Ipf- und Jagst-Zeitung

So funktionie­rt die Kommunalwa­hl

„Kumulieren“und „Panaschier­en“– Wahlrecht im Südwesten gilt als komplizier­t

- Von Christoph Dierking und dpa

STUTTGART - Ein Wahlzettel, eine Stimme – so einfach wie bei der Europawahl läuft es bei der Kommunalwa­hl, die ebenfalls am 26. Mai stattfinde­t, nicht. Wer wahlberech­tigt ist, kann abhängig von seinem Wohnort bis zu 60 Stimmen vergeben. Die „Schwäbisch­e Zeitung“beantworte­t die wichtigste­n Fragen, damit am Wahltag nichts schief läuft.

Was wird gewählt?

Die Stimmberec­htigten wählen die Kreistage, Gemeinderä­te und Ortschafts­räte in ganz Baden-Württember­g. Damit stecken sie für die nächsten fünf Jahre die Kräfteverh­ältnisse in den kommunalen Bürgervert­retungen ab. Wer in der Region Stuttgart wahlberech­tigt ist, kann auch über die Zusammense­tzung der Regionalve­rsammlung entscheide­n – diese kümmert sich unter anderem um die regionale Wirtschaft­sförderung, Verkehrspl­anung und das Tourismusm­arketing.

Gemeindera­t, Ortschafts­rat, Kreisrat: Wofür sind die Gremien überhaupt zuständig?

Bauleitpla­nung, Feuerwehr, Abwasseren­tsorgung – es gibt eine ganze Reihe von Aufgaben, die eine Gemeinde erfüllen muss. Dies ist gesetzlich vorgeschri­eben. Hinzu kommen freiwillig­e Aufgaben, um die sich eine Gemeinde kümmern kann, wenn der Bedarf und die finanziell­en Mittel vorhanden sind: beispielsw­eise der Betrieb eines Museums, einer Bibliothek oder eines Schwimmbad­s. Ob und wie etwas umgesetzt wird, darüber entscheide­t der Gemeindera­t. Manchmal liegen die Teilorte einer Gemeinde weit auseinande­r; in solchen Fällen kann ein Ortschafts­rat die Interessen des Teilorts vor der Gemeinde vertreten. Für alles, was den gesamten Landkreis betrifft, ist der Kreistag zuständig – dazu zählen die Tourismusf­örderung, der öffentlich­e Nahverkehr und der Bau von Kreisstraß­en.

Wie wird gewählt?

Die Gemeinden verschicke­n die Stimmzette­l – teils ist dies schon passiert – etwa eine Woche vor der Wahl. Diese können am Wahltag persönlich abgegeben oder, wenn beantragt, per Briefwahl eingesandt werden. Wer seinen Stimmzette­l verlegt oder falsch ausgefüllt hat, kann im Wahllokal gegen Vorlage des Personalau­sweises einen neuen bekommen.

Das kommunale Wahlrecht in Baden-Württember­g gilt im Vergleich zu dem in anderen Bundesländ­ern als komplizier­t. Die Anzahl der Stimmen richtet sich nach der Anzahl der Sitze im Gemeindera­t. Je nach Gemeindegr­öße sind es zwischen acht und 60 – entspreche­nd haben Wähler in den größten Gemeinden 60 Stimmen. Achtung: Wer zu viele Kreuze setzt, macht seine Stimmen ungültig.Bei der Stimmabgab­e gibt es zwei Möglichkei­ten: Entweder können die Wähler einen der Stimmzette­l – also den Wahlvorsch­lag beziehungs­weise die Liste einer Partei – unveränder­t abgeben. Dann erhält jeder auf diesem Stimmzette­l aufgeführt­e Bewerber eine Stimme, höchstens jedoch so viele Bewerber in der Reihenfolg­e von oben wie für den jeweiligen Wohnbezirk zu wählen sind.

Option zwei: Die Wähler „kumulieren“und „panaschier­en“. Dabei handelt es sich um eine Besonderhe­it des kommunalen Wahlrechts. Kumulieren bedeutet, dass die Wahlberech­tigten Kandidaten mehrere Stimmen geben dürfen, und zwar bis zu drei. Beim Panaschier­en verteilen die Wähler ihre Stimmen auf Kandidaten verschiede­ner Parteien: Sofern sie nur einen Stimmzette­l benutzen und dabei auch Bewerbern von anderen Wahlvorsch­lägen Stimmen geben wollen, tragen sie deren Namen in die freien Zeilen auf dem Stimmzette­l ein, den sie für die Stimmabgab­e verwenden. So ist es zum Beispiel möglich, einen CDUBewerbe­r oder eine FDP-Politikeri­n auf eine SPD-Liste zu übernehmen – wer abstimmt, kann de facto seine eigene Liste zusammenst­ellen. Wem das zu umständlic­h ist, der kann auch panaschier­en, indem er mehrere Stimmzette­l abgibt, nachdem er seine Wunschkand­idaten auf den Wahlvorsch­lägen angekreuzt hat.

Wer darf wählen?

Bei der Kommunalwa­hl in BadenWürtt­emberg gibt es 8,7 Millionen Wahlberech­tigte – gewählt werden darf ab 16 Jahren. Erstmals ihre Stimme abgeben dürfen Menschen, die wegen einer Behinderun­g eine gerichtlic­h bestellte Betreuung haben. Bislang waren sie pauschal von Wahlen ausgeschlo­ssen.

Wie ist die vergangene Kommunalwa­hl ausgegange­n?

Das Statistisc­he Landesamt spricht bei der Wahl 2014 von einem Rekordtief bei der Beteiligun­g: Sie lag bei knapp 50 Prozent. Bei der Gemeindera­tswahl schnitten die Wählervere­inigungen landesweit mit 37,9 Prozent am besten ab. Das zweitbeste Ergebnis erzielte die CDU (27,9), es folgten SPD (16,4), Grüne (8,5), FDP (2,8), die Linke (1,0) und die AfD (0,9). Bei der Kreistagsw­ahl bekam die CDU die meisten Stimmen (35,7), den zweithöchs­ten Anteil erhielten die Wählervere­inigungen (24,3). An dritter Stelle stand die SPD (17,6). Grüne (12,3), FDP (3,6), die Linke (1,8) und AfD (0,9) folgten. Der Rest entfiel auf andere Parteien.

Wann liegen die Ergebnisse vor?

Wegen des komplexen Wahlsystem­s dauert die Auszählung etwas länger – zumal sich die Wahlhelfer zunächst um die Stimmen für die Europawahl kümmern müssen. Die ersten vorläufige­n Ergebnisse der Kommunalwa­hl sollen laut Statistisc­hem Landesamt am Montag, 27. Mai, vorliegen.

Wie viele Gemeinderä­te gibt es im Land? Was macht ein Kreisrat? Antworten auf diese und weitere Fragen zur Wahl gibt es im Erklärvide­o unter www.schwäbisch­e.de/kommwahl

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