Kampf gegen makabre Schnappschüsse
Fotografieren von Toten bislang nicht strafbar – das will die Bundesregierung ändern
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BERLIN - Nach einem Jahr Verzögerung will die Große Koalition nun doch härter gegen Gaffer bei Unfällen und Unglücken vorgehen. „Wer bei Unfällen gafft und Rettungskräften im Weg steht, lässt jedes Mitgefühl vermissen. Das ist pure Sensationslust“, erklärte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Deshalb kündigte sie am Freitag an, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Barley reagierte damit auf eine Entschließung des Bundesrats vom selben Tag, das Thema endlich in Bundestag und Bundesregierung zu behandeln. Das Land Baden-Württemberg hatte diese Ermahnung maßgeblich vorangetrieben.
Kernpunkt des Vorhabens ist, nicht nur das Aufnehmen von lebenden Personen am Unfallort unter Strafe zu stellen, sondern auch das Fotografieren und Filmen von Toten. Bislang ist das nicht strafbar. „Wir sind uns in der Koalition einig, diese Schutzlücke jetzt zu schließen“, sagte Barley. Solche Gaffer sollen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren erhalten. „Wir erarbeiten einen Gesetzentwurf, den wir zeitnah vorlegen wollen“, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums.
Wann dieser stehen soll, ist allerdings noch unklar. Eine Neuregelung, die auf Druck der Union auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden war, hatte der Bundesrat auf Initiative von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und MecklenburgVorpommern bereits im März2018 angeregt.
Barleys Ankündigung wird in der Union begrüßt. Allerdings reicht man den Schwarzen Peter für die lange Verzögerung an den Koalitionspartner. Das Bundesjustizministerium und die SPD hätten eine schnellere Umsetzung gebremst, weil die Union einen „stärkeren strafrechtlichen Schutz“habe durchsetzen wollen, kritisierte die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker. Man sei nun mit der SPD im Gespräch, den Gesetzentwurf des Bundesrats im Bundestag zu behandeln. „Es macht sprachlos, wenn Gaffer für Foto- und Videoaufnahmen das Leben von Opfern riskieren, indem sie den Weg der Rettungskräfte blockieren und deren Arbeit behindern“, sagte die CDUPolitikerin. Die Schutzlücke im Paragraf 201a des Strafgesetzbuches müsse nun zügig geschlossen werden. Bereits im Jahr 2016 hatte der Bundestag die Behinderung von Rettungskräften sowie die Herstellung und Verbreitung von Aufnahmen mit Unglücksopfern unter Strafe gestellt.
Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) lobte den Beschluss des Bundestrats. Das sei nötig gewesen, denn der Bund sei zuvor hinter den selbst gesteckten Zielen zurückgeblieben. „Mit dem heutigen Beschluss des Bundesrats haben wir aber deutlich gemacht, dass wir schnelle Fortschritte bei der Bekämpfung des Gafferunwesens erwarten“, erklärte Wolf.
Auch Versuch soll strafbar sein
Aber nicht nur das Filmen von Verstorbenen aus Sensationslust allein soll künftig bestraft werden. Auch der Versuch dazu könnte den Plänen zufolge künftig unter Strafe stehen – wenn also beispielsweise Polizei oder Feuerwehr rechtzeitig einschreiten und die Aufnahmen verhindern. Hintergrund der politischen Maßnahmen ist die zunehmende Zahl von Unfall-Videos, die auf Onlineplattformen hochgeladen werden. Auch der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) erneuerte am Freitag seine Forderung, verstorbene Personen besser vor bloßstellenden Fotos und Videos zu schützen.
Ein Erklärvideo zum korrekten Verhalten bei Unfällen finden Sie im Netz unter www.schwäbische.de/ rettungsgasse-erklärt