Hängepartie im Zoo
Abhängen mit Mama hieß ein netter Titel in der Mittwochausgabe. Nicht minder nett war das Foto aus der Wilhelma: Mama Faultier kopfunter am Baum, und aus ihrem Fell lugte mit arttypischem Schlafzimmerblick das Baby hervor. Aber hing nun Mama Edeka am Baum oder hängte sie dort, und hängte das Baby ab oder hing es ab? Weil hängen ein besonderes Verb ist und deswegen auch fehlerbehaftet, wollen wir diesem Problem etwas nachhängen. Unsere Sprache kennt kausative Verben, sprich: Verben der Veranlassung. Fällen bedeutet zum Fallen bringen, setzen zum Sitzen bringen, säugen
zum Saugen bringen. Dabei sind diese Verben immer schwach, ihre Stammverben stark, also tränken - tränkte getränkt zu trinken - trank - getrunken.
Und der Stammvokal im Infinitiv wechselt – a wird zu ä, e zu i, au zu äu etc.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Bei hängen haben wir nun den Sonderfall, dass ein solches Verb-Paar in Lautung und Schreibung zusammenfiel: hängen – hing – gehangen und hängen – hängte – gehängt. Bei beiden ist der Infinitiv hängen, und im Präsens heißt es ich hänge, du hängst, er hängt,
wir hängen. Aber die Vergangenheitsformen zeigen dann den Unterschied. Das erste wird intransitiv gebraucht, kann also kein AkkusativObjekt haben: Der Mantel hing am Haken oder hat am Haken gehangen. Das zweite wird transitiv gebraucht und
kann ein Akkusativ-Objekt haben: Er
hängte den Mantel an den Haken oder hat den Mantel an den Haken gehängt.
Dass die Formen hier durcheinanderpurzeln, war unlängst auch Thema im Sprachreport des Instituts für deutsche Sprache. Allerdings stand dort Erstaunliches: Während die Tendenz heute eher vom starken zum schwachen Verb geht, man also nicht mehr er buk sagt, sondern er backte, ist es hier eher umgekehrt. Besonders viele Fehler passieren etwa bei der Wendung an den Nagel hängen. So heißt es laut Internetrecherchen sehr oft: Er hing seinen Job an den Nagel statt Er hängte seinen Job an den Nagel. Auch bei hängen mit Vorsilbe bleibt die Problematik erhalten: Der Christbaum war mit Lametta behangen, aber Die Kinder haben den Christbaum mit Lametta behängt. Der Himmel war mit Wolken verhangen, aber Die Mutter hat das Fenster mit einem Tuch verhängt. Der Vater hängte das Bild ab, aber – und nun sind wir wieder im Zoo – Das Faultierbaby hing bei der Mama ab.
Warum diese Mama übrigens Edeka heißt, lässt sich erklären: Mit der Tatsache, dass sich 21 Einkaufsvereine aus dem Deutschen Reich 1898 zur Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler – kurz E. d. K. – zusammenschlossen, hat es nichts zu tun. Faultiere leben in Südamerika, und dort gab es keine deutschen Kolonien. Vielmehr hatte die Lebensmittelkette am Tag von Edekas Geburt 2016 einen Info-Stand in der Wilhelma aufgebaut – und das inspirierte die Tierpfleger. Schon kursieren Namen wie Rewe, Lidl oder Aldi für das Baby. Aber wie man Faultiere kennt, dürfte ihnen das alles egal sein. Hauptsache, man lässt sie hängen. Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ●» r.waldvogel@schwaebische.de