Schule im Armenviertel gehört zu den besten im Land
In Costa do Sol bekommen arme Kinder eine Chance – In der Hauptstadt herrscht Aufbruchstimmung
- „Beste Schule.“Nur den wirklich guten Schulen verleiht Mosambik diese Auszeichnung. Die Gemeinschaftsschule Costa do Sol in einem Armenviertel am Rande der Landeshauptstadt Maputo darf diesen Titel tragen. Seit vielen Jahren wird diese Schule von der Deutsch-Mosambikanischen Gesellschaft (DMG) finanziell gefördert. Den jährlichen Besuch des Präsidenten der Gesellschaft, Siegfried Lingel, feiert die Schule daher ganz groß.
Es nieselt, als Lingel eintrifft. Der Weg zur Schule führt über mehrere Seitengassen. Geteerte Straßen? Gibt es. Aber nicht hier. Alles nur Sand. Lediglich vor der Schule lässt die Stadt die Straße gerade mit Betonsteinen pflastern. Immerhin, es geschieht etwas, wenn auch nur langsam.
Der vorläufige Ausgang der Wahlen Mitte Oktober lässt viele Mosambikaner auf bessere Zeiten hoffen, denn die Regierungspartei Frelimo um Staatspräsident Filipe Nyusi hat einen haushohen Sieg eingefahren. Beim Wie allerdings kommen Fragen auf. Denn dieses Ergebnis hat selbst Insider überrascht, zumal die oppositionelle Renamo in Bezirken, die bislang von ihr dominiert wurden, klar unterlegen ist. Es heißt, das Ergebnis sei in einigen Gegenden manipuliert worden. Doch die meisten Menschen in dem immer noch vom Bürgerkrieg gekennzeichneten Land wollen keine neuen Auseinandersetzungen. Deshalb nehmen sie das Ergebnis hin. Für die Mosambikaner bildet der Staat ohnehin nur den gesetzlichen Rahmen, innerhalb dessen sie sich ziemlich frei bewegen.
Müll, der zu etwas nütze ist
In der Schule selbst ist von alledem nichts zu spüren. Es ist ein Festtag. Denn der Aalener Siegfried Lingel, zugleich Honorargeneralkonsul, ist gekommen. Darauf haben sich die 350 Schülerinnen und Schüler mitsamt den Lehrerinnen und Lehrern bestens vorbereitet. Dieses Jahr ist es kein ganz normaler Besuch des Präsidenten der DMG. Es gibt etwas zu feiern. Die DMG hat der Schule ein neues Gebäude finanziert. Damit kann sie ihr Bildungsangebot um eine achte und neunte Klasse erweitern. Was sie alles drauf haben, zeigen die Kinder und Jugendlichen in den nächsten zwei Stunden. Der Schulleiter, einst selbst Schüler seiner Schule und damit Vorbild für weitere Schülergenerationen, führt Lingel übers Gelände. In einem der neuen Klassenzimmer zeigen die Schülerinnen und Schüler, dass Müll nicht immer Müll sein muss, sondern dass er durchaus noch zu allerlei Nützlichem taugt. Ideenreich sind die Arbeiten und zeugen von einer großen Kreativität.
Noch während Lingel die Arbeiten besichtigt, marschieren draußen singend Schülergruppen auf. Jede Gruppe trägt ein T-Shirt in einer anderen Regenbogenfarbe. Die Kinder und Jugendlichen
drücken damit ihre Sehnsucht nach Frieden aus. Den Bürgerkrieg in Mosambik, der zum totalen wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes führte, haben sie nicht selbst erlebt. Aber unter den Folgen leiden sie. Das afrikanische Land gehört zu den ärmsten Ländern dieser Welt. Erst 1992 einigten sich die zerstrittenen Parteien auf ein Friedensabkommen.
