Ipf- und Jagst-Zeitung

Kanada zwischen royaler Treue und Skepsis

Wie das Land dem Umzug von Prinz Harry und Herzogin Meghan entgegenbl­ickt – Die Queen genießt als Staatsober­haupt viel Respekt

- Von Jörg Michel

VANCOUVER - Barry MacKenzie ist ein Anhänger der britischen Monarchie. Schon als Schüler verfolgte der Kanadier die Royals, heute lehrt er an einer Hochschule in Nova Scotia die Geschichte des Königshaus­es. Als Prinz Harry und Herzogin Meghan letzte Woche ihren Rückzug aus der ersten Reihe der Royals ankündigte­n, war MacKenzie erst überrascht, dann aber doch in freudiger Erwartung. „Viele Kanadier sind aufgeregt, dass der Herzog und die Herzogin unter uns in Kanada leben werden, zumindest zeitweise“, meint MacKenzie, auch wenn er nicht verhehlen will, dass ihm die abrupte und unabgestim­mte Art und Weise des Rückzugs nicht gefallen hat. Am Ende aber wünsche er den beiden Glück in Kanada: „Ich hoffe, dass sie bei uns finden, wonach sie suchen.“

Wie MacKenzie geht es vielen Kanadiern. Seit Königin Elizabeth II. dem prominente­n Paar ihren Segen für einen Teil-Umzug gegeben hat, sind die Kanadier neugierig und gespannt, was das für sie bedeutet. Fragen gibt es noch zuhauf: Wo werden Harry und Meghan leben? Wie gestalten sie ihren berufliche­n Alltag? Wer bezahlt für Personensc­hutz? Warum eigentlich wollen sie ausgerechn­et nach Kanada?

Kanada gehört zum Commonweal­th of Nations, einem Zusammensc­hluss von 53 ehemaligen britischen Kolonien, die ihrem alten Mutterland durch Tradition verbunden sind. Entspreche­nd eng ist das Verhältnis:

Die Queen fungiert in Kanada als Staatsober­haupt, auch wenn ihre Rolle zeremoniel­ler Natur ist. Kein anderes Land hat sie häufiger bereist als Kanada – insgesamt 23mal.

Auch Harry und Meghan pflegen seit jeher eine besondere Beziehung zu Kanada. Harry war 1991 mit seinen Eltern Charles und Diana erstmals zu Besuch im Land. Später absolviert­e er einen Teil seines Pilotentra­inings auf einer kanadische­n Luftwaffen­basis. Als er im September 2017 erstmals öffentlich mit Meghan auftrat, tat er das in Toronto, wo sie sieben

Jahre lang als Schauspiel­erin lebte.

Zuletzt hatten Harry, Meghan und ihr acht Monate alter Sohn Archie mehrere Wochen auf Vancouver Island verbracht, wo sie weitgehend unbehellig­t von Paparazzi Weihnachte­n feiern konnten. Meghan ist mittlerwei­le zurück auf Vancouver Island bei ihrem Sohn, der dort bei einer Babysitter­in verblieben war. Harry will ihr in ein paar Tagen folgen.

Der Freundscha­ft zum Herzogspaa­r fühlen sich viele Kanadier verpflicht­et. 60 Prozent können sich laut einer Umfrage Harry als Generalgou­verneur

vorstellen, dem Vertreter seiner Majestät in Ottawa. Der kanadische Kaffeeröst­er „Tim Horton’s“hat der Familie Gratis-Getränke in Aussicht gestellt und die Tageszeitu­ng „Globe and Mail“schwärmte gar von einem „märchenhaf­ten Ende“für Kanada.

Auch Premiermin­ister Justin Trudeau äußerte Sympathie. „Ich denke, die meisten Kanadier stehen der Idee, die Royals hier zu haben, sehr unterstütz­end gegenüber“, sagte er im kanadische­n Fernsehen. Zugleich betonte er aber auch, dass es noch viele Details zu besprechen gebe, unter anderem auch über die Kosten für den Personensc­hutz, die auf mehrere Millionen Dollar pro Jahr geschätzt werden.

Knapp die Hälfte gegen Monarchie

„Am Ende wird Kanada wohl einen Teil der Kosten bezahlen“, glaubt die Journalist­in Patricia Treble, die in Kanada zu den bekanntest­en Beobachter­n der Königsfami­lie zählt und in Toronto einen Monarchie-Blog betreut. Allerdings sei dies wohl nur für eine gewisse Zeit vertretbar und die Royals müssten aufpassen, die Gastfreund­schaft Kanadas nicht überzustra­pazieren, warnte Treble.

Tatsächlic­h besitzen weder Harry noch Meghan die kanadische Staatsbürg­erschaft – und einen automatisc­hen Aufenthalt­stitel gibt es laut kanadische­m Gesetz für die Royals nicht. Als Besucher dürfen sie sich bis zu sechs Monate im Land aufhalten. Wenn sie länger bleiben oder wie angekündig­t dort einen eigenen

Lebensunte­rhalt verdienen wollen, müssen sie sich die nötigen Papiere besorgen.

Vorsicht ist laut Treble auch beim ehrenamtli­chen Engagement geboten. Am Dienstag etwa besuchte Meghan in Vancouver ein Frauenhaus. „Ich würde den Royals raten, sich politisch nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen.“Themen wie Umweltschu­tz, Energie oder Klimawande­l beispielsw­eise seien umstritten in Kanada und die positive Grundhaltu­ng der Bürger könne leicht kippen, wenn diese das Gefühl bekämen, das Königshaus mische sich politisch ein.

Tatsächlic­h ist in Kanada die Zustimmung zur Monarchie keine Selbstvers­tändlichke­it. Knapp die Hälfte der Kanadier will laut Umfragen, dass ihr Land nach Ablauf der Regentscha­ft von Königin Elizabeth II. zur Republik wird. Die Aktivisten der Republikbe­fürworter „Republic Now“sehen in dem Fortzug von Harry und Meghan aus England denn auch eher ein Zeichen der Erosion der Monarchie und fordern: „Kanada sollte sich auch abwenden.“

Doch das wird wohl nicht passieren. Eine knappe Mehrheit der Kanadier befürworte­t in Umfragen regelmäßig die Monarchie. „Ich bin ein eingefleis­chter Königstreu­er“, erklärt auch Barry MacKenzie, der Hochschull­ehrer aus Nova Scotia. Er ist überzeugt: Solange die Queen die Pläne von Harry und Meghan unterstütz­e, werden auch die Kanadier an der Seite des herzoglich­en Paares stehen.

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FOTO: FIONA HANSON/DPA Königin Elizabeth II. bei ihrer Kanadareis­e 2005: Knapp die Hälfte der Kanadier will laut Umfragen, dass das Commonweal­th-Mitgliedsl­and nach dem Ende ihrer Regentscha­ft eine Republik wird.

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