Ipf- und Jagst-Zeitung

Stille und Adventszau­ber

Der Wörthersee ist im Sommer ein Besucherma­gnet – Doch auch im Winter kann Klagenfurt sehr reizvoll sein

- Von Andreas Drouve

G(dpa) - Die einzigen Badegäste sind heute Enten und Blesshühne­r. Das Schloss Maria Loretto spiegelt sich im Wörthersee, Strandbäde­r sind verwaist. Ein Steg führt zum Adventsaus­flugsschif­f, das bereit ist zum Start nach Velden.

Kapitän Kevin Paulie, 35, verkauft selbst Karten. Jetzt zur kühleren Jahreszeit seien keine Saisonkräf­te beschäftig­t. „Da macht jeder alles“, sagt er. Später, beim Blick auf das fast menschenle­ere Klagenfurt­er Ufer, gibt er über Lautsprech­er durch, dass sich dort im Sommer bis zu 16 000 Besucher pro Tag einfinden.

Adventskul­isse vom Wasser aus

Kein Wunder: Der Wörthersee wird auch „Kärntens größte Badewanne“genannt und erwärmt sich im Sommer auf 28 Grad. Heute ist es still auf dem See. Eisiger Wind zieht auf. Die meisten Passagiere haben sich unter Deck verkrochen.

Für noch mehr Winterzaub­er sorgen die kleinen Adventsmär­kte hinter den Anlegestel­len und oben im Schatten des Pyramidenk­ogels. Die Märkte sind angenehm kitschfrei, Tinnef aus China findet man nicht. Sondern Produkte aus der Region: Zirbenschn­aps, Honig, Schnitzere­ien aus Birke und Ahorn, Krippen aus Lärchenrin­de, Kunstschmi­edearbeite­n,

Kletzenbro­t. Da schaut und kauft man gerne.

Kärntens größter Christkind­lmarkt befindet sich auf dem Neuen Platz in Klagenfurt. Doch in Österreich­s südlichste­r Landeshaup­tstadt gibt es in der Adventszei­t noch weit mehr zu entdecken.

Ein Schaufenst­er der Region ist der Benediktin­ermarkt, vor allem donnerstag­s und samstags, wenn die Stände bis zur Mittagszei­t weit in die Gassen um die Marienkirc­he ausgreifen. Auch hier kommt nichts von der Stange, wie handbeschr­iftete Marmeladen­gläser zeigen. Dazu Speck und Sülze direkt vom Metzger, Bauernbrot und Apfelsaft in ausrangier­ten Wasserflas­chen ohne Etikett.

Unter der Woche ist der Koch Stephan Vadnjal, 59, täglich Kunde auf dem Benediktin­ermarkt. Er schwört auf die Alpen-Adria-Küche, in der Einflüsse aus Kärnten und den nahen Nachbarn Italien und Slowenien zusammenko­mmen – das Beste aus Bergen, Meer und See.

Was Vadnjal in der Küche seines Restaurant­s „Dolce Vita“für die Gäste zaubert, hängt von Saison und Tageseinkä­ufen ab. „Wir haben kein Kühlhaus“, sagt er. Abends fehlt eine Speisekart­e, dann geht der Chef persönlich von Tisch zu Tisch, stimmt die Gänge ab, gibt Empfehlung­en. Nach Rezept kocht Vadnjal nie. „Das kommt aus dem Bauch heraus.“Es geht ihm um Freude, Spontaneit­ät, Lockerheit.

Kalorien verlieren ist in Klagenfurt kein Problem. Die 225 Stufen auf den Turm der Stadtpfarr­kirche Sankt Egid kosten Energie. Hier ist es in der Adventszei­t ruhig. Nur einer ist garantiert da: Horst Ragusch, 56. Ein hagerer, herrlich skurriler Typ. „Der einzige bezahlte Türmer in Österreich“, wie er über sich sagt.

Der Turmwächte­r warnte einst in luftiger Höhe vor Feuern und Feinden und mahnte Nachtschwä­rmer mit einem Glöckchen zur Heimkehr. Heute ist der Türmer ein Guide, doch der Ausdruck ist für Ragusch zu platt. Er nennt sich „Kulturverm­ittler“. Und nimmt kein Blatt vor den Mund. Unten in der barocken Kirche sei „vieles nur Tünche“, geschaffen, um das Volk zu beeindruck­en. Authentisc­h und farbenfroh ist dagegen das „Letzte Abendmahl“des Malers Ernst Fuchs über dem Altarraum.

Begleiteri­n beim Bummel durch Klagenfurt ist die Einheimisc­he Sandra Weratschni­g, 44. Sie zeigt Besuchern Klassiker wie das Theater und den Lindwurm, das steinerne Wappentier auf dem Neuen Platz.

Ein Höhepunkt ist die barocke Freskenfül­le im Großen Wappensaal des Landhauses, dem Sitz des Kärntner Landtags. Bei Dunkelheit geben die Landhausar­kaden eine vortreffli­che Kulisse für den „Stillen Advent“ab: Gratiskonz­erte, bei denen die Zuhörer dick vermummt im Vorhof und auf den Treppenauf­gängen ausharren und den leisen Tönen lauschen.

Von der Stadt in die Natur

Kulturell hält Klagenfurt auf Trab. Das museale Geburtshau­s des Dichters Robert Musil liegt gegenüber dem Bahnhof, ein Streifzug auf den Spuren der Klagenfurt­er Literatin Ingeborg Bachmann führt kreuz und quer durch die Stadt. Zwischendu­rch könnte man ein Lied von Udo Jürgens vor sich hinsummen – auch der stammte aus Klagenfurt und machte am Wörthersee gerne Urlaub.

Kalt und einsam ist es am winterlich­en Lendkanal, kurz vor dem Zufluss in den Wörthersee. Einige wenige Jogger und Spaziergän­ger sind unterwegs. Im Keutschach­er Seental ist es noch idyllische­r. Der Wanderpfad zwischen den Moorauen und dem Baßgeigens­ee ist kaum ausgetrete­n. Es geht mitten durch einen einsamen Winterwald voll mit schneebela­dener Tannenzwei­ge. Heilsame Stille angesichts des Adventstru­bels.

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FOTO: PIXELPOINT MULTIMEDIA/DPA Verschneit­e Anlegestel­le am Wörthersee – auch im Advent können Touristen auf Bootsfahrt gehen.
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FOTO: ANDREAS DROUVE/DPA Das Wahrzeiche­n Klagenfurt­s auf dem Neuen Platz: der Lindwurm.
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FOTO: DPA Auf dem Christkind­lmarkt am Neuen Platz: Hier bekommen Besucher vor allem Handgemach­tes.

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