In Häusern, die Ruinen gleichen
Während in der Hauptstadt Maputo eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren ist, hausen in dem eine Flugstunde entfernten Beira die Menschen überwiegend in kleinen Hütten oder in Häusern, die eher Ruinen gleichen und mit anständigen Wohnungen wenig gemein haben. Straßen, soweit es sie nach europäischen Maßstäben überhaupt gibt, sind mit Schlaglöchern übersät. Was noch einigermaßen intakt war, haben die Zyklone „Idai“und „Kenneth“im Frühjahr weggefegt. Mittlerweile sind die meisten Hütten wohl notdürftig geflickt. Aber einen wirklichen Schutz vor der bald beginnenden Regenzeit bieten sie nicht.
Anders Maputo. Hier wird in großem Stil gebaut. Neue Stadtviertel entstehen und verdrängen die Hüttendörfer. In Maputo, das zeitweise im Verkehr zu ersticken droht, herrscht Aufbruchstimmung. Banken und Einkaufsmärkte nach europäischem Vorbild wachsen aus dem Boden.
Das Leben pulsiert und spielt sich zumeist im Freien ab. Ob in Beira oder in Maputo – am Straßenrand wird alles für den täglichen Bedarf und mehr gehandelt. Obst, Gemüse, Schuhe, Holz, allerlei Plastikteile und natürlich Kleidungsstücke. Was nicht mehr gebraucht wird, werfen die Mosambikaner einfach an Ort und Stelle weg. Überall liegt Müll, in dem die Ärmsten nach Brauchbarem stochern.
Um aus diesem Elend herauszukommen, reichen der 1992 abgeschlossene Friedensvertrag und neue Häuser nicht. Es braucht Bildung und zwar auch für die Menschen in den
Armenvierteln und in den Dörfern. Daher rührt das jahrzehntelange Engagement der DMG. Mittlerweile unterstützt die Deutsch-Mosambikanischen Gesellschaft über 20 Bildungsprojekte von Vorschulen über Handwerkerschulen bis hin zur medizinischen Fakultät der katholischen Universität in Beira. Die Schule in Costa do Sol gehört dazu.
Die Kinder der sechsten Klasse singen „I feel wonderful“und wiegen sich dabei im Rhythmus der Musik. Sie haben Glück. Sie dürfen eine der von der Gesellschaft finanzierten Schulen besuchen. Die Dankbarkeit, die sie Lingel entgegenbringen, ist spürbar ehrlich gemeint. Diese Herzlichkeit ist genauso beim Besuch der Frauenarbeitsschule in Matola Rio, einem Ort eine halbe Stunde von Maputo entfernt, zu spüren. Obwohl die Menschen nur wenig haben, geben sie noch. Sie überhäufen ihre Besucher mit Geschenken.
Frauen in Selbstständigkeit führen
In dieser Schule lernen Frauen im Alter zwischen zwölf und 53 Jahren und neuerdings etliche Männer das Schneidern. Was sie gelernt haben, stellen sie beim Besuch Lingels in einer Modenschau vor. Laufsteg haben sie dafür keinen. Im nach einem Regenguss aufgeweichten Sandboden vor der kleinen Nähwerkstatt machen sie dennoch ein blendende Figur und die Wahl des schönsten Kleidungsstücks fällt Lingel und seinen Begleitern sichtlich schwer. Bemerkenswert bei diesem Projekt: Ein taubstummes und ein gehörloses Mädchen sind voll integriert. Ziel dieses Ausbildungsprojekts ist, Frauen in die Selbstständigkeit zu führen. Davon, dass dies gelingt, berichten zwei frühere Schülerinnen. Sie haben mittlerweile ihre eigene Nähstube.
An der Schule Costa do Sol haben Ehemalige einen Verein gegründet. Sie wollen die Lehrer unterstützen, damit die „beste Schule“noch besser wird. Die jungen Mosambikaner arbeiten an einer besseren Zukunft. Die Deutsch-Mosambikanischen Gesellschaft unterstützt sie dabei.