Ipf- und Jagst-Zeitung

Hitchcocks Blondine

Die Schauspiel­erin und Tierschütz­erin Tippi Hedren wird 90 Jahre alt

- Bettina Thienhaus

FRANKFURT (epd) - Gleich ihre erste Filmrolle in Hitchcocks HorrorKlas­siker „Die Vögel“(1963) machte Tippi Hedren zum Star. Doch sie zahlte dafür einen hohen Preis. „Hitchcock belästigte mich rücksichts­los“, sagte sie 2018 der Wochenzeit­ung „Die Zeit“. Hedren war einer der ersten Stars, die sich im Vorfeld des Weinstein-Skandals und der #MeToo-Bewegung zu sexuellen Übergriffe­n äußerten.

Von den Übergriffe­n des Regisseurs und wie sie sie abwehrte, berichtete die Schauspiel­erin auch in ihrer Autobiogra­fie „Tippi: a Memoir“aus dem Jahr 2016. In den 60erJahren war sexueller Missbrauch im Filmgeschä­ft kein Thema, wie Hedren sagt: „So etwas kann nur in einem Umfeld geschehen, das die Augen verschließ­t.“

Am 19. Januar wird Tippi Hedren 90 Jahre alt, sie ist die Mutter von Melanie Griffith und die Großmutter von Dakota Johnson. Wie Grace Kelly und Kim Novak war Hedren auf der Leinwand eine jener kühlen unnahbaren Blondinen, die Hitchcock in seinen Filmen so erfolgreic­h einsetzte. In seinem Horror-Klassiker „Die Vögel“spielt sie das verwöhnte Society-Girl Melanie Daniels, das bei einem Flirt mit einem Anwalt in Bodega Bay einen Alptraum erlebt. Die Dreharbeit­en waren für die schauspiel­erisch unerfahren­e Hedren extrem hart. Hitchcock wollte mit echten Vögeln arbeiten. „Am Ende der Szene liege ich auf dem Boden vor der Tür, und die Vögel attackiere­n mich. Sie waren mit Kunststoff­fäden an mir festgebund­en und reagierten panisch. Ein Vogel verfehlte nur knapp mein Auge.“Hedren erhielt 1964 einen Golden Globe als beste Nachwuchsd­arstelleri­n.

Zur Schauspiel­erei war sie auf Umwegen gekommen. Als Nathalie Kay Hedren ist sie 1930 in New Ulm in Minnesota geboren, in eine Familie mit deutsch-norwegisch­en und schwedisch­en Vorfahren. Die Eltern nennen sie liebevoll „Tippi“. Mit 20 geht sie nach New York und arbeitet für die renommiert­e Eileen-Ford-Agentur. Mit 22 heiratet sie den Werbefachm­ann Peter Griffith, 1957 kommt Tochter Melanie zur Welt.

Hedrens Ehe mit Griffith scheitert wie auch die beiden späteren. Tippi zieht mit ihrem Kind nach Los Angeles. Alfred Hitchcock entdeckt die blonde junge Frau in einem Werbespot. Er sieht in ihr die perfekte Nachfolger­in für Grace Kelly. 1964 brilliert sie in dem packenden Psychodram­a „Marnie“als attraktive, psychisch angeschlag­ene Betrügerin. Der Verleger Mark Rutland (Sean Connery) verliebt sich in die rätselhaft­e Marnie und stößt auf panische Abwehr. Die Zusammenar­beit mit Connery gefiel Hedren: „Er war einfach großartig, mit Sinn für Humor.“

Aber Hitchcock belästigt Hedren auch bei diesen Dreharbeit­en. „Er packte mich in seinem Büro, berührte mich überall auf sexuelle Weise“, sagte Hedren der „Zeit“. Sie wehrt sich, er zahlt es ihr heim. Nach „Marnie“gab der Regisseur seinem Star keine Aufträge mehr, auch wenn der Vertrag noch zwei Jahre lief. Doch sie biss sich durch. In der TV-Produktion „The Girl“aus dem Jahr 2012 über Hitchcock und Hedren spielt Sienna Miller die Tippi. „Ich sagte zu ihr, sie solle mich als starke Frau zeigen, denn sonst wäre es nicht wahr“, sagte Hedren dem „Daily Telegraph“. Hitchcock habe zwar ihre Karriere, aber nicht ihr Leben zerstört.

Nach der zweijährig­en Zwangspaus­e stand Hedren zwar wieder vor der Kamera, bis heute in rund 80 Film- und Fernsehpro­duktionen, aber meist in eher kleinen Rollen. Sie reichen von Chaplins „Die Gräfin von Hongkong“(1967) über John Schlesinge­rs „Fremde Schatten“(1996) bis hin zu „Return to Babylon“(2013).

2003 bekam sie einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Neben der Filmarbeit engagiert sich Tippi Hedren seit 1972 intensiv als Tierschütz­erin. Nordöstlic­h von Los Angeles liegt das von ihr gegründete „Shambala“-Reservat, in dem rund 60 Großkatzen leben, meist einstige Zirkusund Zootiere, die ausrangier­t in winzigen Käfigen dahinveget­iert hatten. Auslöser für dieses Engagement waren die Filme „Mr. Kingstreet­s War“(1971) und „Roar – Die Löwen sind los“(1981), in dem neben Hedren auch Melanie Griffith mitspielt.

Der Name Shambala bedeute „Begegnungs­stätte des Friedens und der Harmonie für alle Lebewesen, Tier und Mensch“, heißt es auf der Homepage des Anwesens. Hier lebt auch Tippi Hedren.

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FOTO: HANS KLAUS TECHT/DPA Tippi Hedren wird am 19. Januar 90.

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