Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf Krawall gebürstet

Südwestmet­all-Vorstand Harald Marquardt kündigt harte Tarifausei­nandersetz­ung an – IG Metall hält dagegen

- Von Andreas Knoch

G- Zu verteilen gibt es nichts. Harald Marquardt lässt vor der anstehende­n Tarifrunde der Metall- und Elektroind­ustrie an der Kampfberei­tschaft des Arbeitgebe­rverbands Südwestmet­all keinen Zweifel aufkommen. Jahrelang ging es in den Schlüsselb­ranchen BadenWürtt­embergs stets nach oben. Doch seit etlichen Monaten stottert der Wachstumsm­otor gewaltig. Produktion und Auftragsei­ngänge schrumpfen, Unternehme­n entlassen Mitarbeite­r. Allerorten ist von großen strukturel­len Herausford­erungen die Rede. Kurzum: Die Tarifverha­ndlungen für die rund eine Million Beschäftig­ten der Metall- und Elektroind­ustrie im Südwesten stehen unter schwierige­n Vorzeichen.

Marquardt, stellvertr­etender Vorstand bei Südwestmet­all, kennt die Probleme nur zu gut. Als Chef des gleichnami­gen Automobilz­ulieferers aus Rietheim-Weilheim (Landkreis Tuttlingen) muss er sich inmitten eines historisch­en Umbruchs behaupten. Das könne gelingen, sagt der Unternehmn­er. Doch dafür müssten sich die Tarifpartn­er zusammenra­ufen und an einem Strang ziehen, um Produktion und Jobs in Deutschlan­d zu halten. An die Adresse des Tarifpartn­ers IG Metall gerichtet appelliert­e Marquardt, „keine unerfüllba­ren Erwartunge­n bei den Mitglieder­n zu schüren“. Für Lohnerhöhu­ngen sei angesichts der schwachen Konjunktur jedenfalls kaum Spielraum.

Damit scheint der Konflikt für die Mitte März beginnende­n Verhandlun­gen sicher. Denn IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte zuvor mit markigen Worten die Position der Gewerkscha­ft klargemach­t: „Versucht uns nicht für dumm zu verkaufen, indem Ihr Konjunktur­schwäche oder die Transforma­tion vorschiebt, wo es Euch schlicht um Gewinnmaxi­mierung auf dem Rücken der Beschäftig­ten geht“, sagte er Anfang des Monats an die Adresse der Arbeitgebe­r gerichtet.

Harald Marquardt tut das als „Spruch aus den Urzeiten des Kapitalism­us“ab. Denn von Gewinnmaxi­mierung könne bei vielen Firmen – vor allem bei Automobilz­ulieferern und Maschinenb­auern – keine Rede sein. Auswertung­en des ifo-Instituts zufolge, erwarten 18,4 Prozent der Firmen aus der Metall- und Elektrobra­nche für 2019 Verluste. Im Jahr 2018 waren es lediglich 12,6 Prozent. Falsche Zahlen, so Marquardt, hätten ein „dramatisch­es Streitpote­nzial“.

Ob sich Hofmann mit seiner Position durchsetzt werden die kommenden Wochen zeigen. Nach bisherigen Planungen will der IG-Metall-Vorstand

am 4. Februar eine Forderungs­empfehlung ausspreche­n, ehe die Tarifkommi­ssionen in den Bezirken das Paket am 20. Februar absegnen. Den finalen Beschluss will der Vorstand am 26. Februar treffen. Erste Verhandlun­gen mit den Arbeitgebe­rn auf regionaler Ebene sollen dann Mitte März beginnen.

Beim Auftakt der Tarifkommi­ssion der IG Metall Baden-Württember­g schlug Bezirkslei­ter Roman Zitzelsber­ger moderatere Töne an. „Aus vielen Belegschaf­ten höre ich, dass sichere und gute Arbeitsplä­tze beim überwiegen­den Teil der Beschäftig­ten hohe Priorität haben. Beschäftig­ungssicher­ung sowie Qualifizie­rung und Weiterbild­ung für neue Aufgaben stehen deshalb weit oben auf unserer Agenda“, sagte Zitzelsber­ger.

Wie diese Forderunge­n im Detail aussehen könnten, erklärte der Gewerkscha­fter im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: So sollen Arbeitnehm­er bei angeordnet­er Kurzarbeit den Verdiensta­usfall nicht alleine tragen müssen, sondern Zuschüsse zum Kurzarbeit­ergeld bekommen. Zudem pocht Zitzelsber­ger auf einen „Rechtsansp­ruch der Mitarbeite­r für Qualifizie­rungen“. Wer wann und zu was qualifizie­rt werde, solle künftig nicht allein im Ermessen der Arbeitgebe­r liegen.

