Europa muss Christen helfen
Die kleinen Nadelstiche schmerzen am heftigsten: In der Nähe der nordirakischen Millionenstadt Mossul boykottiert ein muslimischer Chefarzt die Zusammenarbeit mit der christlichen Gemeinde, die einen Krankenwagen zur Verfügung stellen kann. Im ehemals christlichen Karakosch in der Ninive-Ebene muss eine Ordensgemeinschaft um ihr Kloster kämpfen, das sie erst an die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) und dann an militante Islamisten verloren hat. Zwei Beispiele von Tausenden, die aus dem Nahen Osten berichtet werden.
Zwar mag der IS militärisch besiegt sein, aber die Verfolgung der Christen in Syrien, auch durch türkische Truppen, und die Schwäche der irakischen Regierung, die den Fanatikern mit ihrer Zermürbungstaktik das Feld überlässt, hat fatale Folgen. Der schiitische Bogen, der den Libanon, Syrien, Irak und Iran umfasst, schließt sich zusehends. Der christlichen Gemeinschaft droht, dass sie in der Weltregion, wo sie ihre ältesten Wurzeln hat, aufgerieben wird. Dort, wo vor 2000 Jahren christliches Leben begann, könnte es bald enden. Damit stirbt auch die religiöse Vielfalt im Nahen Osten, die vor allem auf den Gebieten der Bildung und des Gesundheitswesens stets prägend für ganze Gesellschaften war.
Die Christen im Westen schauen fast gleichgültig zu, wie in der „Wiege der Christenheit“zwei Jahrtausende eigener Tradition zu Ende gehen. Dabei zeigen Beispiele wie der Freispruch für die pakistanische Christin Asia Bibi, die wegen angeblicher Blasphemie zum Tod verurteilt worden war, dass energische Interventionen Erfolg haben können. Die Bundesregierung mit ihren Initiativen für Religionsfreiheit wird im Nahen und Mittleren Osten gehört. Aber die europäischen Partner, die so gerne und so oft die Werte des christlichen Abendlandes für eigene Zwecke heranziehen, halten sich vornehm zurück. Bei ihnen Solidarität mit den Glaubensschwestern und -brüdern einzufordern, sollte für die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die aus der Partei mit dem „C“für „christlich“kommt, eine ihrer ersten Aufgaben sein.