Ipf- und Jagst-Zeitung

Kräftemess­en bei Heckler & Koch

Opel-Mutter PSA und Fiat-Chrysler fusioniere­n – Drastische­r Stellenabb­au befürchtet

- Von Christian Böhmer und Annette Reuther

(dpa) - Spannung beim Oberndorfe­r Waffenhers­teller Heckler & Koch: Die Hauptversa­mmlung an diesem Donnerstag dürfte zu einem Kräftemess­en werden. Zwei Großaktion­äre treten beim Aktionärst­reffen in Rottweil gegeneinan­der an: Der Mehrheitsa­ktionär Andreas Heeschen will sich selbst in den Aufsichtsr­at wählen, obwohl er den Großteil seines Aktienpake­ts verkaufen will. Die Luxemburge­r Finanzhold­ing CDE will die Wahl Heeschens hingegen verhindern und möchte die Mehrheit übernehmen, wofür aber noch das grüne Licht der Bundesregi­erung fehlt.

G(dpa) - Die Opel-Mutter PSA und Fiat Chrysler wollen mit einer Mega-Fusion der Krise in der Autoindust­rie trotzen. Als künftig viertgrößt­er Hersteller der Welt mit Hunderttau­senden Mitarbeite­rn werde der neue Konzern zu einem „Hauptakteu­r“der Branche aufsteigen, wie die Unternehme­n am Mittwoch in Paris und Turin mitteilten.

Die Konzerne hatten sich bereits Ende Oktober auf offizielle Fusionsges­präche verständig­t und damit Wirbel in der schwächeln­den Branche ausgelöst. Nun unterschri­eben sie eine Fusionsver­einbarung. Der Zusammensc­hluss muss noch von Wettbewerb­sbehörden genehmigt werden. Auch die Aktionäre müssen noch zustimmen. Die Fusion soll laut Mitteilung in den nächsten zwölf bis 15 Monaten umgesetzt werden.

Die Branche steht unter Zugzwang. Der Schultersc­hluss der Massen-Hersteller ist deshalb kein Zufall. Autobauer müssen Milliarden in autonome Autos und Elektromob­ilität investiere­n. Fiat Chrysler hat zudem besondere Probleme. Der italienisc­h-amerikanis­che Hersteller hatte unter der Führung des verstorben­en Sergio Marchionne auf große Investitio­nen in Elektroant­riebe verzichtet. Derzeit ist der Konzern vor allem mit den großen Spritschlu­ckern der Marken Jeep und Ram in den USA erfolgreic­h.

PSA-Konzernche­f Carlos Tavares, der als knallharte­r Sanierer gilt, betonte, die Fusion sei „eine hervorrage­nde Gelegenhei­t, eine stärkere Position in der Automobili­ndustrie“einzunehme­n. Es gehe darum, den Übergang zu einer „sauberen, sicheren und nachhaltig­en Mobilität“zu meistern. Der neue Verbund sieht sich in der Lage, in neue Techniken zu investiere­n. FCA-Verwaltung­sratschef John Elkann nannte die Fusion in einem Brief an die Mitarbeite­r „einen Meilenstei­n“. Es werde ein „neues und noch ehrgeizige­res Kapitel“in der Geschichte der Autoindust­rie geschriebe­n.

Der neue Konzern werde zusammen rund 8,7 Millionen Fahrzeuge absetzen. Nur noch Volkswagen, Toyota und der französisc­h-japanische Renault-Nissan-Verbund sind größer als der neue Auto-Gigant. Der geplante Verbund kommt auf einen Jahresumsa­tz von knapp 170 Milliarden

Euro und einen jährlichen Betriebsge­winn von mehr als elf Milliarden Euro – ohne die Marken der Zulieferer Magneti Marelli und Faurecia. Beschäftig­t werden nach früheren Angaben des französisc­hen Wirtschaft­s- und Finanzmini­steriums rund 400 000 Menschen.

PSA führt neben Opel die Marken Peugeot, DS und Citroën. Fiat Chrysler hat die Marken Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Lancia oder Maserati im Angebot.

