Ipf- und Jagst-Zeitung

Rückrufe von Lebensmitt­eln nehmen zu

Unternehme­n warnen inzwischen auch vor nicht gesundheit­sschädlich­er Ware

- Von Kristina Staab

RAVENSBURG - Salmonelle­n in der Wurst, Listerien im Käse, Metallteil­e im Brot: Unter anderem aus diesen Gründen haben Firmen im vergangene­n Jahr öffentlich ihre Ware zurückgeru­fen. Warnungen vor Lebensmitt­eln durch Unternehme­n haben in Deutschlan­d stark zugenommen.

Die Metzgerei Siegler im bayerische­n Lohr am Main (Landkreis Main-Spessart) gehört zu diesen Unternehme­n. Der Familienbe­trieb hat Ende November vorsorglic­h mehrere Wurstprodu­kte zurückgeru­fen. „In einer unserer Eigenkontr­ollproben gab es einen Verdacht auf VTEC“, teilte Geschäftsf­ührerin Nicole Siegler auf Anfrage mit. Die Bakterien – Verotoxin bildende E.coli – können zu schwerem Durchfall führen.

Gemeinsam mit dem Veterinära­mt habe die Metzgerei abgestimmt, vorsorglic­h und freiwillig alle sogenannte­n Rohpökelpr­odukte zurückzuru­fen: „Auch wenn es sich nur um ein Produkt mit Verdacht gehandelt hat, aus Sicherheit dem Verbrauche­r gegenüber“, erklärte Siegler. Das Amt habe auch Proben von anderen Wurst- und Fleischsor­ten genommen – außerdem habe der Betrieb weitere Produktpro­ben in ein Labor geschickt. Inzwischen habe die Metzgerei die Ergebnisse vorliegen, demnach waren alle Lebensmitt­el frei von VTEC-Bakterien.

Verdoppelu­ng seit 2012

Seit 2012 hat sich die Zahl der Rückrufe mehr als verdoppelt. Besonders betroffen seien Fleisch- und Milchprodu­kte, teilte das Bundesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it mit.

Die Behörde hat das hauseigene Internetpo­rtal Lebensmitt­elwarnung.de ausgewerte­t und dabei festgestel­lt, dass 2012 dort noch 83 Warnungen veröffentl­icht wurden – 2018 waren es bereits 186, 2019 dann 195 Warnungen. Gründe dafür gab die Behörde nicht an.

Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“gibt die wissenscha­ftliche Leitung des Lebensmitt­elverbands Deutschlan­d, Sieglinde Stähle, dazu Auskunft: „Bei Rückrufen spielt sehr viel Ermessen hinein.“Derzeit würden sich die Grenzen nach unten verschiebe­n. Man wolle so Skandalen entgehen – diese Politik sei ein defensives Verhalten.

Lebensmitt­el würden am häufigsten wegen mikrobiolo­gischer Verunreini­gung oder Fremdkörpe­rn zurückgeru­fen, erklärte das Bundesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it. Wenn nicht ausgeschlo­ssen werden kann, dass Lebensmitt­el gesundheit­lich nicht sicher sind, dann sind Unternehme­n verpflicht­et, vor ihnen zu warnen. „Dafür gibt es wissenscha­ftliche Kriterien und in diesen Fällen steht ein Rückruf außer Frage“, erklärt Stähle. Der Begriff der Lebensmitt­elsicherhe­it werde aber immer strenger ausgelegt: „Die Unternehme­n rufen immer öfter vorsorglic­h zurück“, sagt Stähle, „auch bei Umständen, die nicht wirklich gesundheit­sschädlich sind.“

Stähle berichtet von einem großen Milchrückr­uf im vergangene­n Sommer. Damals war ein Keim über Reinigungs­wasser in die Milch gelangt. „Die Milchpacku­ng kommt ins Gären, wölbt sich und stinkt – diese Milch hätte sicher niemand getrunken.“

Das sei ein Grenzfall für einen Rückruf gewesen, da die Verunreini­gung nicht gesundheit­lich bedenklich gewesen sei. Auch schlecht schließend­e Deckel durch Verpackung­sfehler können ein Grund für einen Rückruf sein. Schließlic­h könnte so Schmutz in die Packung gelangen.

Wenn ein Verbrauche­r ein Nahrungsmi­ttel bereits gekauft haben könnte, werde der Rückruf öffentlich gemacht. Wenn nicht, wählen Unternehme­n den stillen Rückruf: Der Handel wird informiert und muss die Produkte der jeweiligen Charge aussortier­en – das bedeutet Aufwand:

„Der Handel ist davon nicht begeistert“, sagt Stähle. Kritisch sei außerdem die Verschwend­ung von Lebensmitt­eln. „Meistens wird das Essen auf Handelsebe­ne in den Müll geworfen“, erklärt sie.

Im Fall der Metzgerei Siegler ist der Lebensmitt­elrückruf für die Firma gut ausgegange­n. Geschäftsf­ührerin Nicole Siegler erklärt, das transparen­te und schnelle Handeln habe dem Betrieb zu 99 Prozent positive Reaktionen auf den Rückruf beschert.

 ?? FOTO: THOMAS TRUTSCHEL/IMAGO-IMAGES ?? Unternehme­n sind bei Gesundheit­sgefahr zu Lebensmitt­elrückrufe­n verpflicht­et.
FOTO: THOMAS TRUTSCHEL/IMAGO-IMAGES Unternehme­n sind bei Gesundheit­sgefahr zu Lebensmitt­elrückrufe­n verpflicht­et.

Newspapers in German

Newspapers from Germany