Merz bietet sich als Wahlkämpfer an
Konferenz soll den Frieden und Deutschlands außenpolitische Ambitionen voranbringen
KREUTH (dpa) - Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat der Union angeboten, in einem Team für den kommenden Bundestagswahlkampf eine Rolle zu spielen. „Wir müssen mit der bestmöglichen Formation in die nächste Bundestagswahl gehen. Das ist nicht nur eine Person an der Spitze, das ist eine Mannschaft, und ich möchte auch in einer Mannschaft dabei sein“, sagte der CDU-Politiker am Freitag. Er sei ein „Teamplayer“.
BERLIN - Es sollte sein großer Auftritt werden. Der deutsche Außenminister vor den Vereinten Nationen, als Vorsitzender des UN-Sicherheitsrats, für einen Monat. Deutschland als das Land, das international Dinge vorantreibt. Es klappte nicht. Als der Regierungsflieger von Heiko Maas im April in New York landete, platzte ein Reifen. Und es dauerte über eine Stunde, bis der SPD-Politiker die Maschine verlassen durfte. Als er am UN-Hauptquartier ankam, hatte die Weltpolitik ohne ihn weitergemacht.
Die Episode steht sinnbildlich für die deutsche Außenpolitik. Seit dem Minsker Abkommen von 2015 hat sie in konkreten Krisen wenig bewegt. Am Sonntag nun hat sie endlich die Chance, wieder Geschichte zu schreiben: Angela Merkel hat zur Libyen-Konferenz ins Kanzleramt geladen. Sie und Maas sind zur Vorbereitung in der Welt herumgeflogen, um alle wichtigen Akteure an einen Tisch zu bringen, die in dem nordafrikanischen Land ihren Stellvertreterkrieg ausfechten. Heiko Maas flog sogar in das Bürgerkriegsland selbst, um den libyschen Rebellengeneral Chalifa Haftar persönlich einzuladen. „Unsere Botschaft ist klar: Dieser Konflikt ist für niemanden militärisch zu gewinnen“, sagte Maas.
Mehrere Präsidenten und Regierungschefs werden nach Berlin kommen: aus der Türkei, aus Russland, Frankreich und Großbritannien etwa. Sie alle eint die Sorge, dass Libyen komplett im Krieg zerfällt, dass radikale Islamisten am südlichen Rand des Mittelmeers Fuß fassen, dass die reichen Ölquellen in unsichere Hände fallen, dass Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern unkontrolliert nach Europa strömen. Ein zweites Syrien, diesmal noch näher an Europa dran.
Libyen – das war lange Zeit ein Bollwerk in Nordafrika. Eine Diktatur zwar, aber eine, mit der sich der Westen lange Zeit arrangiert hatte. Machthaber Muammar al-Gaddafi hielt den Europäern die afrikanischen Probleme vom Hals, im Gegenzug ließen sie ihn in Ruhe. Das änderte sich im Jahr 2011 als eine westliche Allianz dabei half, Gaddafi zu entmachten.
Nach dessen Tod rutschte das Land ins Chaos. Die international anerkannte Einheitsregierung von Fayiz al-Sarradsch wurde vom Parlament nie anerkannt. Um das Land zu stabilisieren, ließ er sich mit zumeist islamistischen Milizen und Stammeskämpfern ein, die heute große Teile seiner Armee ausmachen. Militärische Unterstützung erhielt er anfangs aus Katar, inzwischen auch aus der Türkei, das sich im Gegenzug den Zugriff auf Gasfelder im Mittelmeer sicherte. Und aus Rom kann er sich ebenfalls politischer Rückendeckung sicher sein. Denn das italienische Ölunternehmen Eni fördert knapp die Hälfte des libyschen Erdöls. Außerdem hängt die Regierung am Abkommen mit Libyens Küstenwache, die Flüchtlinge von der Überfahrt übers Mittelmeer abhält.
Währenddessen baute der abtrünnige Gaddafi-General Haftar sich im Osten des Landes eine Söldnerarmee auf und marschierte erfolgreich in Richtung Hauptstadt. Einige Vororte von Tripolis hat er schon besetzt. Sein Ziel ist die Machtergreifung und die Vertreibung der Islamisten, die enge Kontakte zu den Muslimbrüdern pflegen. Seinen Feldzug führt er nicht allein. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen ihn dabei, Ägypten auch. Den Führern der drei Länder sind die Muslimbrüder verhasst. Außerdem wollen sie Einfluss in Nordafrika behalten, genauso wie Frankreich, das hinter ihm steht.
Anfangs hatte Haftar die Unterstützung der USA. Das wandelte sich, als im vergangenen Herbst plötzlich Söldner des russischen Unternehmens Wagner zu Hunderten sein Heer auffüllten – auch Kremlchef Wladimir Putin versucht, in der Region einen Fuß in die Tür zu bekommen. So, wie es ihm bereits in Syrien gelungen ist.
Entlang dieser Linien verlaufen gegenwärtig die Fronten. Eine Feuerpause, welche die Türkei und Russland vermittelt hatten, wurde wegen des Widerstands Haftars zunächst nicht in einen formellen Waffenstillstand umgewandelt, hält aber weitgehend.
Die Leidtragenden des Konflikts sind vor allem Zivilisten. Im Laufe des Konflikts sind bereits Hunderttausende vertrieben worden. Der Sprecher des UN-Menschenrechtskommissariats, Rupert Colville, betonte bereits Ende vergangenen Jahres: „Wir sind besorgt über die sich verschlechternde Menschenrechtslage in Libyen.“Im Jahr 2019 hätten die UN mindestens 284 tote Zivilisten und 363 Verletzte als Folge des bewaffneten Konflikts gezählt – ein Viertel mehr als im Jahr zuvor. Die meisten starben bei Luftangriffen, andere durch Sprengfallen, Entführungen und Morde.
Unter diesen Umständen hat die Bundesregierung die Erwartungen an die Berliner Konferenz schon heruntergefahren. Es gehe vor allem darum, die Mächte hinter den Akteuren an einen Tisch zu bekommen, heißt es im Auswärtigen Amt. Deutschland wolle den Weg zu Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen ebnen. Eine bessere Durchsetzung des Waffenembargos gälte schon als Erfolg.
Der Libyen-Gesandte der UN, Ghassan Salamé, der mit Generalsekretär Antonio Guterres in Berlin sein wird, machte bereits klar: „Wir brauchen einen Minimalkonsens. Von Berlin muss das starke Signal an die Libyer ausgehen, dass der Konflikt nicht mehr allein eine Sache der Libyer ist.“