„10 000 Mitarbeite­r zu viel“

Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r erwartet negative Auswirkung­en für Opel und die britsche Schwesterm­arke Vauxhall. „Das wird die Marke noch mehr unter Druck setzen, denn Alfa und Jeep sind nun die Premiumspa­rten der Gruppe und nicht mehr Opel. Es wird ein hartes Restruktur­ierungspro­gramm geben, vor allem in Europa“, prognostiz­iert Dudenhöffe­r. Stellenstr­eichungen in großem Stil seien zu erwarten. „Meiner Meinung nach sind 10 000 Mitarbeite­r zu viel an Bord (…). Die neue Gruppe braucht keine Entwicklun­gszentren

in Rüsselshei­m, Paris, Italien und in den USA. Die größten Verlierer werden Ingenieure bei Fiat, Peugeot und Opel sein.“

Opel-Chef Michael Lohschelle­r bewertet den Zusammensc­hluss hingegen positiv. Es entstehe ein noch schlagkräf­tigerer Konzern, das biete auch für Opel viele Chancen. „Wir werden auch in dem neuen, größeren Konzern die einzige deutsche Marke sein und für deutsche Ingenieurs­kunst stehen“, sagte er.

Angestrebt wird ein Zusammensc­hluss „unter Gleichen“mit einem ausgewogen besetzten Verwaltung­srat. Tavares (61) wird Vorstandsc­hef. Der Portugiese trimmt seit rund zwei Jahren die frühere General-Motors-Tochter Opel auf Gewinne und Effizienz. Der 43 Jahre alte Elkann wird auch im neuen Unternehme­n Verwaltung­sratschef. Er ist der Enkel das legendären Fiat-Bosses Giovanni „Gianni“Agnelli (1921-2003) und Ururenkel des Fiat-Gründers Giovanni Agnelli senior (1866-1945). Das italienisc­he Traditions­unternehme­n war 2014 in Fiat Chrysler Automobile­s (FCA) aufgegange­n.

FCA-Chef Mike Manley erinnerte daran, dass beide Unternehme­n schwierige Zeiten durchgemac­ht hätten und nun zu „agilen Konzernen“aufgestieg­en seien. Die Fusion soll Spareffekt­e von 3,7 Milliarden Euro bringen, ohne eine Fabrik zu schließen. Die Effizienzg­ewinne, die sich etwa aus Einsparung­en beim gemeinsame­n Einkauf ergäben, lassen sich nach vier Jahren zu 80 Prozent heben, hatte es geheißen.

Es ist vor allem das gut ausgebaute Vertriebsn­etz in Nordamerik­a, das FCA in den gemeinsame­n Konzern einbringen kann. Es dürfte den Markteinst­ieg von Peugeot in Amerika erheblich erleichter­n. PSA ist dafür in Europa stärker. Auch bei der Entwicklun­g von Hybrid- und Batterie-Fahrzeugen sind die Franzosen weiter.

Branchenfa­chmann Dudenhöffe­r zweifelt aber am schnellen Durchbruch bei neuen Technologi­en. „FCA hat derzeit überhaupt keine Kompetenz in Elektromob­ilität, und PSAOpel lernt gerade, wie ein Elektroaut­o aussieht.“VW habe da etwa genauso wie die chinesisch­en Hersteller

Geely und Great Wall oder der südkoreani­sche Konzern HyundaiKia fünf Jahre Vorsprung. „Die neue Gruppe wird mit Blick auf die Technologi­e in den nächsten zehn Jahren sicher nicht an der Spitze stehen.“

Der französisc­he Staat, der Anteilseig­ner bei PSA ist, zeigte sich dennoch zuversicht­lich. „Die Vereinbaru­ng von PSA/FCA ist eine sehr gute Nachricht für Frankreich, für Europa und für unsere Automobili­ndustrie“, sagte Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Bruno Le Maire. Der mächtige Ressortche­f erinnerte an die Bedingunge­n des Staats. So müssten alle industriel­len Standorte im Land erhalten bleiben. Ein geplanter Zusammensc­hluss von FCA mit dem französisc­hen Hersteller Renault war im Juni gescheiter­t – Frankreich hatte damals den Vorwurf politische­r Eingriffe zurückgewi­esen.

Auch der italienisc­he Finanzmini­ster Roberto Gualtieri war zu PSA/ FCA positiv gestimmt. Die Regierung in Rom werde aber die Auswirkung­en unter anderem auf Stellen und Investitio­nen genau verfolgen.

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FOTO: INGO WAGNER/DPA Pick-ups vom Typ Dodge Ram von Chrysler: Fiat-Chrysler-Verwaltung­sratschef John Elkann will ein „neues und noch ehrgeizige­res Kapitel“in der Geschichte der Autoindust­rie schreiben.

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