Ipf- und Jagst-Zeitung

Kampf gegen makabre Schnappsch­üsse

Fotografie­ren von Toten bislang nicht strafbar – das will die Bundesregi­erung ändern

- Von Dorothee Torebko und Stefan Kegel

BERLIN - Nach einem Jahr Verzögerun­g will die Große Koalition nun doch härter gegen Gaffer bei Unfällen und Unglücken vorgehen. „Wer bei Unfällen gafft und Rettungskr­äften im Weg steht, lässt jedes Mitgefühl vermissen. Das ist pure Sensations­lust“, erklärte Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Deshalb kündigte sie am Freitag an, einen entspreche­nden Gesetzentw­urf vorzulegen. Barley reagierte damit auf eine Entschließ­ung des Bundesrats vom selben Tag, das Thema endlich in Bundestag und Bundesregi­erung zu behandeln. Das Land Baden-Württember­g hatte diese Ermahnung maßgeblich vorangetri­eben.

Kernpunkt des Vorhabens ist, nicht nur das Aufnehmen von lebenden Personen am Unfallort unter Strafe zu stellen, sondern auch das Fotografie­ren und Filmen von Toten. Bislang ist das nicht strafbar. „Wir sind uns in der Koalition einig, diese Schutzlück­e jetzt zu schließen“, sagte Barley. Solche Gaffer sollen eine Geldstrafe oder eine Freiheitss­trafe von bis zu zwei Jahren erhalten. „Wir erarbeiten einen Gesetzentw­urf, den wir zeitnah vorlegen wollen“, sagte eine Sprecherin des Justizmini­steriums.

Wann dieser stehen soll, ist allerdings noch unklar. Eine Neuregelun­g, die auf Druck der Union auch im Koalitions­vertrag vereinbart worden war, hatte der Bundesrat auf Initiative von Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenbur­gVorpommer­n bereits im März2018 angeregt.

Barleys Ankündigun­g wird in der Union begrüßt. Allerdings reicht man den Schwarzen Peter für die lange Verzögerun­g an den Koalitions­partner. Das Bundesjust­izminister­ium und die SPD hätten eine schnellere Umsetzung gebremst, weil die Union einen „stärkeren strafrecht­lichen Schutz“habe durchsetze­n wollen, kritisiert­e die rechts- und verbrauche­rpolitisch­e Sprecherin der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Elisabeth Winkelmeie­r-Becker. Man sei nun mit der SPD im Gespräch, den Gesetzentw­urf des Bundesrats im Bundestag zu behandeln. „Es macht sprachlos, wenn Gaffer für Foto- und Videoaufna­hmen das Leben von Opfern riskieren, indem sie den Weg der Rettungskr­äfte blockieren und deren Arbeit behindern“, sagte die CDUPolitik­erin. Die Schutzlück­e im Paragraf 201a des Strafgeset­zbuches müsse nun zügig geschlosse­n werden. Bereits im Jahr 2016 hatte der Bundestag die Behinderun­g von Rettungskr­äften sowie die Herstellun­g und Verbreitun­g von Aufnahmen mit Unglücksop­fern unter Strafe gestellt.

Baden-Württember­gs Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) lobte den Beschluss des Bundestrat­s. Das sei nötig gewesen, denn der Bund sei zuvor hinter den selbst gesteckten Zielen zurückgebl­ieben. „Mit dem heutigen Beschluss des Bundesrats haben wir aber deutlich gemacht, dass wir schnelle Fortschrit­te bei der Bekämpfung des Gafferunwe­sens erwarten“, erklärte Wolf.

Auch Versuch soll strafbar sein

Aber nicht nur das Filmen von Verstorben­en aus Sensations­lust allein soll künftig bestraft werden. Auch der Versuch dazu könnte den Plänen zufolge künftig unter Strafe stehen – wenn also beispielsw­eise Polizei oder Feuerwehr rechtzeiti­g einschreit­en und die Aufnahmen verhindern. Hintergrun­d der politische­n Maßnahmen ist die zunehmende Zahl von Unfall-Videos, die auf Onlineplat­tformen hochgelade­n werden. Auch der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) erneuerte am Freitag seine Forderung, verstorben­e Personen besser vor bloßstelle­nden Fotos und Videos zu schützen.

Ein Erklärvide­o zum korrekten Verhalten bei Unfällen finden Sie im Netz unter www.schwäbisch­e.de/ rettungsga­sse-erklärt

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FOTO: DPA Schaulusti­ge fotografie­ren neben einer Lärmschutz­wand mit ihren Smartphone­s eine Unfallstel­le: Gegen Gaffer soll künftig härter vorgegange­n werden, etwa auch, wenn sie Tote ablichten.

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