Ipf- und Jagst-Zeitung

Magie der Dunkelheit

Astrophysi­ker schreibt ein poetisches Buch über die Nacht – passend zum kürzesten Tag

- Von Angelika Prauß

G(KNA) - Die Dimensione­n des Weltalls sind unendlich und unergründl­ich für das menschlich­e Spatzenhir­n. Dennoch wagt der vietnamesi­sch-amerikanis­che Astrophysi­ker Trinh Xuan Thuan den Versuch, diese äußerst komplexe Materie unterhalts­am zu präsentier­en. In seinem Buch „Die Magie der Nacht“verbindet er Fragen der Astro- und Metaphysik.

Thuan nimmt den Leser mit zu seinen nächtliche­n Beobachtun­gen im Observator­ium auf dem Vulkan Mauna Kea in Hawaii. Der Berg ist ein Hotspot für Astrophysi­ker. Als einer der weltweit wenigen Orte ohne Lichtversc­hmutzung ist er zugleich eine Art Fenster zum Weltall. Zahlreiche Teleskope sind in die unendliche­n Weiten ausgericht­et – zum Unmut der Ureinwohne­r, die den Manua Kea als heiligen Berg und Sitz der Götter verstehen. „Aber die Astronomen zahlen dem Gott des Himmels auf ihre Weise Tribut: Die Betrachtun­g des Universums hat eine hochspirit­uelle Dimension“, so Thuan in seinem Buch.

Während er so in den Himmel zu den Gestirnen, Sternschnu­ppen und fernen Galaxien blickt, findet der Wissenscha­ftler immer wieder poetische Worte für das, was er da sieht und fühlt. „Nachts vermengen sich in mir ein unsägliche­s Gefühl von Unendlichk­eit und die schwindele­rregende Empfindung von kosmischer Verbundenh­eit.“

Der Astrophysi­ker geht in seinem Buch auf Fragen ein, die viele Menschen haben, wenn sie in den Nachthimme­l blicken: Warum wirkt der Weltraum dunkel, warum kommt es in der Dämmerung zu regelrecht­en Farbexplos­ionen am Himmel? Wie können Wissenscha­ftler überhaupt die chemische Zusammense­tzung von weit entfernten Sternen ermitteln? Warum erblicken wir immer nur die eine Seite des Mondes? Menschen, die gerne in die Sterne sehen, erfahren so jede Menge spannender Details – etwa, dass Generation­en in weiter Zukunft keine totale Sonnenfins­ternis mehr sehen werden, weil der Mond sich immer weiter von der Erde entfernt und damit die Sonne nicht mehr komplett verdecken kann.

Für Thuan ist es ein Wunder, dass der Mensch auf dem einzig bewohnbare­n Planeten im Sonnensyst­em lebt. Das Universum scheine ihm geradezu „auf geheimnisv­olle Weise darauf ausgericht­et, das Erscheinen des Menschen zuzulassen“. Dass überhaupt Leben entstehen konnte setze ein „hochsensib­les Gleichgewi­cht“und „extrem unwahrsche­inliche Zufälle“voraus. Wenn sich bestimmte Naturkonst­anten und Ausgangsbe­dingungen nur ein wenig verändern würden, gäbe es den Menschen nicht. „Ein anderes bewohnbare­s Fleckchen wird im weiten Universum schwer zu finden sein: Wir sollten auf unseren Planeten achtgeben“, mahnt der Astrophysi­ker.

Demut und Ehrfurcht vor der Größe der Schöpfung schwingt auch mit, wenn Thuan die Dimensione­n des Alls aufzeigt. Schon unsere Milchstraß­e beheimate mehrere Hundert Milliarden Sterne. Die heutige Astronomie gehe davon aus,

„dass die Milchstraß­e im beobachtba­ren Universum nur eine unter Hunderten Milliarden Galaxien ist – mit jeweils Hunderten Milliarden Sonnen“. Letztendli­ch sei die Erde nichts anderes „als ein Sandkorn in der Endlosigke­it des Kosmos“. Zugleich seien 95 Prozent der Gesamtmass­e des Universums Forschern noch immer völlig unbekannt, „eine gute Lehre in Bescheiden­heit“, findet Thuan.

Thuan zeigt sich als Wissenscha­ftler, der das Staunen nicht verlernt hat. Seine Ode an die Nacht wird ergänzt durch Farbfotos aus dem Weltall, von Kunstwerke­n, Gedichten und Literatura­uszügen. So gilt die Nacht als Zeit der Liebenden, der Angst, aber auch der mystischen Erkenntnis.

Und hier können für Thuan auch Astro- und Metaphysik zueinander­finden. „Alles im Universum ist miteinande­r verbunden und zwingt uns, unsere gewohnten Vorstellun­gen vom Weltraum zu überwinden.“Das Wissen, „dass wir alle aufeinande­r angewiesen und miteinande­r durch Raum und Zeit verbunden sind, zieht hinsichtli­ch unseres Empfindens von Mitleid und Empathie weitreiche­nde ethische Folgen nach sich“, findet Thuan. Trinh Xuan Thuan: „Die Magie der Nacht. Eine wissenscha­ftliche Reise von der Abenddämme­rung bis zum Morgengrau­en“, Piper, München 2019, 25 Euro.

„Die Betrachtun­g des Universums hat eine hochspirit­uelle Dimension.“ Trinh Xuan Thuan, Astrophysi­ker und Autor

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FOTO: IMAGO Der Vulkan Mauna Kea in Hawaii – hier das Riesentele­skop kurz vor Sonnenaufg­ang – ist ein Hotspot für Astrophysi­ker.
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FOTO: KNA Der Astrophysi­ker Trinh Xuan Thuan hat das Staunen nicht verlernt.

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