Basteln, kochen, in die Wirtschaft gehen
Die Gruppe Behinderte und ihre Freunde gestaltet gemeinsam die Freizeit.
- Es ist laut und wuselig. Nachzügler werden begrüßt, freie Plätze an den zwei großen Tischen gesucht. Immer dienstags um 19 Uhr trifft sich die Gruppe Behinderte und ihre Freunde im DRKHeim. Heute werden Schneemänner bemalt.
Seit 1973 gibt es die Gruppe, den Namen Behinderte und ihre Freunde hat sie sich selbst gegeben. Politisch korrekt klingt das heute nicht mehr, aber damals steckte in dem Namen auch eine Forderung. Behinderte wollten sich nicht verstecken, sondern am Leben teilnehmen wie alle anderen auch.
In Ellwangen ging es vor allem um ein Freizeitangebot. Damals habe es für Menschen mit Behinderung in Ellwangen nichts gegeben, sagt Renate Sachs, die die Gruppe mit Ute Mayer leitet. Angefangen hat es mit wöchentlichen Treffen in der Wirtschaft auf dem Schönenberg. 20 Behinderte, die gemeinsam unterwegs waren, sei damals provokativ gewesen. Selbstverständlich sei das aber auch heute noch nicht, sagt Sachs. In Ellwangen gebe es aber keine Schwierigkeiten. „Da kennt man uns, wir sind alle Ellwanger.“
„Wir wollen gesehen werden“
Wenn die Gruppe kommt, ist was los. „Wir sind nicht leise.“Auch wenn es in Ellwangen viele Einrichtungen für behinderte Menschen gebe, sehe man sie eher einzeln, nicht als Gruppe und vor allem nicht abends: „Wir versuchen, regelmäßig in Wirtschaften zu gehen, wir wollen gesehen werden.“
20 Behinderte sind in der Gruppe, dazu kommen acht Betreuerinnen und Betreuer. Ulrich Sing bringt inzwischen auch seine Frau und Tochter mit, nachdem er anfangs allein als Ehrenamtlicher dabei war. Wie viele Betreuer abends kommen, hängt vom Programm ab. Manche sind nur drei-, viermal im Jahr dabei, wie Josef Weber, der die Schneemänner ausgesägt hat, die heute bemalt und verziert werden. Jetzt kommt er richtig ins Schwitzen, klebt Mützchen an und Schneemänner auf ihre Ständer. „Man kann mit so kleinen Sachen eine Freude machen, das ist das Schöne“, sagt er.
Natalie gefällt die Gemeinschaft, die Unternehmungen. Vor allem die
Freizeiten seien voll schön. Deshalb hat sie auch ihre Freundin dazugewonnen. Jetzt klebt sie Knöpfe an ihren Schneemann. Einen kleinen und einen großen hat sie bemalt und verziert. Was sie damit macht? „Den großen behalte ich, der kleine wird verschenkt.“Auf den zwei Tischen stehen inzwischen ganz viele verschiedene Schneemänner. Solche mit Schal und Mütze, andere mit Pfeifenputzer als Mund.
Sachs versteht den Treff auch als Entlastung für die Eltern und die Einrichtungen, vor allem, wenn die Gruppe im Sommer drei Tage auf eine Hütte fährt, wo sie alles selbst macht. Da kommen alle mal raus aus dem Alltag. Die Gruppenfreizeit kostet für jeden 40 Euro für die drei Tage, die abendlichen Treffen sind umsonst. Kosten fallen trotzdem an, auch wenn der Raum im DRK-Heim keine Miete kostet. Aber auch Bastelmaterial oder die Busse und Eintrittskarten für die Theaterfahrten müssen finanziert werden.
Dafür gibt es Zuschüsse von Stadt und Land. Doch davon allein könne die Gruppe nicht leben, sagt Sachs und freut sich über Unterstützer wie die Feuerwehr Ellwangen, die den Erlös von Kalender und Weißwurstfrühstück spendet, oder die Feuerwehr Neuler, die die Gruppe einmal im Jahr zum Vesper einlädt.
Jeden Dienstag steht etwas anderes auf dem Programm. Es wird gekocht oder vorgelesen. Oder es wird eine Busfahrt zu den Freilichtspielen in Feuchtwangen oder ins Theater in Dinkelsbühl organisiert. Ein Erlebnis war auch der Filmabend mit der DVD „Verstehen Sie die Beliers?“. Da geht es um eine Familie mit Gehörlosen und Gebärdensprache, worüber sich Joachim Abele besonders gefreut hat, denn er ist taub. Die Gebärdensprache konnte er gut verstehen, da unterscheidet sich Französisch nicht so sehr von Deutsch wie in der gesprochenen Sprache.
Immer wieder neue Gäste
„Wir können nicht immer das Gleiche machen“, sagt Sachs und lädt deshalb immer wieder neue Gäste ein. Johannes Stärk zum Beispiel, der mit der Gruppe zusammen gekocht hat. Das geht, weil neben dem Raum im DRK-Heim auch eine Küche ist. Toll für Sachs war auch der Abend mit den Besuchshunden, denn viele der Behinderten haben Angst vor Hunden und manche sind dabei über sich hinausgewachsen. Stefan zum Beispiel hat sich am Schluss sogar überwunden, einen kleinen Hund auf den Schoss zu nehmen. Darauf waren alle stolz.
Sachs und Sing würden sich freuen, wenn sich weitere Ehrenamtliche für den Dienstagstreff fänden. Zwar stellen sie ihre Arbeit immer beim Markt der Möglichkeiten beim Sozialführerschein vor, aber der Erfolg war bisher nicht berauschend.
Die wenigsten wollten abends noch einmal aus dem Haus, bedauert Sachs. Angst vor dem Umgang mit den Behinderten brauche man nicht haben. „Wir erbringen keine Pflegeleistungen.“Der einzige Rollstuhlfahrer hat bei den Treffen eine Betreuung dabei. Und Vorkenntnisse brauche man auch nicht: „Wir sind alle keine Sozialpädagogen.“