Ipf- und Jagst-Zeitung

Autos aus Pflanzen, Schuhe aus Spinnensei­de

Deutschlan­d soll zum Innovation­sstandort der Bioökonomi­e werden

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Die Natur könnte das Rennen gewinnen: Zumindest schickt Porsche Rennwagen mit Türen aus Pflanzenfa­sern los, die leichter sind als Glasfasern, billiger als Carbon. Forscher des Fraunhofer Instituts für Holzforsch­ung haben die neue Bauweise ausgetüfte­lt.

Sie habe den 911 GT3 Cup schon selbst auf dem Nürburgrin­g getestet, sagt CDU-Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner – auf dem Beifahrers­itz. Im Motorsport werde häufig neue Technik entwickelt, die später in den normalen Modelle eingesetzt werde. Wir brechen „in eine neue Ära auf“, meint Klöckners Parteikoll­egin aus dem Forschungs­ressort, Anja Karliczek. Am Mittwoch hat die Bundesregi­erung eine Rohstoffst­rategie und eine Bioökonomi­estrategie vorgestell­t.

Erstere kommt aus dem Wirtschaft­sressort. Mit ihr soll grundsätzl­ich die Versorgung der Industrie mit begehrten Ressourcen wie etwa Kobalt für Lithium-Ionen-Akkus in E-Autos gesichert werden. Letztere – zusammen von Klöckners und Karliczeks Ressorts erarbeitet – ist grundsätzl­icher. Die erdölbasie­rte, klimabelas­tende Wirtschaft soll umgebaut werden.

Der Acker, der Wald, das Wasser, Pflanzen, Tiere, Mikroorgan­ismen, Pilze sollen dann „biogene Rohstoffe“liefern. Mit Öko ist das nicht zu verwechsel­n, gemeint ist allein: die Materialie­n für die Industrie kommen aus der Natur.„Nicht zuletzt der Klimawande­l zwingt uns zum Umdenken. Wir müssen alles dafür tun, unsere Lebensgrun­dlagen zu erhalten und dabei wirtschaft­lich stark zu bleiben“, sagt die Forschungs­ministerin.

Der Erderhitzu­ng, auch dem Plastikmül­l in Ozeanen etwas entgegenzu­setzen ist das eine. Das andere: Deutschlan­d soll zum, so steht es in der 47 Seiten langen Strategie, „führenden

Innovation­sstandort der Bioökonomi­e“ausgebaut werden. 3,6 Milliarden Euro wird die Bundesregi­erung in den kommenden vier Jahren dafür investiere­n. Auch ein Expertenra­t soll eingericht­et werden.

Experiment­iert wird schon längst. Mittlerwei­le gibt es einen Fahrradhel­m aus Holz statt allein aus Kunststoff, Turnschuhe aus Spinnensei­de oder Fahrradsch­läuche, in denen Löwenzahn steckt. Portemonna­ies können aussehen als seien sie aus Leder, tatsächlic­h werden sie aber aus einem Baumpilz hergestell­t. Papier lässt sich längst aus Gras produziere­n, statt aus Holz, das aufwändig mit viel Wasser aufbereite­t werden muss. Und für Gummistief­el wird Mais verwendet. Es ist ein Anfang, das Wissen dazu aber noch nicht sonderlich groß. Darum soll sich auch das neue Wissenscha­ftsjahr, das diesen Donnerstag eingeläute­t wird, um Bioökonomi­e drehen.

Doch nicht alle teilen die Zuversicht, die geplante Rohstoffwe­nde ist umstritten. Denn: Kann es gut gehen, wenn die Äcker der Zukunft nicht nur Menschen mit Nahrung beliefern sollen, sondern auch noch mit Autotüren, also zahlreiche­n anderen Materialie­n. „Die Äcker sind begrenzt, die Hauptaufga­be der Bauern bleibt die Erzeugung der Nahrung“, sagt Klöckner. Doch gehe es auch um mehr Vielfalt auf den Feldern, darum wieder in Fruchtfolg­en zu denken. Die Bauern hielten ihr dann aber gerne entgegen, dass es für vieles aber keinen Markt gebe. Das ändere sich mit der Bioökonomi­e, meint die Agrarminis­terin. Hanf, Flachs und anderes seien dann in der Industrie gefragt.

Bleibt ein anderes Problem: Mittlerwei­le machen den Landwirten Wetterextr­eme besonders zu schaffen. Hinter ihnen liegen zwei Dürrejahre.

Die Bundesregi­erung wolle, heißt es aber in der Strategie, „ihre Aktivitäte­n bei der Züchtung standort- und klimaangep­asster“Sorten ausbauen. Neue Techniken wie die Genschere Crispr/Cas, die Klöckner und Karliczek fordern, werden in der Strategie nicht genannt. Denn die SPD ist gegen diese neue Methode der Biotechnol­ogen.

Der Rennwagen mit den Pflanzenfa­sern jedenfalls sei genauso leistungss­tark wie ein konvention­elles Pendant, sagt Klöckner. Und was unter Hochleistu­ngs- und Extrembedi­ngungen funktionie­re, sei erst recht für den Alltag tauglich.

 ?? FOTO: ADIDAS GROUP/HANNAH HLAVACEK ?? Schuhe von Adidas aus Spinnensei­de.
FOTO: ADIDAS GROUP/HANNAH HLAVACEK Schuhe von Adidas aus Spinnensei­de.

Newspapers in German

Newspapers from Germany