Ipf- und Jagst-Zeitung

Wie Möbelbauer Minimalism­us begegnen

Auf der Internatio­nalen Möbelmesse gibt es hochfahrba­re Tische und Teleskop-Saunen

- Von Larissa Schwedes

G(dpa) - In Köln versammeln sich wie jedes Jahr Möbelbauer aus aller Welt. In Zeiten, in denen beim Wohnen viele eher zu Minimalism­us tendieren, ist die große Frage: Was lässt sich noch verkaufen?

Jahrzehnte­lang war sie der Inbegriff des deutschen Wohnzimmer­s: die massive Schrankwan­d mit Regalen und Aussparung für den Fernseher, oft aus dunkler Eiche. Für Möbel-Hersteller eine sichere Bank, um Geld zu verdienen.

Läuft man heute über die internatio­nale Möbelmesse IMM Cologne, die jährlich Überblick über aktuelle Wohntrends gibt, sucht man solche wuchtigen Exemplare vergebens. Der Zeitgeist lautet: Weniger ist mehr. Für alle, die mit Möbeln ihr Geld verdienen wollen, nicht gerade eine gute Nachricht.

Der Umsatz der deutschen Möbelbauer wird für 2019 mit rund 18 Milliarden Euro leicht unter dem des Vorjahres liegen, wenn man der Schätzung des Verbands der Deutschen Möbelindus­trie (VDM) folgt. Dass die Branche schwierige Zeiten durchlebt, liegt jedoch nicht nur am skandinavi­sch inspiriert­en Trend zum Minimalism­us oder daran, dass Käufer im Sinne der Umwelt auf Neukäufe verzichten. Die Wahrheit ist auch: Viele Leute haben schlicht weniger Platz.

„Immer mehr Menschen zieht es in die Städte“, sagt der Geschäftsf­ührer der Kölner Messe, Gerald Böse. „Das Thema Urbanisier­ung wird uns weiter begleiten.“Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts zufolge hat der durchschni­ttliche Wohnraum pro Kopf in den sieben größten deutschen Städten zwischen 2010 und 2018 um knapp zwei Prozent auf 39,2

Quadratmet­er abgenommen – Tendenz sinkend.

Möbelbauer können sich also nicht mehr einfach darauf verlassen, dass die meisten Menschen sich eben irgendwie einrichten müssen. „Einfach nur

Möbel verkaufen funktionie­rt heute nicht mehr“, sagt VDM-Geschäftsf­ührer Jan Kurth. „Da muss man sich etwas Neues einfallen lassen.“

Um trotzdem mit Kunden, denen in Großstädte­n nur wenige Quadratmet­er Wohnraum zur Verfügung stehen, Geld zu verdienen, setzen die Hersteller auf Speziallös­ungen, wie seit Montag auf der Kölner Messe zu sehen ist.

Der Schreibtis­ch fürs Homeoffice ist an Seilen und Drähten aufgehängt und kann – auch unaufgeräu­mt – hochgefahr­en werden. „Man fährt spontan den Tisch unter die Decke, und zack – die Dinnerpart­y kann losgehen“, erklärt Christoph Flötotto, der auf der Messe das „Smart Village“betreut. Eine „Teleskop-Sauna“lässt sich nach dem Schwitzen in die Kleidersch­rankWand des Beispiel-Lofts einfahren. Der vernetzte Badezimmer-Spiegel nebenan zeigt nicht nur Gesundheit­sdaten seines Nutzers, sondern auch die aktuellen Schlagzeil­en des Tages an.

Ganz neu sind die großen Schlagwort­e der IMM Cologne – Smart Home und Nachhaltig­keit – zwar nicht mehr, trotzdem liegen weiterhin große Hoffnungen auf ihnen.

So produziert die italienisc­h-niederländ­ische Designmark­e Magis all ihre Produkte im Umkreis von 200 Kilometern, während sich der Teppich-Hersteller Rugx ein Verbot von PVC und Latex auferlegt hat. „Es geht darum, ein Produkt herzustell­en, das man für immer behalten kann“, sagt der Designer Luca Nichetto, der für die baden-württember­gische Marke Rolf Benz Polstermöb­el entwirft.

Auch andere Firmen werben mit Slogans wie „handcrafte­d for generation­s“– also „handgemach­t für Generation­en“. Dass die Kunden tatsächlic­h ein Leben lang mit einem Sofa auskommen, dürfte jedoch nicht wirklich im Interesse der Branche liegen.

„Einfach nur Möbel verkaufen funktionie­rt heute nicht mehr.“

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FOTO: COLOURBOX

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