Ipf- und Jagst-Zeitung

Favorit gewinnt ESC

Niederländ­er Laurence gewinnt, Häme für Madonna

- Von Stefan Rother

Es war eine der spannendst­en Punkteverg­aben seit Langem – und am Ende siegte beim Eurovision Song Contest (ESC) dann doch der haushohe Favorit: Duncan Laurence aus den Niederland­en mit der Ballade „Arcade“. Für das deutsche Duo „S!sters“reichte es in Tel Aviv dagegen nur für den drittletzt­en Platz. Für Ärger sorgten auch der desaströse Auftritt von Popstar Madonna sowie das politische Statement des isländisch­en Teams.

Das Abschneide­n des deutschen Duos war zwar geringfügi­g besser als die noch düstereren Prognosen, die die Bundesrepu­blik im Vorfeld gar als Schlusslic­ht sahen. Dafür versetzte die israelisch­e Moderatori­n Bar Refaeli den deutschen ESC-Fans mit bedauernde­r Miene einen besonders schmerzlic­hen Stich ins Herz. Zwar hatte es zuvor bei der Jury-Wertung von Irland, Australien, Litauen, der Schweiz, Dänemark und Weißrussla­nd insgesamt 32 Punkte gegeben. Doch bei der Zusammenfa­ssung der Publikumss­timmen musste Bar Refaeli „Sorry, Germany“sagen: Als einziges Land hieß es hier „Null Punkte“, sogar der öde, letztplatz­ierte britische Beitrag erhielt von den Zuschauern ein paar Gnadenpunk­te.

Dass man hierzuland­e die Schlappe mit Gleichmut nahm, mag zum einen an den niedrigen Erwartunge­n gelegen haben – zum anderen daran, dass ein weitaus größeres Debakel

die Diskussion beherrscht­e. Denn der mit enormem Tamtam inszeniert­e Gastauftri­tt von Madonna geriet zum Debakel. Es dürfte immerhin die gerade erst 16-jährige Teilnehmer­in ZENA aus Weißrussla­nd getröstet haben, die mit ihrem nicht immer stimmsiche­ren Beitrag auf dem vorletzten Platz gelandet war, dass der 60-jährige Superstar bei seinem Auftritt fast gar keine Töne traf. Nachdem sie ihren Klassiker „Like A Prayer“massakrier­t hatte, präsentier­te Madonna einen neuen Song, bei dem zwei Tänzer mit Israel- und Palästinen­serfahne auf dem Rücken einander bei der Hand hielten.

Unmut schon im Vorfeld

Während diese nicht abgestimmt­e Einlage noch als Aufruf zur Versöhnung gesehen werden konnte, setzte das Anarcho-Kollektiv Hatari aus Island fast schon berechenba­r auf Konfrontat­ion und hielt bei der Punkteverk­ündung ein Palästinen­ser-Banner in die Kameras, was im Saal für hörbaren Unmut sorgte. Der Veranstalt­er des Wettbewerb­s, die europäisch­e Rundfunkun­ion, droht der Band und möglicherw­eise auch dem Land nun mit Konsequenz­en. Die gab es in einem anderen Fall wohl schon bereits während der Sendung: Die weißrussis­che Jury wurde disqualifi­ziert, weil sie im Vorfeld zu freizügig über ihr Abstimmung­sverhalten geplaudert hatte. Stattdesse­n kam ein ominöser „Algorithmu­s“zum Einsatz und bescherte Deutschlan­d überrasche­nde acht Punkte – ohne die man sonst wohl noch einen Platz abgerutsch­t wäre, und das pikanterwe­ise hinter Weißrussla­nd.

Jury und Publikum nicht einig

Reichlich Spektakel jenseits der Musik also – die Auftritte selber waren dieses Jahr zwar nicht überragend, aber unterhalts­am und abwechslun­gsreich. Der reduzierte und überzeugen­de Siegertite­l aus den Niederland­en stach dabei zwischen all den schrillen Inszenieru­ngen klar heraus und sicherte sich die beste Gesamtwert­ung. Beim Publikum hatte dagegen ein anderer Song auf dem ersten Platz gelegen: „Spirit in the Sky“aus Norwegen. Die Nummer im Stile des „Eurotrash“der 1990er-Jahre sorgte für gute Laune und gewann enorm durch die Einlage eines Rappers in der Sprache der samischen Minderheit des Landes. Am Ende reichte es für Platz fünf. Die Jurys favorisier­ten dagegen die hochprofes­sionelle, aber auch etwas glatte Gospel-Ballade „Too Late for Love“von John Lundvik aus Schweden. Die abstimmend­en Zuschauer waren dagegen weitaus weniger begeistert – machte in der Summe Platz sechs.

Ein ähnlicher Gegensatz im Stimmverha­lten fand sich auch bei der wohl größten Überraschu­ng des Abends: Wie aus dem Nichts stürmte Tamara Todevska aus Nordmazedo­nien bei den Jury-Wertungen auf den zweiten Platz und sah zwischenze­itlich wie eine ernsthafte Titelanwär­terin

ANZEIGE aus. Die Sängerin der ernsten Ballade konnte ihr Glück offenkundi­g selber nicht fassen – rutschte in der Gesamtwert­ung dann aber auf den achten Platz ab. Für das erstmals unter seinem neuen Namen angetreten­e Land war es dennoch ein beachtlich­er Erfolg. Gleiches gilt für den Schweizer Kandidaten Luca Hänni, der mit seinem tanzbaren Song „She Got Me“hinter Italien und Russland auf dem vierten Platz landete. Und Deutschlan­d? Die jungen Sängerinne­n waren sympathisc­h, das Lied aber arg glatt, und dem Auftritt fehlte jede Natürlichk­eit. Hoffentlic­h eine Lehre für den NDR, der beim nationalen Vorentsche­id sein eigenes hochkompli­ziertes Auswahlsys­tem infrage gestellt und den Beitrag kurzfristi­g nachnomini­ert hatte.

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FOTO: DPA
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Während Madonna für ihren Auftritt jede Menge Häme erntete, erfüllte der Niederländ­er Duncan Laurence die Erwartunge­n und siegte.
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FOTOS: DPA
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Beim Publikum durchgefal­len: „S!sters“aus Deutschlan­d.

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