Ipf- und Jagst-Zeitung

Pestizidre­duktion macht Landwirten zu schaffen

Dennoch tragen sie die Eckpunkte für mehr Artenschut­z mit – Naturschüt­zer hoffen auf Ende der Frontstell­ung

- Von Kara Ballarin

- Drinnen ringen Umweltund Bauernverb­ände um Wege hin zu mehr Artenschut­z. Draußen, vor dem Landesamt für Geoinforma­tion und Landentwic­klung in Stuttgart, protestier­en Landwirte gegen das, was hinter den Mauern an diesem Mittwoch beschlosse­n werden soll. Einer von ihnen ist Hubert Lehle, Vorsitzend­er des Obstbaurin­gs Überlingen. Vor allem eins der Ziele löst bei ihm großes Unverständ­nis aus: Bis 2030 sollen auf Feldern, Wiesen und Plantagen im Land 40 bis 50 Prozent weniger Pestizide eingesetzt werden. „Das Ergebnis der Eckpunkte stand von vornherein fest“, ärgert er sich. „Es ging nur noch um die Ausgestalt­ung von Details. Dialog ist was anderes.“

Ein letztes Mal hat sich drinnen der runde Tisch getroffen, an dem in den vergangene­n beiden Monaten die Unterstütz­er des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen“und die Vertreter der Bauernverb­ände um eben diese Details gerungen haben. Wie soll die Pestizidre­duktion gelingen? Wie kann das Ziel erreicht werden, dass auf den Feldern bis 2030 dreimal so viel Bio wie heute angebaut wird? Darüber und über viele weitere Fragen diskutiert­en die verschiede­nen Gruppen bis zuletzt.

Am Abend zeigen sich Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) und Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) zufrieden. Es war ihre Initiative, alle an einen Tisch zu holen. Sie haben die Eckpunkte im Oktober vorgelegt – Hauk hat diese als „nicht verhandelb­ar“bezeichnet. Sie wollten wieder in die Offensive, nachdem das Volksbegeh­ren der Landespoli­tik ihre Untätigkei­t vor Augen geführt hat. Eineinhalb Jahre hatten die beiden Minister vorher um eine Pestizidre­duktionsst­rategie gestritten.

Unterstell­er spricht von einem guten Tag für Baden-Württember­g und von einer Zukunftspe­rspektive für die Landwirtsc­haft. „Wir setzen damit auch bundesweit­e Standards bei Diversität und Artenschut­z.“Und er gesteht ein: „Da sind wir in der Bringschul­d zu zeigen, dass das möglich ist.“Das dafür bereit gestellte Geld soll dabei helfen: Mehr als 60 Millionen zusätzlich sollen in den kommenden beiden Jahren vom Land fließen. Zwei Drittel davon verteilt Hauk, etwa für mehr Beratung der Bauern, aber auch zur Umstellung von konvention­eller auf ökologisch­e Landwirtsc­haft. Ein Drittel hat Unterstell­er zur Verfügung und will damit vor allem die Biotope im Land verbinden.

BUND-Landesvors­itzende Brigitte Dahlbender betont im Namen der Volksbegeh­ren-Unterstütz­er: „Naturund Artenschut­z geht nur gemeinsam.“Und: „Der Trägerkrei­s hat einstimmig beschlosse­n: Wir tragen den Kompromiss mit und werden nicht mehr weiter mobilisier­en.“Hätte es keine Einigung gegeben, hätten die Bienenfreu­nde wieder zu Unterschri­ftensammlu­ngen aufgerufen. Das hätte dazu führen können, dass die Ziele für mehr Artenschut­z deutlich schärfer ausgefalle­n wären.

Das wussten auch die Bauernverb­ände und tragen den Kompromiss zähneknirs­chend mit. „Für uns Bauern ist das eine große Herausford­erung“,

sagt Landesbaue­rnverbands­chef Joachim Rukwied. „Wir leben von dem, was wir auf den Feldern, in den Weinbergen und im Obstbau erwirtscha­ften.“Wichtig waren ihm zwei Dinge: Ein Netz aus Referenzbe­trieben soll aufgebaut werden, von denen andere lernen können. Zudem soll bis 2030 zweimal evaluiert werden, ob die Wege zur Pestizidre­duktion gangbar sind – oder ob das Ziel schlicht zu ambitionie­rt ist. Beide Wünsche wurden noch erfüllt.

Weniger konziliant äußert sich Werner Räpple, Präsident des Badischen Landwirtsc­haftlichen Hauptverba­nds. „Wir sind nicht am Ende, wir sind am Anfang“, sagt er. 50 Prozent weniger Pestizide bis 2030: Sein Verband sei dagegen. Und doch trage er das Eckpunktep­apier mit. Das klingt ganz anders als Dahlbender, die davon spricht, eine jahrzehnte­lange Frontstell­ung zu überwinden.

Ende Januar sollen die Eckpunkte in einen Gesetzentw­urf gegossen werden, erklärte Hauk. Hubert Lehle, der Obstbauer vom Bodensee, bleibt kritisch. „Die runden Tische sollten dazu dienen, einen gemeinsame­n Weg zu finden, aber es war keine wissenscha­ftliche Expertise mit am Tisch“, sagt er. „Das war ein politische­s Taktieren, das nicht der Sache dient, sondern nur der Politik Genüge getan hat.“

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Sie sind zufrieden: Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (li./Grüne) und Peter Hauk (CDU), Minister für ländlichen Raum, bei der Pressekonf­erenz zum Bienen-Volksbegeh­ren.

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