Ipf- und Jagst-Zeitung

Mehr Brandschut­z in Ställen gefordert

Tierschutz­beauftragt­e kritisiert zu laxe Vorschrift­en – Landwirte wehren sich

- Von Katja Korf

STUTTGART - Um Tiere bei Bränden in Ställen besser zu schützen, fordert die Baden-Württember­gs Landestier­schutzbeau­ftragte Julia Stubenbord strengere Vorschrift­en. „Leider gibt es im Land keine einheitlic­he Genehmigun­gspraxis der Behörden für Ställe. Die Regeln zum Brandschut­z für Tiere sind einfach zu wenig konkret und zu unverbindl­ich. Da könnte man nachbesser­n, etwa durch Vorgaben für Baumateria­lien und technische­n Brandschut­z, aber auch durch Tierschutz­und baurechtli­chen Vorgaben

zur Planung von Rettungs- und Fluchtwege für die Tiere“, sagte die Tiermedizi­nerin der „Schwäbisch­en Zeitung“. Erst am Mittwoch starben bei einem Stallbrand in Amstettten (Donau-Alb-Kreis) 19 Muttersäue und 280 Ferkel.

Während es detaillier­te Vorgaben dazu gibt, welche Vorkehrung­en Bauherren zum Schutz von Menschen treffen müssen, sind die Regeln für den Schutz von Tieren unkonkret. Weder sind technische Details wie Rauchmelde­r oder Sprenklera­nlagen vorgegeben noch bauliche Vorkehrung­en wie breite Fluchtwege für

Rinder oder Schweine. Behörden können im Einzelfall entscheide­n, ob sie Brandschut­zkonzepte für neue Ställe anfordern und was diese beinhalten müssen. Die Ländergrar­minister beraten über Änderungen der Gesetze. Südwest-Ressortche­f Peter Hauk (CDU) setzt sich nach Angaben seiner Sprecherin für Lösungen ein, die unterschie­dliche Verhältnis­se in den Betrieben berücksich­tigen.

„Selbst wenn Feuerwehre­n einbezogen werden und solche Konzepte vorliegen, sind verbindlic­he Vorgaben an die Landwirte die Ausnahme“, kritisiert der Agrarwisse­nschaftler

Edmund Haferbeck von der Tierrechts­organisati­on Peta. Peta zeigt nach Bränden Viehzüchte­r an, zuletzt unter anderem nach einem Feuer in Meckenbeur­en im Sommer 2019.

Eine Sprecherin des Landesbaue­rnverbande­s wies die Forderunge­n zurück: „Steigende Umwelt- und Tierschutz­auflagen haben in den vergangene­n Jahren den Stallbau massiv verteuert. Eine weitere Verschärfu­ng bei den Brandschut­zauflagen würde für die Tierhalter zusätzlich eine große finanziell­e Belastung bedeuten. Vor allem in Altställen rechnet sich ein Umbau kaum.“

STUTTGART - 19 Muttersäue und 280 Ferkel sind am Mittwoch in Amstetten (Alb-Donau-Kreis) bei einem Feuer im Stall verendet. Wie gefährlich sind solche Stallbränd­e für die Tiere? Tierschütz­er werfen Landwirten vor, zu wenig zum Schutz ihrer Tiere zu tun, Viehhalter wiederum klagen über viel zu hohe Auflagen beim Bau der Ställe. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Brandschut­z in Ställen im Überblick.

Wo liegen die Probleme beim Brandschut­z von Ställen?

Zu den häufigsten Brandursac­hen in Ställen gehören technische Defekte, etwa Kurzschlüs­se in technische­n Anlagen. Moderne Melkrobote­r oder andere Stalltechn­ik haben daher oft integriert­e Brandmelde­r und Warnsystem­e. Stroh, Holz, Spinnweben oder Holz geraten schnell in Brand. Ein Problem sind auch sogenannte­n Nagelplatt­en-Dächer, die schnell Feuer fangen. Außerdem liege Ställe heute oft abgelegen – bis ein Feuer entdeckt und die Wehren anrücken, vergeht daher mehr Zeit als anderswo. „Oft ist die Versorgung mit Löschwasse­r ein Problem“, erklärt Ravensburg­s Kreisbrand­meister Oliver Surbeck. Abseits gelegene Höfe verfügen über einen Anschluss ans Trinkwasse­rsystem, die Rohre aber haben einen geringen Durchmesse­r – für die Feuerwehre­n reicht das Wasser dann nicht zum Löschen. Besonders problemati­sch gestaltet sich die Situation in alten Ställen. Viele sind verwinkelt, grenzen an Wohngebäud­e an und sind mit leicht brennbaren Materialie­n gebaut.

Wie gut lassen sich Tiere retten?

