Er kann es halt einfach
Leon Draisaitls Geniestreich beschert Deutschland den besten WM-Start seit 1930 – und wohl auch das Viertelfinale
KOSICE (SID/dpa) - Nach einem Ständchen für Geburtstagskind Matthias Plachta um Mitternacht und einem Stückchen Torte gönnten sich die deutschen Eishockeyspieler um NHL-Star Leon Draisaitl ein paar Bier auf ihren historischen WM-Start. Und manch einer dachte bei der kleinen Feier für den Mannheimer Stürmer im Teamhotel an das olympische Silbermärchen vor 15 Monaten in Südkorea. „Der Ballon ist voll aufgepumpt. Du merkst in der Kabine: Sie wollen mehr. Das erinnert mich an Pyeongchang“, sagte Franz Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), nach dem dramatischen 3:2 (0:0, 1.2, 2:0) gegen den WM-Gastgeber Slowakei – und dem praktisch sicheren Einzug ins Viertelfinale. „Sie wollen immer mehr.“
Dank des Siegtores von Draisaitl 27 Sekunden vor Schluss schreiben die deutschen Puckjäger schon wieder die Eishockey-Geschichtsbücher neu: Mit vier Siegen in eine WM gestartet war Deutschland zuletzt 1930 – als Gustav „Justav“Jaenecke die Mannschaft bis ins Finale im Berliner Sportpalast führte. „Das ist sehr, sehr lange her“, befand Draisaitl, „es fühlt sich super an.“
Bis zu einer Medaille wie damals ist der Weg in der Slowakei allerdings noch weit. Doch die Silber-Sensation bei den Winterspielen im Februar 2018 hat selbstbewusst gemacht. „Wie es bei Olympia auch war: Wenn wir einen Sahnetag haben und alles zusammenpasst, können wir die auch schlagen“, sagte Verteidiger Yannic Seidenberg – einer von elf verbliebenen Olympiahelden – mit Blick auf die hochkarätigen nächsten Gegner. „Das Turnier ist noch nicht zu Ende.“
Das Viertelfinale und damit die direkte Qualifikation für die Winterspiele 2022 in Peking sind der DEBAuswahl nur noch theoretisch zu nehmen. Gegen Kanadas NHL-Auswahl am Samstag (16.15 Uhr), den schwächelnden Mitfavoriten USA am Sonntag (16.15 Uhr) und zweimaligen Weltmeister Finnland am Dienstag (12.15 Uhr/alle Sport1) geht es in den restlichen Vorrundenspielen darum, sich eine möglichst gute Ausgangsposition für die K.o.-Runde zu sichern. Noch ist die deutsche Mannschaft – aufgrund des leichteren Auftaktprogramms – Tabellenführer der Vorrundengruppe A.
„Jetzt kommen die schweren Brocken“, weiß auch NHL-Verteidiger Korbinian Holzer: „Da können wir ein bisschen locker durch die Hose atmen.“Der Druck ist weg, der Spaß beginnt – wie nach dem Viertelfinaleinzug bei Olympia. Den Geist von Pyeongchang spürte auch Leon Draisaitl, der beim größten Erfolg der deutschen Eishockey-Geschichte wegen des NHL-Boykotts hatte zuschauen müssen. „Die Jungs ziehen an einem Strang. Es macht wirklich Spaß, Teil dieser Mannschaft zu sein“, sagte der Stürmer der Edmonton Oilers.
Ein Geniestreich des 23-Jährigen, in dieser Saison mit 50 Toren und 105 Scorerpunkten effizient wie kaum ein Zweiter in der NHL, entschied das Nervenspiel im Hexenkessel von Kosice. Bis 112 Sekunden vor Schluss hatte die erste Niederlage bei der WM gedroht. Deutschlands bislang bester Verteidiger, der 18-jährige Moritz Seider, musste nach einem üblen Bandencheck von Ladislav Nagy zudem benommen vom Eis. Doch das DEBTeam steckte auch diesen Rückschlag weg. Mannheims Markus Eisenschmid glich zum 2:2 aus, nachdem der starke deutsche Torhüter Mathias Niederberger für einen sechsten Feldspieler Platz gemacht hatte – und 27 Sekunden vor der Sirene zeigte Leon Draisaitl all sein Können. Bis dahin in seinen Aktionen eher unglücklich, schnappte er sich die Scheibe nach