Grüne Woche im Zeichen der Bauernproteste
Die Ernährungsmesse ist in diesem Jahr so groß wie nie – Nachhaltigkeit und Klimaschutz gehören zu den wichtigsten Themen
BERLIN - Am Freitag rollen wieder die Traktoren durch das Berliner Zentrum, am Samstag blockieren Tausende Gegner der konventionellen Landwirtschaft die Straßen und am Sonntag rücken Politiker wie Russlands Präsident Wladimir Putin oder sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan zur LibyenKonferenz an. Dann wird das Regierungsviertel zur Festung. Ein paar Kilometer weiter, auf dem Messegelände der Hauptstadt, werden die Besucher der an diesem Freitag beginnenden Grünen Woche vom Geschehen auf der Straße wenig mitbekommen.
Rund 400 000 Gäste erwarten die Veranstalter auf der weltgrößten Leistungsschau der Ernährungsbranche. Rekordmarken setzt die Messe schon im Vorfeld. Mehr als 1800 Aussteller aus 72 Ländern haben sich angemeldet, so viele wie nie zuvor in der 94-jährigen Geschichte der Grünen Woche. Auch politisch steht sie hoch im Kurs. Allein 70 Landwirtschaftsminister aus aller Welt reisen nach Berlin, um über Ernährungsfragen zu diskutieren.
Für die meisten Besucher ist die Messe eher ein Verbrauchervergnügen. Die Lebensmittelhersteller bieten ihre Neuheiten zum Probieren und werben um Vertrauen in ihre Industrie. Es gibt das erste Proteinpulver aus Insekten, Frühstücksflocken aus vor dem Wegwerfen geretteten Bananen, ein aus aussortiertem Brot gebrautes Bier oder auch einen alkoholfreien Spitzenwein. Unternehmen wie McDonalds oder Danone präsentieren nachhaltige Verpackungen, Nestlé eine neue, vegetarische „Vurst“. Nachhaltigkeit ist der eine Oberbegriff der diesjährigen
Schau. „Noch nie stand die Grüne Woche so stark im Zeichen der Klimadebatte“, stellt Messe-Chef Christian Göke fest. Auch die Bewegung Fridays for Future hat einen Infostand angemeldet.
Doch während die Besucher sich an kulinarischen Spezialitäten aus aller Welt erfreuen, wird hinter den Kulissen hart um die Zukunft der Landwirtschaft gerungen. Das werden nicht nur die Demonstrationen in den kommenden Tagen zeigen. Die Landwirte sind sauer, weil sie sich von der Politik im Stich gelassen und mit neuen Umweltauflagen überfordert fühlen. Bauernpräsident Joachim Rukwied fordert Klarheit von der Politik, etwa beim Tierwohl oder der europäischen Agrarförderung. „Wir brauchen mehr Planungssicherheit“, sagt er und verlangt eine Beibehaltung der EU-Subventionen auf dem bisherigen Niveau.
Nur wenige Meter von Rukwied entfernt melden sich die Ökobauern zu Wort. Auch sie verlangen klare Rahmenbedingungen durch die Politik.
Nur das Ziel ist ein anderes als das des Bauernverbands. Deutschland und die EU müssten „den Umbau der Landwirtschaft angehen“, fordert Alexander Gerber vom Vorstand des Bunds Ökologische Landwirtschaft.
Statt Fördermittel nach der Betriebsfläche zu gewähren solle die EU die Leistungen der Betriebe bei Umwelt-, Klima- und Tierschutz honorieren. Zwischen beiden Positionen liegen Welten. Eins ist konventionellen Landwirten und Ökobauern nur, dass es beiden wirtschaftlich nicht gut geht. Den Grundsatzstreit um die Zukunft der Branche würde Agrarministerin Julia Klöckner gerne beilegen, etwa durch gemeinsame Gespräche während der Grünen Woche. Die Erfolgsaussichten dafür erscheinen angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Landwirtschaft jedoch mäßig.