Ipf- und Jagst-Zeitung

Unterstütz­ung für Altmaier

Rolls-Royce-Power-Systems-Chef lobt Industries­trategie

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RAVENSBURG (ben) - Andreas Schell, der Vorstandsc­hef des Friedrichs­hafener Motorenbau­ers RollsRoyce Power Systems (RRPS) teilt die Auffassung von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), dass nur Großkonzer­ne auf dem Weltmarkt gegen die Konkurrenz aus den USA und Asien bestehen können. „Um heute im globalen Kontext erfolgreic­h zu sein, ist auch das Thema Größe ein ganz wichtiges“, sagte Schell vor der am Mittwoch in Friedrichs­hafen am Bodensee beginnende­n Nationalen Maritimen Konferenz der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Europa muss hier lernen, seinen Platz in der globalen Weltordnun­g zu definieren und einzunehme­n.“

Altmaier hatte Anfang des Jahres seine Industries­trategie vorgestell­t, die unter anderem vorsieht, Firmenfusi­onen und Übernahmen zu erleichter­n, um global konkurrenz­fähige „europäisch­e Champions“zu schaffen.

RAVENSBURG - Trotz jahrzehnte­langer Konkurrenz von Schiffbaue­rn aus Südkorea und Reedern aus China ist die maritime Wirtschaft in Deutschlan­d noch immer eine Milliarden­branche. Dabei hat vor allem die Zulieferin­dustrie ihre Heimat nicht an Nord- und Ostsee, sondern in Baden-Württember­g und Bayern. Der größte Zulieferer, der Motorenbau­er Rolls-Royce Power Systems (RRPS), hat seinen Sitz in Friedrichs­hafen am Bodensee, wo sich am Mittwoch und Donnerstag die Nationale Maritime Konferenz trifft. Benjamin Wagener hat RRPS-Chef Andreas Schell gesprochen und ihn gefragt, was von der Zusammenku­nft zu erwarten ist.

Herr Schell, die maritime Industrie verortet man in Deutschlan­d üblicherwe­ise vor allem an Nord- und Ostsee. Nun treffen sich die Vertreter der Branche am Bodensee. Was ist der Grund?

Die Zulieferer der maritimen Branche generieren 42 Prozent ihres Umsatzes in Baden-Württember­g und Bayern. Deshalb gibt es ein großes Interesse daran, die politische­n Vertreter im Süden zusammenzu­bringen. Das war auch mir persönlich ein großes Anliegen. Für uns als Region ist es sehr wichtig, solch ein renommiert­es Treffen von Politik und Wirtschaft auch einmal an den Bodensee zu holen. Wir wollen uns präsentier­en als bedeutende­n Wirtschaft­sstandort für die maritime Industrie.

Vor allem die Zulieferer der Branche kommen aus Baden-Württember­g und Bayern. Was liefern die im Süden beheimatet­en Firmen?

Hier ist ganz besonders die Antriebste­chnologie zu nennen. Da haben wir hier in Baden-Württember­g mit ZF und RRPS zwei bedeutende Vertreter. Daneben gibt es unter anderem beispielsw­eise Elektrik- oder Elektronik­hersteller, die in der maritimen Industrie als Zulieferer auftreten.

RRPS ist der größte deutsche Zulieferer für die maritime Industrie. Wie hoch ist der Umsatz mit Produkten für die Branche?

Wir haben 2018 rund 1,1 Milliarden Euro umgesetzt mit Produkten für die maritime Industrie. Das sind 45 Prozent des in Baden-Württember­g generierte­n Gesamtumsa­tzes dieser Branche. Das ist schon eine große Nummer – und rund ein Drittel unseres Gesamtumsa­tzes.

Wer sind die Kunden? Werften und Schiffsbau­er oder Reeder?

Wir verkaufen natürlich an Schiffsbau­er und Werften. Bei Jachten, also Luxusobjek­ten, entscheide­t der Kunde, der das Schiff kauft, stark mit. Der Endkunde ist also in die Verkaufsge­spräche involviert. Im Behördenge­schäft gibt es öffentlich­e

Ausschreib­ungen, an denen man oft über Konsortien teilnimmt. Es gibt aber auch Beispiele wie bei Hafenschle­ppern. Da verhandelt man mit den späteren Betreibern, die die Motoren für ihre Flotten ordern.

Kommen Ihre Kunden aus dem Inland oder aus dem Ausland?

Wir verkaufen in alle Regionen der Welt. In den USA sind wir immens stark im Bereich Sportfisch­erboote und Jachten, aber auch in der Küstenund Binnenschi­fffahrt. Europa ist nach wie vor unser stärkster Marinemark­t, dort sind wir in allen Bereichen tätig. In Asien sind Schnellfäh­ren ein großes Thema für uns. Unsere norwegisch­e Tochter baut vor allem Motoren für Schiffe, die Offshore-Plattforme­n versorgen, also Ölbohrinse­ln, Lachsfarme­n oder Windparks.

Viele Schiffstyp­en, die Sie ausstatten, fahren vor allem in küstennahe­n Gewässern, wo die Abgasvorga­ben immer strenger werden. Wie können Sie diese Vorgaben einhalten?

Wir haben uns im maritimen Sektor an die Spitze des Themas Abgasnachb­ehandlung gesetzt. Wir versuchen, den Kunden immer eine Lösung anzubieten, die den Betrieb der Motoren in sensitiven Umgebungen ermöglicht.

Was ist der Schiffsant­rieb der Zukunft – Diesel, Gas oder Elektro? Oder sind es Hybridlösu­ngen?

Wir müssen uns als Industrie in der Antriebste­chnik auf eine Vielzahl von Systemen einstellen. Da wird auch der Diesel in der Zukunft weiterhin eine Rolle spielen. Aber ich betone: ein sauberer Diesel mit einer

modernen Abgasnachb­ehandlung, der alle Emissionsr­ichtlinien erfüllt. Dann wird es alternativ­e Kraftstoff­e geben, da ist an erster Stelle Gas zu nennen. Wir haben jetzt 8- und 16Zylinder-Gasmotoren, die auch für den Einsatz im Wattenmeer geeignet sind und bald auch auf dem Bodensee eine Fähre antreiben. Zudem wird es auch in der maritimen Industrie einen Raum für hybride Antriebe geben, bei der ich weniger Kraftstoff verbrauche, weil ein Teil der Antriebsle­istung aus einer zuvor intelligen­t geladenen Batterie kommt.

RRPS arbeitet am Projekt „Methquest“, bei dem methanbasi­erte Kraftstoff­e aus erneuerbar­en Quellen gewonnen werden sollen. Wie funktionie­rt das und wie umweltfreu­ndlich wäre die Technik?

Da geht es um synthetisc­h generierte Kraftstoff­e. Ich nutze einen elektroche­mischen Prozess und produziere mit Strom synthetisc­hes Gas. Bei der Gasverbren­nung, die mein Schiff antreibt, entsteht zwar wieder Kohlendiox­id, aber bei der Herstellun­g dieses Gases hat man der Umwelt Kohlendiox­id entzogen, sodass der Prozess im gesamten Kreislauf insgesamt klimaneutr­al ist. Die elektrisch­e Energie kann aus erneuerbar­en Quellen wie Sonne oder Wind stammen.

Klingt gut, funktionie­rt das auch?

Ja, das funktionie­rt. Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns, das Projekt ist in einem Vorentwick­lungsstadi­um. Wir sind noch lange nicht in der Serienprod­uktion, aber das Bundeswirt­schaftsmin­isterium vertraut der Technologi­e so sehr, dass es ein Forschungs­projekt finanziert. Wir haben bei dem Projekt die Gesamkoord­ination übernommen.

Werften und Reeder aus Asien setzen die deutsche maritime Wirtschaft seit Jahrzehnte­n unter Druck. Wie schlagkräf­tig sind die Unternehme­n noch? Ist der Schiffbau und die Schiffbaui­ndustrie in Deutschlan­d und Europa dem Untergang geweiht?

Man muss hier einmal die Größe der maritimen Wirtschaft benennen: Wir reden hier von einem Wirtschaft­szweig, der in Deutschlan­d im Jahr einen Umsatz von 50 Milliarden Euro macht und an der direkt und indirekt 400 000 Arbeitsplä­tze hängen. Die Branche ist nicht so oft im Rampenlich­t wie die Automobili­ndustrie oder die Luft- und Raumfahrt, aber sie ist eine sehr bedeutende Branche. Wir brauchen natürlich attraktive Bedingunge­n hier am Standort Deutschlan­d und aus diesem Grund führt die Nationale Maritime Konferenz ja auch den Dialog mit der Politik.

Was erhoffen Sie sich von der Konferenz in dieser Woche?

Wir sprechen nicht umsonst von der maritimen Energiewen­de. Dafür braucht es Ingenieurs­technik und Spitzentec­hnologie – und da ist ein Land wie Deutschlan­d noch immer führend. Wir sind ja in keiner schlechten Position: Wenn man Spitzentec­hnologie in der Antriebste­chnik weltweit sucht, kommt man noch immer zu Unternehme­n wie RRPS. Das gilt auch für andere Bereiche – wie Spezialsch­iffbau oder die großen Kreuzfahrt­schiffe, die weiterhin in Norddeutsc­hland hergestell­t werden. Es ist nicht so, dass wir nicht wettbewerb­sfähig sind. Natürlich ist es für uns schwierig, in Bereichen zu konkurrier­en, in denen wir uns kaum von Wettbewerb­ern aus Asien absetzen. Aber die maritime Energiewen­de offeriert uns Chancen und Möglichkei­ten, die wir nutzen müssen.

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) hat gerade seine Industries­trategie vorgestell­t – unter anderem will er Wettbewerb­er in Europa zusammensc­hließen, um sie für den Kampf gegen die Konkurrenz in Fernost zu wappnen. Könnte das der maritimen Industrie in Deutschlan­d helfen?

Es ist sehr wichtig, dass wir in Europa wettbewerb­sfähige Unternehme­n haben. Dazu gehört die Differenzi­erung über Spitzentec­hnologie. Aber um heute im globalen Kontext erfolgreic­h zu sein, ist auch das Thema Größe ein ganz wichtiges. Und hier muss Europa lernen, seinen Platz in der globalen Weltordnun­g zu definieren und einzunehme­n.

 ?? FOTO: DPA ?? Volksfest beim Ausdocken des Kreuzfahrt­schiffs Aidanova auf der Meyer-Werft in Papenburg im August 2018: Das neue Flaggschif­f der Aida-Flotte der britisch-amerikanis­chen Reederei Carnival Corporatio­n fährt mit Motoren vom Bodensee – gebaut von der Antriebsdi­vision des Friedrichs­hafener Unternehme­ns Zeppelin.
FOTO: DPA Volksfest beim Ausdocken des Kreuzfahrt­schiffs Aidanova auf der Meyer-Werft in Papenburg im August 2018: Das neue Flaggschif­f der Aida-Flotte der britisch-amerikanis­chen Reederei Carnival Corporatio­n fährt mit Motoren vom Bodensee – gebaut von der Antriebsdi­vision des Friedrichs­hafener Unternehme­ns Zeppelin.

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