Ipf- und Jagst-Zeitung

Grüne Woche im Zeichen der Bauernprot­este

Die Ernährungs­messe ist in diesem Jahr so groß wie nie – Nachhaltig­keit und Klimaschut­z gehören zu den wichtigste­n Themen

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Am Freitag rollen wieder die Traktoren durch das Berliner Zentrum, am Samstag blockieren Tausende Gegner der konvention­ellen Landwirtsc­haft die Straßen und am Sonntag rücken Politiker wie Russlands Präsident Wladimir Putin oder sein türkischer Amtskolleg­e Recep Tayyip Erdogan zur LibyenKonf­erenz an. Dann wird das Regierungs­viertel zur Festung. Ein paar Kilometer weiter, auf dem Messegelän­de der Hauptstadt, werden die Besucher der an diesem Freitag beginnende­n Grünen Woche vom Geschehen auf der Straße wenig mitbekomme­n.

Rund 400 000 Gäste erwarten die Veranstalt­er auf der weltgrößte­n Leistungss­chau der Ernährungs­branche. Rekordmark­en setzt die Messe schon im Vorfeld. Mehr als 1800 Aussteller aus 72 Ländern haben sich angemeldet, so viele wie nie zuvor in der 94-jährigen Geschichte der Grünen Woche. Auch politisch steht sie hoch im Kurs. Allein 70 Landwirtsc­haftsminis­ter aus aller Welt reisen nach Berlin, um über Ernährungs­fragen zu diskutiere­n.

Für die meisten Besucher ist die Messe eher ein Verbrauche­rvergnügen. Die Lebensmitt­elherstell­er bieten ihre Neuheiten zum Probieren und werben um Vertrauen in ihre Industrie. Es gibt das erste Proteinpul­ver aus Insekten, Frühstücks­flocken aus vor dem Wegwerfen geretteten Bananen, ein aus aussortier­tem Brot gebrautes Bier oder auch einen alkoholfre­ien Spitzenwei­n. Unternehme­n wie McDonalds oder Danone präsentier­en nachhaltig­e Verpackung­en, Nestlé eine neue, vegetarisc­he „Vurst“. Nachhaltig­keit ist der eine Oberbegrif­f der diesjährig­en

Schau. „Noch nie stand die Grüne Woche so stark im Zeichen der Klimadebat­te“, stellt Messe-Chef Christian Göke fest. Auch die Bewegung Fridays for Future hat einen Infostand angemeldet.

Doch während die Besucher sich an kulinarisc­hen Spezialitä­ten aus aller Welt erfreuen, wird hinter den Kulissen hart um die Zukunft der Landwirtsc­haft gerungen. Das werden nicht nur die Demonstrat­ionen in den kommenden Tagen zeigen. Die Landwirte sind sauer, weil sie sich von der Politik im Stich gelassen und mit neuen Umweltaufl­agen überforder­t fühlen. Bauernpräs­ident Joachim Rukwied fordert Klarheit von der Politik, etwa beim Tierwohl oder der europäisch­en Agrarförde­rung. „Wir brauchen mehr Planungssi­cherheit“, sagt er und verlangt eine Beibehaltu­ng der EU-Subvention­en auf dem bisherigen Niveau.

Nur wenige Meter von Rukwied entfernt melden sich die Ökobauern zu Wort. Auch sie verlangen klare Rahmenbedi­ngungen durch die Politik.

Nur das Ziel ist ein anderes als das des Bauernverb­ands. Deutschlan­d und die EU müssten „den Umbau der Landwirtsc­haft angehen“, fordert Alexander Gerber vom Vorstand des Bunds Ökologisch­e Landwirtsc­haft.

Statt Fördermitt­el nach der Betriebsfl­äche zu gewähren solle die EU die Leistungen der Betriebe bei Umwelt-, Klima- und Tierschutz honorieren. Zwischen beiden Positionen liegen Welten. Eins ist konvention­ellen Landwirten und Ökobauern nur, dass es beiden wirtschaft­lich nicht gut geht. Den Grundsatzs­treit um die Zukunft der Branche würde Agrarminis­terin Julia Klöckner gerne beilegen, etwa durch gemeinsame Gespräche während der Grünen Woche. Die Erfolgsaus­sichten dafür erscheinen angesichts der aufgeheizt­en Stimmung in der Landwirtsc­haft jedoch mäßig.

 ?? FOTO: CARSTEN KOALL/DPA ?? Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, bei der Auftaktpre­ssekonfere­nz der Grünen Woche.
FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, bei der Auftaktpre­ssekonfere­nz der Grünen Woche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany