Schmale Radwege E-Tretroller vor der Zulassung
Bundesrat entscheidet heute über die motorisierten Kurzstrecken-Scooter
BERLIN - Heute entscheidet der Bundesrat über E-Tretroller auf deutschen Straßen. Wie die modernen Fortbewegungsmittel mit dem ohnehin dichten Verkehr harmonieren, ist unklar. Ein Blick auf Probleme und mögliche Lösungen.
Die neuen Regeln
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Wenn der Bundesrat heute zustimmt, was erwartet wird, dürfen Elektro-Tretroller künftig im öffentlichen Verkehr fahren. Allerdings nicht auf Geh-, sondern nur auf Radwegen oder, wenn keine vorhanden sind, auf den Straßen. Außerdem gilt eine Versicherungspflicht wie bei Mofas. Die Plakette für die Haftpflicht wird auf das Fahrzeug geklebt. Die sogenannten Scooter dürfen maximal 20 km/h schnell sein und müssen über eine Betriebserlaubnis verfügen. Diese Modelle darf man ab 15 benutzen, bei Rollern bis 8 km/h bereits ab 12. Diese Erlaubnis erteilen die Behörden pauschal für die Modelle, die den technischen Vorgaben genügen, also beispielsweise mit Bremsen und einer Lichtanlage ausgestattet sind.
Nach dem Bundesrat beschließt nochmals das Bundeskabinett, eventuell schon kommende Woche. Sobald die Verordnung im Bundesgesetzblatt steht, tritt sie in Kraft. Das dauert etwa einen Monat. Dann kann man die neuen Fahrzeuge privat kaufen oder bei Sharing-Anbietern in den Städten ausleihen. Sie könnten Berufspendlern unter anderem dazu dienen, Wege zwischen S-Bahnhof und Büro zurückzulegen.
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Schon heute ist in vielen Städten und an zahlreichen Straßen zu wenig Platz für den zunehmenden Fahrradverkehr – sofern Radwege überhaupt existieren. Wo es sie gibt, sind sie nicht selten zu schmal und zu schlecht ausgebaut. Erst allmählich investieren Großstädte in eine zeitgemäße Fahrradinfrastruktur. Die neue Konkurrenz der E-Tretroller könnte diese Konflikte verschärfen.
„Breitere Radwege für ein sicheres Nebeneinander von Fahrrädern und E-Tretrollern“, fordert deshalb Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentralen. Ähnlich sieht es Anika Meenken vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), die für die „Umverteilung von Fläche in den Städten zugunsten von Fußgängern, E-Roller- und Radfahrern“plädiert. Da der Platz begrenzt und nicht beliebig vermehrbar ist, müsste das zulasten des Autoverkehrs gehen.
Sie stehen im Weg
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Seit in Großstädten Leihräder angeboten werden, die man an beliebigen Orten abstellen kann, stehen verlassene rote, grüne oder blaue Velos nicht selten im Weg, liegen in Parks herum oder versperren Hauseingänge. Möglicherweise geht das auch mit den neuen E-Tretrollern so. Dagegen spricht, dass die Firmen die Scooter regelmäßig einsammeln, um die Batterien aufzuladen. Gleichwohl plädiert Helmut Dedy, Präsident des Städtetages, dafür, den Unternehmen bestimmte Plätze zuzuweisen, an denen sie die Roller anbieten. Der VCD rät, dafür unter anderem Parkplätze umzuwidmen, die bisher Autos vorbehalten sind.
Schlechte Bremsen
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An der Sicherheit der Scooter haben Experten aus mehreren Gründen Zweifel. So sei die Qualität der meist aus China importierten Roller oft schlecht. Das betrifft etwa die Bremsanlagen. Auch die kleinen Räder bringen Gefahren mit sich. Ein Schlagloch kann die Fahrt abrupt mit einem Sturz beenden. Zusammenstöße mit Fußgängern oder Radfahrern sind nach Einschätzung der Versicherungswirtschaft ebenfalls ein Risiko. Nach Berechnungen des Branchenverbands entspricht ein Aufprall mit zwölf km/h der Wucht eines Schlages mit sechs Zementsäcken.
Zusätzlicher Verkehr?
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Wer einen hippen E-Scooter besitzt, fährt vielleicht zum Spaß durch die Gegend. Auch das tägliche Einsammeln durch die Lkw der Sharing-Firmen generiert zusätzlichen Verkehr. Allerdings könnten die Tretroller auch dafür sorgen, dass manche Autofahrt unterbleibt. „E-Tretroller sind im Rahmen der Verkehrswende sinnvoll, wenn dadurch Pkw-Fahrten ersetzt werden“, sagt VCD-Sprecherin Meenken.
„E-Scooter bieten ein gewisses Potenzial, Autofahrten zu ersetzen“, erklärt auch Alexander Jung vom Institut Agora Verkehrswende. Er verweist auf eine Studie der US-Stadt Portland von 2018. 34 Prozent der einheimischen Scooter-Fahrer verzichteten demnach auf Autos zugunsten der Tretroller. Unter den Touristen waren es 48 Prozent. Wie groß dieser Effekt beispielsweise in Stuttgart oder Berlin sein kann, ist wegen der unterschiedlichen Rahmenbedingungen unklar.
Erlaubt oder verboten?
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Besitzer von E-Tretrollern müssen aufpassen. Die Roller gelten rechtlich als Kraftfahrzeuge. Im Park oder im Wald sind sie verboten. Auch haben die meisten Nahverkehrsverbünde die Mitnahme von motorgetriebenen Fahrzeugen ausgeschlossen. Den Roller zusammenklappen und mit in die Bahn nehmen, geht nicht, solange die Verkehrsunternehmen die Regeln nicht ändern. In den Zügen der Deutschen Bahn ist die Mitnahme wohl möglich, denn es gibt kein konkretes Verbot. Das Unternehmen fordert eine einheitliche Regelung für den Nah- und Fernverkehr. Laut Lufthansa müsse die Bundespolizei entscheiden, ob ein Scooter im Flugzeug mitfliegen darf.
Ein anderes Problem sind nach Einschätzung des Bundesverbands Elektrokleinstfahrzeuge (BEM) die bereits im Handel angebotenen oder schon verkauften E-Tretroller. Die meisten Modelle seien für den Verkehr nicht zugelassen, warnt der Verband vor dem Kauf der mittlerweile stark rabattierten Modelle. „Statt im Alltag mobiler zu werden“, sagt BEM-Präsident Kurt Sigl, „haben die Käufer am Ende nur Elektroschrott.“