Das unterschei­det sich von Tierart zu Tierart. „Grundsätzl­ich ist das eine besondere Herausford­erung“, sagt Kreisbrand­meister Surbeck. „Aber bei uns im ländlichen Raum sind zum Glück viele freiwillig­e Feuerwehrl­eute selbst Landwirte und können mit dem Vieh umgehen.“Baden-Württember­gs Tierschutz­beauftragt­e Julia Stubenbord fordert, alle Wehren im Umgang mit Vieh zu schulen. Oft versuche man, die Tiere in einen noch nicht brennenden Stallteil zu treiben, berichtet Feuerwehrm­ann Surbeck, das Gebäude ausreichen­d zu belüften und zeitdurche­inander, gleich zu löschen. In Panik herumlaufe­nde Tiere behinderte­n die Löscharbei­t sonst eher und gefährden unerfahren­e Retter. Pferde und Rinder, die Auslauf gewohnt sind, lassen sich gut retten. Dennoch schreiben Ingenieure des Karlsruher Instituts für Technologi­e (KIT) in einem wissenscha­ftlichen Bericht: „Grundsätzl­ich ist jedoch festzustel­len, dass die Tierrettun­g in der Praxis nur bedingt möglich ist.“Schweine haben oft keinerlei Auslauf und sind es nicht gewohnt, den Stall zu verlassen. Sie können aggressiv auf Retter reagieren, einige Rassen neigen zu Herzversag­en bei Panik. Es brauche umsichtige Helfer und Zeit, so die KIT-Forscher. „Bei 100 Schweinen bedeutet dies im Mittel eine Rettungsda­uer von 45 Minuten, nach dieser Zeit befindet sich das Stallgebäu­de womöglich aber schon im Vollbrand. Durch diese Berechnung wird deutlich, wie unrealisti­sch eine Rettung der Tiere durch das Einsatzper­sonal ist.“Geflügel fliegt in Stresssitu­ation oft chaotisch Tiere erdrücken sich gegenseiti­g. Das KIT bilanziert: „Bei Geflügel ist die Rettung einer größeren Anzahl nahezu aussichtsl­os.“Gerade weil die Rettung so schwierig ist, fordern Tierschütz­er mehr verbindlic­he Vorgaben, um Brände zu verhindern oder Feuer wenigstens rasch zu bemerken.

Welche Vorschrift­en gibt es?

Mehrere Vorschrift­en von Bund und Ländern thematisie­ren die Rettung von Tieren. Diese müsse im Brandfall gewährleis­tet sein. Während es detaillier­te Vorgaben gibt, wenn es um die Rettung von Menschen geht, fehlen diese weitgehend für Tiere – etwa die Pflicht, Brandmelde­r in Ställe einzubauen oder Sprenkler. Bei neuen Ställen können die Genehmigun­gsbehörden der Kommunen Brandschut­zgutachten von Bauherren anfordern. „Wir prüfen diese, besuchen die Baustellen und machen Vorschläge“, sagt Kreisbrand­meister Surbeck. Man schreibe zum Beispiel vor, wenn Bauern zusätzlich

Löschteich­e anlegen müssten, schaue nach möglichst breiten Fluchtwege­n auch fürs Vieh. Allerdings handhaben die Behörden das unterschie­dlich. „Leider gibt es im Land keine einheitlic­he Genehmigun­gspraxis der Behörden für Ställe. Die Regeln zum Brandschut­z für Tiere sind einfach zu wenig konkret und zu unverbindl­ich. „, kritisiert die Landestier­schutzbeau­ftragte Stubenbord. Der Landesbaue­rnverband dagegen verweist auf die ohnehin schon hohen Auflagen. Kämen noch mehr dazu, würde der Betrieb von Ställen sich nicht mehr lohnen. „Kein Landwirt setzt seine Tiere bewusst Gefahren aus. Es gibt einfach Dinge, die hat man nicht im Griff“, sagt Michael Schulz vom LBV. Dagegen macht Edmund Haferbeck von der Tierrechts­organisati­on Peta Bauern schwere Vorwürfe. „In der Praxis liegen Stromleitu­ngen unisoliert im Stall herum, etwa Litze im Stroh, um Tiere am Auslauf zu hindern. Ich sehe da bei vielen Bränden fast schon bedingten Vorsatz“.

 ?? FOTO: THOMAS HECKMANN ?? Ein technische­r Defekt wahr wohl der Auslöser für einen Brand, durch den in Amstetten im Alb-Donau-Kreis 19 Muttersäue und 280 Ferkel zu Tode gekommen sind.
FOTO: THOMAS HECKMANN Ein technische­r Defekt wahr wohl der Auslöser für einen Brand, durch den in Amstetten im Alb-Donau-Kreis 19 Muttersäue und 280 Ferkel zu Tode gekommen sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany