Merkel gegen Sanktionen
Kanzlerin möchte im Fall Nord Stream 2 lieber reden
(AFP/dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Sanktionsbeschluss des US-Kongresses wegen der Pipeline Nord Stream 2 kritisiert und den USA Gespräche angeboten. „Ich sehe keine andere Möglichkeit, als Gespräche zu führen, aber sehr entschiedene Gespräche, dass wir diese Sanktionen nicht billigen“, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. Gegenmaßnahmen stehe sie zurückhaltend gegenüber, erklärte die CDU-Politikerin.
In den USA hatte am Dienstag nach dem Repräsentantenhaus auch der Senat für den neuen Verteidigungshaushalt gestimmt, in dem die Strafmaßnahmen gegen am Bauprojekt beteiligte Firmen und Personen enthalten sind. Ziel der Sanktionen sind Firmen, die am Verlegen der Gaspipeline durch die Ostsee beteiligt sind, sowie deren Eigner. Als Strafmaßnahmen vorgesehen sind Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen in den USA.
G- Vor über zehn Jahren ging die Planung los. Die neue Höchstspannungsleitung zwischen Wahle östlich von Hannover und dem hessischen Ort Mecklar sollte Strom von Nord nach Süd leiten. Fertig ist sie immer noch nicht. Die Karte vom Energieversorger Tennet verzeichnet drei Bauabschnitte in gelber Farbe: Die sind genehmigt oder im Bau. Ein weiteres Stück ist in braun dargestellt. Da läuft das Planungsverfahren noch. Neue Stromtrassen in Deutschland zu bauen ist eine langwierige Sache.
Stehen die Masten oder liegen die Kabel erst, halten sie für Generationen. Eine gefühlte Ewigkeit dauert es allerdings, das komplizierte Planungsverfahren zu durchlaufen. Dabei sind neue Leitungen eine Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Der Strom der Windkraftwerke in Norddeutschland muss in die Industriegebiete des Südens. Dass die Zeit drängt, weiß man seit mehr als zehn Jahren. Wie ist heute der Stand?
Wie an zahlreichen anderen Orten gab es zwischen Wahle und Mecklar viel Protest. Anwohner und Anwohnerinnen gründeten Bürgerinitiativen. Teilweise forderten sie, die Leitung unter die Erde zu legen, damit das Landschaftsbild nicht verschandelt werde. An zwei Abschnitten kamen Planer und Politik diesem Wunsch nach – bei Salzgitter und Göttingen. Nun soll das ganze Projekt mit gut 220 Kilometer Länge 2024 in Betrieb gehen, sagt Tennet, etwa 15 Jahre nach dem Start. Wenn nichts mehr dazwischenkommt.
Insgesamt wurden 2009 im Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen, das auch die Verbindung zwischen Wahle und Mecklar enthält, rund 1800 Kilometer neue Stromtrassen in ganz Deutschland geplant. Laut einem Bericht der Bundesnetzagentur waren davon bis zum ersten Quartal dieses Jahres 800 Kilometer in Betrieb – weniger als die Hälfte. Das kann man für einen Erfolg oder
Misserfolg halten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), zuständig für diesen Teil der Energiewende, hat sich offiziell für die erste Version entschieden. „Im Jahr 2019 hat es beim Ausbau der Stromnetze wichtige Fortschritte gegeben“, erklärte der Minister kürzlich. So fließe seit Ende Oktober Strom durch eine neue Leitung an der Elbe zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen.
Trotzdem erkannte auch die Bundesregierung, dass es mit dieser gewissen Behäbigkeit nicht weitergehen konnte. Zumal die Zahl der Windparks besonders in Norddeutschland, sowie in der Nord- und Ostsee steigt, viele Rotoren aber immer mal wieder abgeschaltet werden müssen, weil die Energie nicht abtransportiert werden kann – mangels ausreichender Leitungen. So wurden unter anderem im Bundesbedarfsplangesetz zusätzliche Vorhaben festgelegt und beschleunigte Planungsverfahren beschlossen.
Stromautobahnen stecken fest
Neben rund 40 weiteren Projekten gehören dazu die sogenannten Stromautobahnen. Das sind vier neue Höchstspannungsleitungen, die mehr oder weniger von der Nordseeküste bis nach Bayern und BadenWürttemberg reichen sollen. Insgesamt geht es um 5900 Kilometer Trassenaus- oder neubau. „Davon wurden bisher knapp 300 Kilometer realisiert“, heißt es bei der Bundesnetzagentur
mit dem Stand des ersten Quartals 2019. Nach der aktuellen Planung der Regierung soll alles bis spätestens 2031 fertig sein.
Die Frage, ob das realistisch erscheint, ist schwer zu beantworten. Proteste von Anwohnern und Klagen von Umweltverbänden können immer wieder zu schwer kalkulierbaren Verzögerungen führen. In dieser Hinsicht geholfen habe in den vergangenen Jahren der Bürgerdialog Stromnetz, sagt Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer des Ökoverbandes der Deutschen Umwelthilfe: „Bei der Akzeptanz gab es Fortschritte.“
Die Umwelthilfe hatte vom Bundeswirtschaftsministerium den Auftrag erhalten, mit zahlreichen Informationsund Beteiligungsveranstaltungen
die Energiewende zu erklären, kritische Argumente aufzunehmen, sie in die Planung einzuspeisen und die Stromleitungsprojekte auf diese Art einigermaßen zügig voranzubringen. In manchen Fällen hat das funktioniert. Ob es so weitergeht, muss sich jedoch zeigen. In den kommenden Jahren wird nicht mehr die Umwelthilfe, sondern die Firma Wibera, eine Tochter der Unternehmensberatung PWC, das Dialogverfahren betreuen.
Zur Beschleunigung beitragen könnte die eine oder andere Vereinfachung im Planungsverfahren. So liegen wichtige überregionale Verbindungen mittlerweile nicht mehr in der Hand einzelner Bundesländer, sondern in der Gesamtverantwortung der Bundesnetzagentur. Und „wenn bestehende Leitungen minimal um- oder ausgebaut werden sollen“, sei mitunter „kein komplett neues Planfeststellungsverfahren mehr nötig“, erklärt Nadine Bethge von der Umwelthilfe. Geht es nur darum, zusätzliche Kabel an vorhandene Masten zu hängen, fallen bestimmte Verfahrensschritte weg.
Trotzdem bleibt es kompliziert – denn selbst das Angebot, Erdkabel zu verlegen, statt Hochspannungsmasten zu bauen, entschärft nicht jeden Konflikt. Beim Projekt Südostlink beispielsweise, das von Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt bis Landshut in Bayern reichen soll, sprechen sich manche Landwirte explizit gegen die Drähte unter der Erde aus und fordern den Ausbau von Überlandleitungen. Eines der Argumente: Die oberirdischen Zugänge zu den Kabeltunneln würden die Arbeit mit Landmaschinen auf den Äckern erschweren.
Je näher das Jahr 2030 rückt, desto mehr dürfte der Druck beim Trassenbau steigen. Denn in zehn Jahren soll Deutschland zu 65 Prozent mit Ökostrom versorgt werden – so lautet ein aktueller Beschluss der Bundesregierung. Ohne die geplanten Kabel, von denen bisher nur ein kleiner Teil in Betrieb ist, wird das nicht funktionieren.