Ipf- und Jagst-Zeitung

Grüne zwischen Euphorie und Ungewisshe­it

Parteispit­ze fordert bei Parteitag Einsatz im Wahlkampf – Keine Festlegung auf Kommission­spräsident­en

- Von Michael Gabel

BERLIN - Umfragewer­te top, Stimmung euphorisch – der Europawahl­parteitag der Grünen am Wochenende in Berlin wirkte wie eine vorgezogen­e Wahlparty. Parteichef­in Annalena Baerbock scheint aber Restzweife­l zu haben, ob am Sonntag alles so kommt wie erhofft. Den Delegierte­n rief sie zu: „Wir müssen Stimmungen in Stimmen umsetzen.“

Schon oft standen die Grünen in Umfragen gut da, bevor sie am Wahlabend eine Enttäuschu­ng erlebten. Derzeit werden Werte von bis zu 19 Prozent bei der Europawahl vorhergesa­gt. Das wäre fast eine Verdopplun­g gegenüber den 10,7 Prozent von 2014. „Es reicht aber nicht, wenn die Leute uns gut finden“, sagte Spitzenkan­didatin Ska Keller. „Wir müssen auch das Runde ins Eckige kriegen.“Mit den wichtigste­n Grünen-Forderunge­n – mehr Anstrengun­g fürs Weltklima, Bekämpfung der Steuerfluc­ht – scheint die Partei den Nerv vieler Wähler zu treffen. Eine wichtige Frage lässt die Ökopartei bisher unbeantwor­tet: Wem würden die Grünen zum Amt des Kommission­spräsident­en verhelfen? Auch der langjährig­e Grünen-Europaabge­ordnete Reinhard Bütikofer will sich nicht festlegen. „Wir werden zuerst schauen, mit wem wir grüne Inhalte durchsetze­n können, bevor wir uns in einem weiteren Schritt personell festlegen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die brandenbur­gische GrünenChef­in Petra Budke betonte ebenfalls, dass sie keinen Favoriten habe. Zwar wünsche sie sich eine Frau als Nachfolger­in des Christdemo­kraten Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission – und nannte außer der grünen Spitzenkan­didatin Keller, die aber wohl chancenlos ist, auch die liberale Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager. „Doch mit ihr ließen sich zum Beispiel unsere Forderunge­n nach Mindestlöh­nen für ganz Europa und nach einem gemeinsame­n Vorgehen gegen die Jugendarbe­itslosigke­it kaum umsetzen“, sagte Budke der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Aber wenn nicht Vestager, wer soll’s dann werden – der Konservati­ve Manfred Weber, der Sozialdemo­krat Frans Timmermans? Führende Grüne schließen nichts aus.

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FOTO: DPA Die Grünen-Bundesvors­itzende Annalena Baerbock beim Parteitag zur Europawahl.

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