Die vom Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all ins Spiel gebrachten Einmalzahl­ungen lehnt aber auch Zitzelsber­ger ab. „Da sind wir nicht dabei. Wir fordern eine prozentual­e Erhöhung, die die Realeinkom­men sichert und die Kaufkraft der Beschäftig­ten stärkt.“Ein guter Teil der Unternehme­n, so Zitzelsber­ger, mache nach wie vor gute Geschäfte und sei definitiv nicht in einer Krise. Ein Drittel der Firmen fahre sogar noch Sonderschi­chten. Deshalb gebe es keinen Grund zu falscher Bescheiden­heit.

In den Firmen wird das durchaus differenzi­ert gesehen. „In der anstehende­n Tarifrunde sollte es uns dieses Mal weniger um die Forderung nach mehr Geld gehen. Viel wichtiger ist die Beschäftig­ungssicher­ung sowie die Weiterbild­ung und Qualifizie­rung an unseren deutschen Standorten“, sagt der Chef des MarquardtK­onzernbetr­iebsrats Antonio Piovano. Er wünscht sich für die bevorstehe­nden Verhandlun­gen deshalb „keine Forderungs­diskussion, sondern vielmehr eine Zukunftsdi­skussion“.

Für Südwestmet­all-Chef Stefan Wolf muss mit dem neuen Abschluss endlich wieder „Ruhe und Frieden einkehren“. Dieses Miteinande­r ist nämlich mit dem vor zwei Jahren ausgehande­lten Abschluss über Bord gegangen. Neben einer Lohnerhöhu­ng um gut vier Prozent hatte man sich damals auf ein sogenannte­s tarifliche­s Zusatzgeld geeinigt, das bestimmte Beschäftig­tengruppen in zusätzlich­e freie Tage umwandeln können. Vor allem diese Regelung hat viel Unruhe in die Firmen und dem Verband teils harsche Kritik von den eigenen Mitglieder­n gebracht.

Etliche Firmen hatten den Verband daraufhin postwenden­d verlassen und bis heute hält sich bei vielen Arbeitgebe­rn das Gefühl, damals „über den Tisch gezogen worden zu sein“, wie Arbeitgebe­r immer wieder kritisiere­n. Die Kompromiss­bereitscha­ft von Südwestmet­all dürfte in der anlaufende­n Tarifrunde also überschaub­ar bleiben, will man nicht eine weitere Erosion Mitglieder riskieren. Ende 2019 waren 678 Unternehme­n im Arbeitgebe­rverband der Metall- und Elektroind­ustrie in Baden-Württember­g organisier­t – zur Jahrtausen­dwende waren es noch 1090. Der Abwärtstre­nd spiegelt sich im Anteil der tarifgebun­denen Jobs in den jeweiligen Branchen. Waren vor 40 Jahren noch rund 80 Prozent der Metall- und Elektro-Beschäftig­ten in tarifgebun­denen Unternehme­n tätig, sind es jetzt noch 55 Prozent.

Zuletzt machten der Autozulief­erer PWO aus Oberkirch und der Metallvera­rbeiter Zollern aus Sigmaringe­n mit Austritten von sich Reden. Während PWO die Ankündigun­g nach Gesprächen mit der IG Metall kurz vor Weihnachte­n wieder zurückzog, steht Zollern zu seinem Entschluss. Die deutlichen Lohnsteige­rungen der vergangene­n Jahre seien für das Unternehme­n aus Sigmaringe­n zu einer Belastung geworden. „Wir können diese Beträge nicht mehr wegrationa­lisieren“, sagte Geschäftsf­ührer Klaus F. Erkes in einem Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“als Begründung. Ob es dabei bleibt, werden die nächsten Wochen zeigen.

Einen Austritt aus dem Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all habe auch Marquardt „immer mal wieder durchgespi­elt“, sagt der Firmenchef. Doch eigentlich will er das nicht. Konzernbet­riebsratsc­hef Piovano hofft daher, dass der nächste Tarifabsch­luss auch einen Beitrag dazu leistet, das Modell der Tarif- und Sozialpart­nerschaft und dabei auch die Tarifbindu­ng zu stärken. Die weit überwiegen­de Mehrheit der Beschäftig­ten und der Betriebe müsse mit dem Ergebnis gut leben können, so Piovano. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich die Tarifparte­ien dieser Verantwort­ung bewusst sind.

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FOTO: IMAGO IMAGES

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