Von Badern und Quacksalbern, Bärten und Blasensteinen
In Speyer werden in der „Medicus“-Ausstellung Unikate aus fünf Jahrtausenden Medizingeschichte gezeigt
G(KNA) - Die Stele mit einer Darstellung des Gottes Horus wurde mit Wasser übergossen und dieses anschließend getrunken. Das sollte, so hofften die Menschen im alten Ägypten, heilsam sein, vor allem bei Schlangenbissen und Skorpionstichen. Im antiken Mesopotamien sollte ein Amulett die Fieber bringende Dämonin Lamaschtu in Schach halten. Und im Mittelalter versprachen die christlichen Heiligen Genesung von Krankheit und Leiden: der heilige Blasius etwa bei Halsschmerzen, die heilige Margareta bei Geburtskomplikationen.
„Das Zusammenspiel von Glaube, Aberglaube und Medizin lässt sich überall in der Geschichte beobachten“, erklärt Johanna Kätzel vom Historischen Museum der Pfalz in Speyer. Dort läuft die Sonderausstellung „Medicus – Die Macht des Wissens“. Sie beleuchtet bis zum 21. Juni 2020 die Entwicklung des medizinischen Fortschritts vom Altertum bis zur
Gegenwart. Wobei Heilung, Glaube und Magie eng zusammenhingen, wie Wolfgang Leitmeyer, wissenschaftlicher Kurator der Ausstellung, betont. „Ohne Religion ist die Medizin nicht denkbar.“
Ausgangspunkt der Schau ist der Bestsellerroman „Der Medicus“von Noah Gordon. Er erzählt die Geschichte des Arztes Rob Cole, der im 11. Jahrhundert in London aufwächst und dessen medizinischer Wissensdurst ihn auf eine abenteuerliche Reise nach Persien führt. Und die Speyerer Ausstellung beginnt dort, von wo auch Rob Cole aufbricht: bei den Badern und Quacksalbern. Neben den Klöstern, die im Mittelalter antikes Heilwissen sammelten und die medizinische Versorgung abdeckten, zogen Heilkundige durch die Dörfer, sie schnitten Bärte und Haare, brannten aber auch Wunden aus oder zogen Zähne.
Von diesem mittelalterlichen Marktplatz mit einem nachgebauten Gefährt eines Baders geht es ins alte Ägypten und zur mesopotamischen Heilkunde. Dort berichten Tontafeln von Rezepten zur Behandlung verschiedener Krankheiten wie Migräne und Fieber – aber auch Hilfe gegen Haarausfall wird versprochen. Neben
Beschwörern und Sehern waren im alten Ägypten bereits Fachkundige aktiv, die Grundkenntnisse etwa über die Wirkung bestimmter Heilpflanzen besaßen.
Keine Ausstellung über die Medizin kommt an der griechischen Heilkunde vorbei, die als Grundlage der modernen Medizin gilt – mit dem Arzt Hippokrates als geistigem Vater. Zentrale Lehre ist hier die von den vier Säften: Blut, Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle. Nur wenn die Zusammensetzung dieser Substanzen im Körper ausgewogen ist, bleibt der Mensch gesund, so die Vorstellung. „Dieses Konzept hat sich lange gehalten, bis weit ins 18. Jahrhundert“, erklärt Museumsdirektor Alexander Schubert.
Zu den Behandlungsmethoden gehörten daher Schröpfkuren ebenso wie Aderlässe und Einläufe, die sich im 17. Jahrhundert gar zu einer Modeerscheinung entwickelten. Blutschüsseln, dekoriert mit dem Heiligen Georg als Drachentöter, sowie Einlaufinstrumente dokumentieren diesen Teil der Medizingeschichte.
Die Objekte, die als Grabbeigaben gefunden wurden, beweisen, dass es in der Medizingeschichte aber auch immer wieder praktisch zuging: Da wurden mit Knochenhebern Brüche behandelt, Blasensteine mit Messern entfernt und mit Nadeln getrübte Linsen im Auge weggedrückt. „Aber längst nicht alle überlebten die Eingriffe“, hält Ausstellungsmacherin Kätzel fest.
Mit moderner Digitaltechnik weckt die Ausstellung derweil Persönlichkeiten der Medizingeschichte zu neuem Leben, sodass Besucher mit ihnen ins Gespräch kommen können. Und am Ende stellt der ebenfalls digitalisierte Kabarettist und Arzt Eckart von Hirschhausen die Frage, ob nicht auch heute, allem medizinischen Fortschritt zum Trotz, immer auch ein Stück Glaube zur Heilung gehört.