In den Tiefen des Häuschens
Jürgen Klinsmanns Trainerlizenz ist noch immer in den USA, gegen den FC Bayern wird er aber in jedem Fall auf der Bank sitzen – und will punkten
(dpa/SID) - Jürgen Klinsmann lächelte die Probleme wie immer weg. Die über Nacht hereingebrochene Debatte um eine eventuell ungültige Fußballlehrer-Lizenz wischt der Cheftrainer von Hertha BSC am Mittwoch vom Tisch. „Die Informationen, die der DFB braucht, habe ich ihm schon zugemailt“, erklärte er in einer Fan-Fragerunde auf Facebook und vermeldete „Entspannung“. Auch Größenwahnsinnsvorwürfe angesichts Klinsmanns Visionen von einem „Mega-Club“in der Hauptstadt lässt der Ex-Welt- und -Europameister nicht gelten. „Größenwahn? Es stimmt absolut nicht. Realität ist, wir sind im Abstiegskampf“, verkündete Klinsmann vor dem Start in die Rückrunde gegen den FC Bayern (Sonntag, 15.30, Sky).
Das Wiedersehen gegen seinen ExClub will er sich auch von der peinlichen Lizenzfrage nicht vermiesen lassen. „Die liegt irgendwo in meinem Häuschen in Kalifornien in irgendeiner Schublade. Die werden wir schon wieder finden“, sagte Klinsmann. „Es hat alles seine Ordnung. Das ist gar kein Problem.“
Der 55-Jährige demonstriert sieben Wochen nach seinem überraschenden Amtsantritt bei der bisher grauen Hertha also genau jene Dinge, für die Klinsmann schon immer steht. Optimismus über Schmerzgrenzen hinaus. Oft auch märchenhaft klingende Visionen. „Ich habe in Städten wie London oder Mailand gespielt, in denen die Bedeutung eines Vereins unglaublich groß ist, das hat auch Berlin verdient“, verkündete Klinsmann nochmals im Winter-Trainingscamp.
„Ich bin der Ansicht, dass Berlin und Hertha BSC eine Persönlichkeit wie ihn brauchen, um sich weiterzuentwickeln. Das kann hochgradig Sinn machen. Jetzt ist diese Konstellation eingetreten, und wir können gemeinsam am nächsten Schritt arbeiten“, sagte Michael Preetz über Klinsmann. Gleichzeitig sieht sich der Manager verantwortlich dafür, bei allen Visionen ein wenig zu bremsen.
Preetz ahnt, dass Hertha mit Klinsmann und den Millionen von Investor Lars Windhorst zu einem Drahtseilakt angesetzt hat, die Absturzhöhe ist groß. Es gehe nicht darum, „die Topclubs anzugreifen, sondern unsere neuen finanziellen Mittel so einzusetzen, dass wir uns in unserem Segment einen Vorteil erarbeiten“, sagte der Manager. Als Winterzugänge wurden in Berlin große Namen wie Mario Götze, Julian Draxler oder Granit Xhaka gehandelt. Bisher einziger Einkauf ist der Argentinier Santiago Ascacibar vom Zweitligisten VfB Stuttgart.
„Das klare Ziel ist, in den nächsten fünf Monaten nach oben zu klettern. Wenn uns das gelingt, wollen wir nächste Saison oben angreifen. Das ist absolut nichts Größenwahnsinniges, sondern etwas ganz Logisches“, sagte Klinsmann nun vor dem selbst ernannten „Mega-Spiel“gegen seinen Ex-Club, das er gewinnen will. „Gegen Bayern zu punkten ist nicht einfach. Aber warum soll es nicht gelingen?“, bemerkte Klinsmann mit Hinweis auf zuletzt vier Spiele ohne Niederlage und ein gutes Trainingslager: „Was gibt es Schöneres, als jetzt den FC Bayern zu erwarten?“Klinsmann hatte als Spieler in 84 Spielen 48 Tore für die Münchner erzielt. Vom Sommer 2008 bis April 2009 war er Bayern-Trainer.
Auch Hertha sieht keine LizenzProbleme: Bis zum Spiel seien noch ein paar Tage Zeit. Wenn nötig könne man die Situation am Spieltag regeln. Falls Klinsmann den Nachweis der Lizenz, der alle drei Jahre erneuert werden muss, nicht rechtzeitig liefert, müsste ein Assistent mit Schein das Team betreuen. Klinsmann würde trotzdem auf der Bank sitzen.