Mehrere Jahre Haft für tödlichen Stoß ins Gleisbett
Landgericht Nürnberg-Fürth wertet Tat von zwei 17-Jährigen nicht als Totschlag
(dpa/AFP) - Nach dem Tod von zwei Jugendlichen durch Stöße auf ein S-Bahn-Gleis in Nürnberg sind am Mittwoch mehrjährige Jugendstrafen für die Täter verhängt worden. Die Jugendkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth wertete die Taten der zwei 17-jährigen Angeklagten als Körperverletzung mit Todesfolge. Einer der Jugendlichen muss dreieinhalb Jahre ins Gefängnis, der zweite drei Jahre und drei Monate.
Nach Überzeugung des Gerichts haben die beiden Männer Ende Januar nach einem Discobesuch drei 16jährige Jugendliche bei einer körperlichen Auseinandersetzung am Bahnsteig der Station Frankenstadion ins Gleisbett gestoßen. Während sich ein Jugendlicher durch einen Sprung im letzten Moment retten konnte, wurden die zwei anderen jungen Männer von einem einfahrenden Zug überrollt und getötet.
Zentrales Beweismittel in dem Prozess war eine Videoaufnahme vom Tatgeschehen. Wie der Richter sagte, belegte diese, dass aus der Gruppe der beiden Getöteten keinerlei Aggressionen ausgegangen seien. Auslöser der Auseinandersetzung war demnach, dass sich einer der beiden Angeklagten am Rucksack eines der später getöteten Jugendlichen zu schaffen gemacht habe. Darauf angesprochen, habe der Angeklagte aggressiv und provokativ reagiert, die späteren Opfer hätten sich aber nicht provozieren lassen und versucht, die Situation zu beschwichtigen. Danach sei es „aus welchem Grund auch immer“zu einer Eskalation der Auseinandersetzung gekommen, erklärte das Gericht.
Einer Forderung der Nebenklage nach einer Verurteilung wegen Totschlags folgte die Jugendkammer des
Gerichts nicht. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass die Jugendlichen den herannahenden Zug auf dem mit Menschen gefüllten Bahnsteig zwingend wahrgenommen haben müssen – obwohl der Lokführer dem Urteil zufolge akustische Warnsignale abgab. Bei der Abgabe eines zweiten Warnsignals seien die beiden Jugendlichen bereits im Fallen gewesen. Die Kammer habe auch kein Motiv für ein absichtliches Schubsen finden können. Deshalb liege kein Tötungsvorsatz vor. Den Angeklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, den Tod ihrer beiden Kontrahenten billigend in Kauf genommen zu haben.
Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre und fünf Monate sowie drei Jahre und neun Monate Haft gefordert. Die Verteidiger der beiden jungen Männer hielten Strafen von höchstens zwei Jahren Haft zur Bewährung für ausreichend. Sie bestritten bis zuletzt eine Tötungsabsicht. In Briefen entschuldigten sich ihre Mandanten bei den Familien der beiden getöteten Jugendlichen und zahlten an die als Nebenkläger auftretenden Familien Beträge von 10 000 Euro beziehungsweise 10 250 Euro. Der Prozess fand wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Bundesweit sorgen Angriffe auf Bahnhöfen immer wieder für Entsetzen. Ende Oktober starb im Berliner U-Bahnhof Kottbusser Tor ein 30Jähriger, der vor eine einfahrende UBahn gestoßen wurde. Im Juli war ein achtjähriger Junge im Frankfurter Hauptbahnhof von einem Mann vor einen einfahrenden ICE in den Tod gestoßen worden. Als Konsequenz daraus kündigten Bundesregierung und Bahn an, die Videoüberwachung an Bahnhöfen auszuweiten.