Marionetten zwischen Mord und Mundraub
Museum der Augsburger Puppenkiste befasst sich mit Verbrechen
G(KNA) - So einen Zeugen dürften die Polizisten das erste Mal vor sich gehabt haben: Vor fast 20 Jahren tauchte ein gewisser Casimir Quallus auf einem Augsburger Kriminalrevier auf. Die Beamten hatten ihn auf Bitten der Staatsanwaltschaft im westfälischen Hagen zur Vernehmung geladen, nachdem bei dieser eine Anzeige gegen die Ennepetaler Wählergemeinschaft eingegangen war, unterschrieben von besagtem Quallus. Der Vorwurf: Die Wählergemeinschaft habe ein Puppenspiel auf illegale Weise durch Parteispenden finanziert. Klar, dass Herr Quallus derlei nicht durchgehen lassen wollte – schließlich war er selbst eine Marionette, eine aus der Augsburger Puppenkiste.
Offenkundig war die Justiz auf einen Scherz hereingefallen. „Angaben zur Sache“, wie es so schön heißt, konnte Casimir Quallus jedenfalls keine machen, ebenso wenig wie Puppenkistenchef Klaus Marschall, an dessen Adresse die Vorladung versandt worden war und der seine Figur damals sozusagen als Vormund zur Anhörung begleitete.
Wer für diesen Schabernack verantwortlich zeichnet, wurde nie geklärt. Sicher aber ist: Dieser Täter zählt zu den sympathischsten unter all jenen, die das Augsburger Puppentheatermuseum „die Kiste“in seiner neuen Ausstellung zeigt. Das Haus präsentiert derzeit „Gesucht wird … Kriminalgeschichten auf der Puppenbühne“. Zur Erklärung für das Thema heißt es vom Museum: „Geschichten und Berichte über Verbrechen faszinieren Menschen schon immer. Das Thema Schuld und Sühne und die Frage nach den Ursachen des Bösen im Menschen sind grundlegende Motive – spätestens seit der Geschichte von Kain und Abel.“
Und so versammelt die Schau nun 150 Marionetten, Hand- und Stabpuppen und zwei Papiertheaterszenen aus Deutschland, Italien und den USA. Die meist mit sichtbarem Aufwand etwa aus Holz, Echthaar und Glas gearbeiteten Figuren sind in liebevoll arrangierten SchaukastenSzenen dargestellt, die von Texttafeln, Video- und Audiostationen erklärt werden. Hinzu kommen Dutzende weiterer Exponate wie Falschgeld und Handschellen, außerdem Bilder und Filme. Die Ausstellungsstücke zeigen die ganze Bandbreite der Kriminalität, von halbwegs harmlos bis horribel.
So gibt es klassische KinderbuchBekanntheiten wie Räuber Hotzenplotz und Ali Baba samt seiner 40 Spießgesellen zu bestaunen. Ferner die „Kirschbaumbande“, eine Gruppe Kinder, die sich auf Mundraub aus Nachbars Obstbaum spezialisiert hat.
Auch der „Bayerische Hiasl“ist vertreten. So wurde der 1736 im schwäbischen Kissing geborene Matthäus Klostermayr genannt, ein Wilderer, Räuber und Mörder, der als „deutscher Robin Hood“zur Legende wurde, weil er – selbst aus niedersten Verhältnissen stammend – seine Beute mit Armen geteilt haben soll. 1771 wurde der „Hiasl“hingerichtet. Womöglich aber lebt er bis heute fort: Angeblich diente er Schiller als Vorbild für den Karl Moor im berühmten Drama „Die Räuber“.
Mehr oder minder kindgerechte Gestalten wie Hotzenplotz und „Hiasl“werden prominent in großen Vitrinen vorgestellt. Nicht so der Mehrfachmörder Fritz Haarmann. Über diese „Bestie von Hannover“informiert die Ausstellung nur die erwachsenen Besucher per entsprechend hoch hängendem Poster an einer Wand über bekannte Verbrecher. Haarmann ermordete Anfang der 1920er-Jahre aus sexuellen Motiven mindestens 24 junge Männer; hinterher zerstückelte er die Leichen per Beil und Kartoffelschälmesser. Nachdem ihm der Prozess gemacht worden war, starb Haarmann 1925 durchs Fallbeil.
Eine Exekution kann man in der „Kiste“nun natürlich nicht erproben, dafür aber eine Gefängniszelle betreten. Weitere Mitmach-Stationen laden zum Sich-blitzen-Lassen wegen zu schnellen Vorbeigehens ein und auch dazu, sich wie ein Festgenommener erkennungsdienstlich fotografieren zu lassen. Außerdem wird ein Begleitprogramm an ausgewählten Terminen geboten. Dabei gibt es Detektiv-Workshops für Kinder sowie Vorträge zu Themen wie Cybermobbing und Trickdiebstahl. Das ist sicher keine schlechte Idee. Nicht jede Polizei-Ermittlung ist ja so grundlos wie im Falle Casimir Quallus.