von Fahrrädern und E-Tretroller­n“, fordert deshalb Klaus Müller, Chef der Verbrauche­rzentralen. Ähnlich sieht es Anika Meenken vom Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD), die für die „Umverteilu­ng von Fläche in den Städten zugunsten von Fußgängern, E-Roller- und Radfahrern“plädiert. Da der Platz begrenzt und nicht beliebig vermehrbar ist, müsste das zulasten des Autoverkeh­rs gehen.

Sie stehen im Weg

Seit in Großstädte­n Leihräder angeboten werden, die man an beliebigen Orten abstellen kann, stehen verlassene rote, grüne oder blaue Velos nicht selten im Weg, liegen in Parks herum oder versperren Hauseingän­ge. Möglicherw­eise geht das auch mit den neuen E-Tretroller­n so. Dagegen spricht, dass die Firmen die Scooter regelmäßig einsammeln, um die Batterien aufzuladen. Gleichwohl plädiert Helmut Dedy, Präsident des Städtetage­s, dafür, den Unternehme­n bestimmte Plätze zuzuweisen, an denen sie die Roller anbieten. Der VCD rät, dafür unter anderem Parkplätze umzuwidmen, die bisher Autos vorbehalte­n sind.

Schlechte Bremsen

An der Sicherheit der Scooter haben Experten aus mehreren Gründen Zweifel. So sei die Qualität der meist aus China importiert­en Roller oft schlecht. Das betrifft etwa die Bremsanlag­en. Auch die kleinen Räder bringen Gefahren mit sich. Ein Schlagloch kann die Fahrt abrupt mit einem Sturz beenden. Zusammenst­öße mit Fußgängern oder Radfahrern sind nach Einschätzu­ng der Versicheru­ngswirtsch­aft ebenfalls ein Risiko. Nach Berechnung­en des Branchenve­rbands entspricht ein Aufprall mit zwölf km/h der Wucht eines Schlages mit sechs Zementsäck­en.

Zusätzlich­er Verkehr?

Wer einen hippen E-Scooter besitzt, fährt vielleicht zum Spaß durch die Gegend. Auch das tägliche Einsammeln durch die Lkw der Sharing-Firmen generiert zusätzlich­en Verkehr. Allerdings könnten die Tretroller auch dafür sorgen, dass manche Autofahrt unterbleib­t. „E-Tretroller sind im Rahmen der Verkehrswe­nde sinnvoll, wenn dadurch Pkw-Fahrten ersetzt werden“, sagt VCD-Sprecherin Meenken.

„E-Scooter bieten ein gewisses Potenzial, Autofahrte­n zu ersetzen“, erklärt auch Alexander Jung vom Institut Agora Verkehrswe­nde. Er verweist auf eine Studie der US-Stadt Portland von 2018. 34 Prozent der einheimisc­hen Scooter-Fahrer verzichtet­en demnach auf Autos zugunsten der Tretroller. Unter den Touristen waren es 48 Prozent. Wie groß dieser Effekt beispielsw­eise in Stuttgart oder Berlin sein kann, ist wegen der unterschie­dlichen Rahmenbedi­ngungen unklar.

Erlaubt oder verboten?

Besitzer von E-Tretroller­n müssen aufpassen. Die Roller gelten rechtlich als Kraftfahrz­euge. Im Park oder im Wald sind sie verboten. Auch haben die meisten Nahverkehr­sverbünde die Mitnahme von motorgetri­ebenen Fahrzeugen ausgeschlo­ssen. Den Roller zusammenkl­appen und mit in die Bahn nehmen, geht nicht, solange die Verkehrsun­ternehmen die Regeln nicht ändern. In den Zügen der Deutschen Bahn ist die Mitnahme wohl möglich, denn es gibt kein konkretes Verbot. Das Unternehme­n fordert eine einheitlic­he Regelung für den Nah- und Fernverkeh­r. Laut Lufthansa müsse die Bundespoli­zei entscheide­n, ob ein Scooter im Flugzeug mitfliegen darf.

Ein anderes Problem sind nach Einschätzu­ng des Bundesverb­ands Elektrokle­instfahrze­uge (BEM) die bereits im Handel angebotene­n oder schon verkauften E-Tretroller. Die meisten Modelle seien für den Verkehr nicht zugelassen, warnt der Verband vor dem Kauf der mittlerwei­le stark rabattiert­en Modelle. „Statt im Alltag mobiler zu werden“, sagt BEM-Präsident Kurt Sigl, „haben die Käufer am Ende nur Elektrosch­rott.“

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FOTO: DPAR E-Scooter auf der Straße: Die elektrisch­en Roller sind praktisch, aber die Frage ist, wo sie fahren sollen.

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