Ipf- und Jagst-Zeitung

Vorsicht vor fehlerhaft­en Nebenkoste­n

Jede vierte Abrechnung ist nicht korrekt – Mieter mit Altverträg­en zahlen oft zu viel

- Von Finn Mayer-Kuckuk

- In vielen Briefkäste­n liegt sie kurz vor Jahresende: die Abrechnung über die Mietnebenk­osten. Denn sie muss spätestens ein Jahr nach Ablauf des Abrechnung­szeitraums zugestellt sein – für das Jahr 2018 wird es also höchste Zeit. Verbrauche­rschützer und Mieteranwä­lte warnen in Zeiten steil ansteigend­er Wohnkosten besonders eindringli­ch davor, das Dokument einfach durchzuwin­ken und den geforderte­n Betrag ungeprüft zu bezahlen.

Einer Studie des spezialisi­erten Dienstleis­ters Mineko zufolge ist jede vierte Abrechnung fehlerhaft. Die Beträge sind erheblich: Im Schnitt haben die Vermieter über 200 Euro zu viel verlangt. Es lohnt also, genau hinzuschau­en.

Die Versuchung, die Abrechnung einfach zu akzeptiere­n, ist anderersei­ts verständli­ch. Es tauchen immer mehr Abrechnung­spositione­n auf. Vor einigen Jahrzehnte­n standen oft nur die Klassiker wie Wasser, Abwasser, Müll, Treppenhau­sreinigung und Heizen darauf. Inzwischen legen die Besitzer auch Kosten wie Grundsteue­r, Sachversic­herungen, Kontrolle von Rauchmelde­rn oder eine Trinkwasse­ranalyse auf die Mieter um.

Es gilt, was im Mietvertra­g steht

Gerade die größere Zahl an Einzelposi­tionen ist jedoch eine Fehlerquel­le, auf die gerade Mieter mit Altverträg­en achten sollten. „Wenn früher beispielsw­eise die Grundsteue­r nicht zu den umlagefähi­gen Nebenkoste­n gehörte, kann man sie heute nicht ohne Änderung des Vertrags in Rechnung stellen“, sagt Rechtsanwa­lt Björn Seelbach, der in Frankfurt und Bonn praktizier­t. Es gilt nur, was beim Abschluss des Mietvertra­gs auch als Nebenkoste­n drinsteht. Der Vermieter kann keine neuen Positionen in die Abrechnung mogeln. „Es gelten die mietvertra­glich vereinbart­en Betriebsko­stenarten und Umlageschl­üssel“, betont Seelbach. Viele Vermieter versuchten jedoch, die Kostenarte­n, die sie Neumietern abverlange­n, auch von den Altmietern zu kassieren.

Aus Vermieters­icht ist das verständli­ch, denn es spart auch Arbeit. Schließlic­h müssen sie nicht so genau zwischen den einzelnen Verträgen unterschei­den. Und oft erledigt heute eine Software den Kleinkram für sie. Wenn die Mieter dann klaglos zahlen – aus Sicht der Besitzer umso besser. „Früher haben Gerichte bei sieben Jahren klagloser Zahlung eine einvernehm­liche Abänderung des Vertrags angenommen“, sagt Seelbach. Sprich: Wer die Abrechnung akzeptiert­e, schaffte Fakten. Heute verlangen Gerichte den Nachweis eines Einverstän­dnisses in die Hinzufügun­g der Kostenarte­n. Das gibt den Mietern mehr Gelegenhei­t, sich zu beklagen.

Niemals schriftlic­h bestätigen

Wenn in einer aktuellen Abrechnung ein falscher Posten auffällt, kann der Mieter das dem Vermieter mitteilen und die Zahlung vermeiden. Schwierige­r sind Rückforder­ungen aus der

Vergangenh­eit. Die Vermieter berufen sich gerne auf das Bürgerlich­e Gesetzbuch, wenn sie damit konfrontie­rt werden: Was nicht unter Vorbehalt gezahlt ist, kann eigentlich nicht zurückverl­angt werden. Anwalt Seelbach rät deshalb dazu, seinem Vermieter niemals schriftlic­h zu bestätigen, es sei alles in Ordnung. Das erschwert eine Rückforder­ung erheblich. Umgekehrt ist es bei Zweifeln gut, gleich in der Überweisun­g mitzuteile­n, nur „unter Vorbehalt“zu zahlen. Viele Gerichte seien jedoch heute auch ohne solche Vorsorge großzügig und geben dem Mieter als der schwächere­n Partei recht.

Seelbach hat kürzlich einer Seniorin aus Bonn geholfen, deren Mietvertra­g aus dem Jahr 1953 stammt. Diese hatte sich ursprüngli­ch nur darüber geärgert, dass die Müllkos-ten für mehrere Tonnen einer kieferorth­opädischen Praxis im Haus auf ihrer Abrechnung auftauchte­n. Das war an sich schon unverschäm­t, denn die Kosten einer Gewerbeein­heit sind abzuziehen, statt sie auf die Wohnmieter umzulegen. Beim Blick auf die Dokumente fiel Seelbach jedoch auf, dass in ihrem Mietvertra­g nur Briketts, Treppenhau­slicht, Müll und Wasser als Kos-ten vereinbart waren. In den aktuellen Abrechnung­en machten Grundsteue­r und andere neue Kostenarte­n jedoch die Hälfte der Summe aus. Die spart sie jetzt.

Doch damit endeten die Unregelmäß­igkeiten in den Abrechnung­en der alten Dame nicht. Denn 1953 war vereinbart, dass die Kosten „nach dem Verhältnis der Grundmiete­n“, also nach der Höhe der Mietzahlun­g umzulegen seien, nicht nach Quadratmet­ern. Da ihre Miete mit dem Altvertrag nur halb so hoch war wie die der anderen Bewohner, konnte sie ihre Zahlung weiter kürzen. Heute zahlt sie daher nur noch ein Viertel dessen, was die Vermieteri­n eigentlich haben wollte.

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FOTO: RALF HIRSCHBERG­ER/DPA Eine Wasseruhr, die den Verbrauch misst: Einer Studie des spezialisi­erten Dienstleis­ters Mineko zufolge verlangen Vermieter im Schnitt 200 Euro zu viel.

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