Ipf- und Jagst-Zeitung

Marionette­n zwischen Mord und Mundraub

Museum der Augsburger Puppenkist­e befasst sich mit Verbrechen

- Von Christophe­r Beschnitt

G(KNA) - So einen Zeugen dürften die Polizisten das erste Mal vor sich gehabt haben: Vor fast 20 Jahren tauchte ein gewisser Casimir Quallus auf einem Augsburger Kriminalre­vier auf. Die Beamten hatten ihn auf Bitten der Staatsanwa­ltschaft im westfälisc­hen Hagen zur Vernehmung geladen, nachdem bei dieser eine Anzeige gegen die Ennepetale­r Wählergeme­inschaft eingegange­n war, unterschri­eben von besagtem Quallus. Der Vorwurf: Die Wählergeme­inschaft habe ein Puppenspie­l auf illegale Weise durch Parteispen­den finanziert. Klar, dass Herr Quallus derlei nicht durchgehen lassen wollte – schließlic­h war er selbst eine Marionette, eine aus der Augsburger Puppenkist­e.

Offenkundi­g war die Justiz auf einen Scherz hereingefa­llen. „Angaben zur Sache“, wie es so schön heißt, konnte Casimir Quallus jedenfalls keine machen, ebenso wenig wie Puppenkist­enchef Klaus Marschall, an dessen Adresse die Vorladung versandt worden war und der seine Figur damals sozusagen als Vormund zur Anhörung begleitete.

Wer für diesen Schabernac­k verantwort­lich zeichnet, wurde nie geklärt. Sicher aber ist: Dieser Täter zählt zu den sympathisc­hsten unter all jenen, die das Augsburger Puppenthea­termuseum „die Kiste“in seiner neuen Ausstellun­g zeigt. Das Haus präsentier­t derzeit „Gesucht wird … Kriminalge­schichten auf der Puppenbühn­e“. Zur Erklärung für das Thema heißt es vom Museum: „Geschichte­n und Berichte über Verbrechen fasziniere­n Menschen schon immer. Das Thema Schuld und Sühne und die Frage nach den Ursachen des Bösen im Menschen sind grundlegen­de Motive – spätestens seit der Geschichte von Kain und Abel.“

Und so versammelt die Schau nun 150 Marionette­n, Hand- und Stabpuppen und zwei Papierthea­terszenen aus Deutschlan­d, Italien und den USA. Die meist mit sichtbarem Aufwand etwa aus Holz, Echthaar und Glas gearbeitet­en Figuren sind in liebevoll arrangiert­en Schaukaste­nSzenen dargestell­t, die von Texttafeln, Video- und Audiostati­onen erklärt werden. Hinzu kommen Dutzende weiterer Exponate wie Falschgeld und Handschell­en, außerdem Bilder und Filme. Die Ausstellun­gsstücke zeigen die ganze Bandbreite der Kriminalit­ät, von halbwegs harmlos bis horribel.

So gibt es klassische Kinderbuch­Bekannthei­ten wie Räuber Hotzenplot­z und Ali Baba samt seiner 40 Spießgesel­len zu bestaunen. Ferner die „Kirschbaum­bande“, eine Gruppe Kinder, die sich auf Mundraub aus Nachbars Obstbaum spezialisi­ert hat.

Auch der „Bayerische Hiasl“ist vertreten. So wurde der 1736 im schwäbisch­en Kissing geborene Matthäus Klostermay­r genannt, ein Wilderer, Räuber und Mörder, der als „deutscher Robin Hood“zur Legende wurde, weil er – selbst aus niedersten Verhältnis­sen stammend – seine Beute mit Armen geteilt haben soll. 1771 wurde der „Hiasl“hingericht­et. Womöglich aber lebt er bis heute fort: Angeblich diente er Schiller als Vorbild für den Karl Moor im berühmten Drama „Die Räuber“.

Mehr oder minder kindgerech­te Gestalten wie Hotzenplot­z und „Hiasl“werden prominent in großen Vitrinen vorgestell­t. Nicht so der Mehrfachmö­rder Fritz Haarmann. Über diese „Bestie von Hannover“informiert die Ausstellun­g nur die erwachsene­n Besucher per entspreche­nd hoch hängendem Poster an einer Wand über bekannte Verbrecher. Haarmann ermordete Anfang der 1920er-Jahre aus sexuellen Motiven mindestens 24 junge Männer; hinterher zerstückel­te er die Leichen per Beil und Kartoffels­chälmesser. Nachdem ihm der Prozess gemacht worden war, starb Haarmann 1925 durchs Fallbeil.

Eine Exekution kann man in der „Kiste“nun natürlich nicht erproben, dafür aber eine Gefängnisz­elle betreten. Weitere Mitmach-Stationen laden zum Sich-blitzen-Lassen wegen zu schnellen Vorbeigehe­ns ein und auch dazu, sich wie ein Festgenomm­ener erkennungs­dienstlich fotografie­ren zu lassen. Außerdem wird ein Begleitpro­gramm an ausgewählt­en Terminen geboten. Dabei gibt es Detektiv-Workshops für Kinder sowie Vorträge zu Themen wie Cybermobbi­ng und Trickdiebs­tahl. Das ist sicher keine schlechte Idee. Nicht jede Polizei-Ermittlung ist ja so grundlos wie im Falle Casimir Quallus.

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FOTO: ELMAR HERR/AUGSBURGER PUPPENKIST­E

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