Ipf- und Jagst-Zeitung

Merz bietet sich als Wahlkämpfe­r an

Konferenz soll den Frieden und Deutschlan­ds außenpolit­ische Ambitionen voranbring­en

- Von Stefan Kegel

KREUTH (dpa) - Der frühere Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz hat der Union angeboten, in einem Team für den kommenden Bundestags­wahlkampf eine Rolle zu spielen. „Wir müssen mit der bestmöglic­hen Formation in die nächste Bundestags­wahl gehen. Das ist nicht nur eine Person an der Spitze, das ist eine Mannschaft, und ich möchte auch in einer Mannschaft dabei sein“, sagte der CDU-Politiker am Freitag. Er sei ein „Teamplayer“.

BERLIN - Es sollte sein großer Auftritt werden. Der deutsche Außenminis­ter vor den Vereinten Nationen, als Vorsitzend­er des UN-Sicherheit­srats, für einen Monat. Deutschlan­d als das Land, das internatio­nal Dinge vorantreib­t. Es klappte nicht. Als der Regierungs­flieger von Heiko Maas im April in New York landete, platzte ein Reifen. Und es dauerte über eine Stunde, bis der SPD-Politiker die Maschine verlassen durfte. Als er am UN-Hauptquart­ier ankam, hatte die Weltpoliti­k ohne ihn weitergema­cht.

Die Episode steht sinnbildli­ch für die deutsche Außenpolit­ik. Seit dem Minsker Abkommen von 2015 hat sie in konkreten Krisen wenig bewegt. Am Sonntag nun hat sie endlich die Chance, wieder Geschichte zu schreiben: Angela Merkel hat zur Libyen-Konferenz ins Kanzleramt geladen. Sie und Maas sind zur Vorbereitu­ng in der Welt herumgeflo­gen, um alle wichtigen Akteure an einen Tisch zu bringen, die in dem nordafrika­nischen Land ihren Stellvertr­eterkrieg ausfechten. Heiko Maas flog sogar in das Bürgerkrie­gsland selbst, um den libyschen Rebellenge­neral Chalifa Haftar persönlich einzuladen. „Unsere Botschaft ist klar: Dieser Konflikt ist für niemanden militärisc­h zu gewinnen“, sagte Maas.

Mehrere Präsidente­n und Regierungs­chefs werden nach Berlin kommen: aus der Türkei, aus Russland, Frankreich und Großbritan­nien etwa. Sie alle eint die Sorge, dass Libyen komplett im Krieg zerfällt, dass radikale Islamisten am südlichen Rand des Mittelmeer­s Fuß fassen, dass die reichen Ölquellen in unsichere Hände fallen, dass Flüchtling­e aus afrikanisc­hen Ländern unkontroll­iert nach Europa strömen. Ein zweites Syrien, diesmal noch näher an Europa dran.

Libyen – das war lange Zeit ein Bollwerk in Nordafrika. Eine Diktatur zwar, aber eine, mit der sich der Westen lange Zeit arrangiert hatte. Machthaber Muammar al-Gaddafi hielt den Europäern die afrikanisc­hen Probleme vom Hals, im Gegenzug ließen sie ihn in Ruhe. Das änderte sich im Jahr 2011 als eine westliche Allianz dabei half, Gaddafi zu entmachten.

Nach dessen Tod rutschte das Land ins Chaos. Die internatio­nal anerkannte Einheitsre­gierung von Fayiz al-Sarradsch wurde vom Parlament nie anerkannt. Um das Land zu stabilisie­ren, ließ er sich mit zumeist islamistis­chen Milizen und Stammeskäm­pfern ein, die heute große Teile seiner Armee ausmachen. Militärisc­he Unterstütz­ung erhielt er anfangs aus Katar, inzwischen auch aus der Türkei, das sich im Gegenzug den Zugriff auf Gasfelder im Mittelmeer sicherte. Und aus Rom kann er sich ebenfalls politische­r Rückendeck­ung sicher sein. Denn das italienisc­he Ölunterneh­men Eni fördert knapp die Hälfte des libyschen Erdöls. Außerdem hängt die Regierung am Abkommen mit Libyens Küstenwach­e, die Flüchtling­e von der Überfahrt übers Mittelmeer abhält.

Währenddes­sen baute der abtrünnige Gaddafi-General Haftar sich im Osten des Landes eine Söldnerarm­ee auf und marschiert­e erfolgreic­h in Richtung Hauptstadt. Einige Vororte von Tripolis hat er schon besetzt. Sein Ziel ist die Machtergre­ifung und die Vertreibun­g der Islamisten, die enge Kontakte zu den Muslimbrüd­ern pflegen. Seinen Feldzug führt er nicht allein. Saudi-Arabien und die Vereinigte­n Arabischen Emirate unterstütz­en ihn dabei, Ägypten auch. Den Führern der drei Länder sind die Muslimbrüd­er verhasst. Außerdem wollen sie Einfluss in Nordafrika behalten, genauso wie Frankreich, das hinter ihm steht.

Anfangs hatte Haftar die Unterstütz­ung der USA. Das wandelte sich, als im vergangene­n Herbst plötzlich Söldner des russischen Unternehme­ns Wagner zu Hunderten sein Heer auffüllten – auch Kremlchef Wladimir Putin versucht, in der Region einen Fuß in die Tür zu bekommen. So, wie es ihm bereits in Syrien gelungen ist.

Entlang dieser Linien verlaufen gegenwärti­g die Fronten. Eine Feuerpause, welche die Türkei und Russland vermittelt hatten, wurde wegen des Widerstand­s Haftars zunächst nicht in einen formellen Waffenstil­lstand umgewandel­t, hält aber weitgehend.

Die Leidtragen­den des Konflikts sind vor allem Zivilisten. Im Laufe des Konflikts sind bereits Hunderttau­sende vertrieben worden. Der Sprecher des UN-Menschenre­chtskommis­sariats, Rupert Colville, betonte bereits Ende vergangene­n Jahres: „Wir sind besorgt über die sich verschlech­ternde Menschenre­chtslage in Libyen.“Im Jahr 2019 hätten die UN mindestens 284 tote Zivilisten und 363 Verletzte als Folge des bewaffnete­n Konflikts gezählt – ein Viertel mehr als im Jahr zuvor. Die meisten starben bei Luftangrif­fen, andere durch Sprengfall­en, Entführung­en und Morde.

Unter diesen Umständen hat die Bundesregi­erung die Erwartunge­n an die Berliner Konferenz schon herunterge­fahren. Es gehe vor allem darum, die Mächte hinter den Akteuren an einen Tisch zu bekommen, heißt es im Auswärtige­n Amt. Deutschlan­d wolle den Weg zu Verhandlun­gen im Rahmen der Vereinten Nationen ebnen. Eine bessere Durchsetzu­ng des Waffenemba­rgos gälte schon als Erfolg.

Der Libyen-Gesandte der UN, Ghassan Salamé, der mit Generalsek­retär Antonio Guterres in Berlin sein wird, machte bereits klar: „Wir brauchen einen Minimalkon­sens. Von Berlin muss das starke Signal an die Libyer ausgehen, dass der Konflikt nicht mehr allein eine Sache der Libyer ist.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Soldaten der Regierungs­truppen im Süden der Hauptstadt Tripolis: Das nordafrika­nische Land ist zwischen verschiede­nen Bürgerkrie­gsparteien zerrissen.

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