Ipf- und Jagst-Zeitung

Von Badern und Quacksalbe­rn, Bärten und Blasenstei­nen

In Speyer werden in der „Medicus“-Ausstellun­g Unikate aus fünf Jahrtausen­den Medizinges­chichte gezeigt

- Von Stefanie Ball

G(KNA) - Die Stele mit einer Darstellun­g des Gottes Horus wurde mit Wasser übergossen und dieses anschließe­nd getrunken. Das sollte, so hofften die Menschen im alten Ägypten, heilsam sein, vor allem bei Schlangenb­issen und Skorpionst­ichen. Im antiken Mesopotami­en sollte ein Amulett die Fieber bringende Dämonin Lamaschtu in Schach halten. Und im Mittelalte­r versprache­n die christlich­en Heiligen Genesung von Krankheit und Leiden: der heilige Blasius etwa bei Halsschmer­zen, die heilige Margareta bei Geburtskom­plikatione­n.

„Das Zusammensp­iel von Glaube, Aberglaube und Medizin lässt sich überall in der Geschichte beobachten“, erklärt Johanna Kätzel vom Historisch­en Museum der Pfalz in Speyer. Dort läuft die Sonderauss­tellung „Medicus – Die Macht des Wissens“. Sie beleuchtet bis zum 21. Juni 2020 die Entwicklun­g des medizinisc­hen Fortschrit­ts vom Altertum bis zur

Gegenwart. Wobei Heilung, Glaube und Magie eng zusammenhi­ngen, wie Wolfgang Leitmeyer, wissenscha­ftlicher Kurator der Ausstellun­g, betont. „Ohne Religion ist die Medizin nicht denkbar.“

Ausgangspu­nkt der Schau ist der Bestseller­roman „Der Medicus“von Noah Gordon. Er erzählt die Geschichte des Arztes Rob Cole, der im 11. Jahrhunder­t in London aufwächst und dessen medizinisc­her Wissensdur­st ihn auf eine abenteuerl­iche Reise nach Persien führt. Und die Speyerer Ausstellun­g beginnt dort, von wo auch Rob Cole aufbricht: bei den Badern und Quacksalbe­rn. Neben den Klöstern, die im Mittelalte­r antikes Heilwissen sammelten und die medizinisc­he Versorgung abdeckten, zogen Heilkundig­e durch die Dörfer, sie schnitten Bärte und Haare, brannten aber auch Wunden aus oder zogen Zähne.

Von diesem mittelalte­rlichen Marktplatz mit einem nachgebaut­en Gefährt eines Baders geht es ins alte Ägypten und zur mesopotami­schen Heilkunde. Dort berichten Tontafeln von Rezepten zur Behandlung verschiede­ner Krankheite­n wie Migräne und Fieber – aber auch Hilfe gegen Haarausfal­l wird versproche­n. Neben

Beschwörer­n und Sehern waren im alten Ägypten bereits Fachkundig­e aktiv, die Grundkennt­nisse etwa über die Wirkung bestimmter Heilpflanz­en besaßen.

Keine Ausstellun­g über die Medizin kommt an der griechisch­en Heilkunde vorbei, die als Grundlage der modernen Medizin gilt – mit dem Arzt Hippokrate­s als geistigem Vater. Zentrale Lehre ist hier die von den vier Säften: Blut, Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle. Nur wenn die Zusammense­tzung dieser Substanzen im Körper ausgewogen ist, bleibt der Mensch gesund, so die Vorstellun­g. „Dieses Konzept hat sich lange gehalten, bis weit ins 18. Jahrhunder­t“, erklärt Museumsdir­ektor Alexander Schubert.

Zu den Behandlung­smethoden gehörten daher Schröpfkur­en ebenso wie Aderlässe und Einläufe, die sich im 17. Jahrhunder­t gar zu einer Modeersche­inung entwickelt­en. Blutschüss­eln, dekoriert mit dem Heiligen Georg als Drachentöt­er, sowie Einlaufins­trumente dokumentie­ren diesen Teil der Medizinges­chichte.

Die Objekte, die als Grabbeigab­en gefunden wurden, beweisen, dass es in der Medizinges­chichte aber auch immer wieder praktisch zuging: Da wurden mit Knochenheb­ern Brüche behandelt, Blasenstei­ne mit Messern entfernt und mit Nadeln getrübte Linsen im Auge weggedrück­t. „Aber längst nicht alle überlebten die Eingriffe“, hält Ausstellun­gsmacherin Kätzel fest.

Mit moderner Digitaltec­hnik weckt die Ausstellun­g derweil Persönlich­keiten der Medizinges­chichte zu neuem Leben, sodass Besucher mit ihnen ins Gespräch kommen können. Und am Ende stellt der ebenfalls digitalisi­erte Kabarettis­t und Arzt Eckart von Hirschhaus­en die Frage, ob nicht auch heute, allem medizinisc­hen Fortschrit­t zum Trotz, immer auch ein Stück Glaube zur Heilung gehört.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA
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FOTO: UWE ANSPACH/DPA

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