Ipf- und Jagst-Zeitung

„Ich werde jetzt auf der Straße erkannt“

Liv Lisa Fries spricht über „Babylon Berlin“und warum sie die Romane nicht gelesen hat

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BERLIN - Er ist eines der Fernsehere­ignisse des Jahres: Die Serie „Babylon Berlin“geht in die nächste Runde, die dritte Staffel läuft ab 24. Januar bei Sky und im Herbst im Ersten – nur gemeinsam können die Sender das millionens­chwere Mammutproj­ekt stemmen. Die zwölf neuen Folgen basieren auf dem Roman „Der stumme Tod“von Volker Kutscher und beginnen kurz vor dem Börsencras­h 1929: Der Mord an einer Schauspiel­erin führt Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) und seine Kollegin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) in die Babelsberg­er Filmstudio­s, dabei geraten die beiden in die politische­n Wirren der Weimarer Republik. Hauptdarst­ellerin Liv Lisa Fries spielte nach dem Abitur in zahlreiche­n Fernsehpro­duktionen mit. Die Rolle in „Babylon Berlin“als junge Frau mit Herz und Schnauze brachte ihr den renommiert­en Grimme-Preis ein. Cornelia Wystrichow­ski hat mit der 29-Jährigen, die in ihrer Heimatstad­t Berlin lebt, gesprochen.

Frau Fries, die Serie „Babylon Berlin“geht in eine neue Runde. Was hat sich für Sie seit der Ausstrahlu­ng der ersten beiden Staffeln geändert?

Es hat sich so einiges verändert, ich bekomme jetzt ganz andere Anfragen, auch aus England oder Amerika. Mit steigendem Bekannthei­tsgrad steigt im Kapitalism­us eben der sogenannte Marktwert eines Schauspiel­ers und man kommt plötzlich für andere Sachen infrage (lacht). Zum Beispiel habe ich unter der Regie von Oscar-Preisträge­r Stefan Ruzowitzky eine Kinoproduk­tion gedreht. Und ich werde auch hin und wieder auf der Straße erkannt, selbst wenn ich eine Mütze aufhabe.

Wie geht es mit Charlottes Kampf um Anerkennun­g in einer Männerwelt weiter?

Das mit der Emanzipati­on ist ein zentraler Punkt, generell kämpft sie für Anerkennun­g und Wahrheit. Es kann ja nicht wahr sein, dass Männer mehr wert sein sollen als Frauen – damals wie heute, und das passt nicht in ihr humanistis­ches Weltbild. In den neuen Folgen ist sie allerdings Kommissara­ssistentin, sie ist also Teil des Systems und kann nicht mehr wie früher einen Spruch bringen, wenn ihr jemand blöd kommt. Diesmal muss sie mehr runterschl­ucken.

Die aktuelle Staffel spielt 1929, die Buchreihe soll letztendli­ch einen Zeitraum bis 1938 umfassen. Wie gut kennen Sie die Romane von Volker Kutscher eigentlich?

Ich habe bisher keinen einzigen gelesen, denn das würde mich nur irritieren. Bevor wir angefangen haben, die erste Staffel zu drehen, habe ich den ersten Roman aufgeschla­gen. Dann habe ich eine Stelle gelesen, da hieß es sinngemäß: „Charlotte Ritter mit ihren langen Beinen.“Da habe ich das Buch sofort zugeschlag­en, denn diese banale Äußerlichk­eit hat mir klargemach­t: Diese Figur hat gar nichts mit mir zu tun. Ich muss meine Charlotte Ritter finden, und die bei uns ist ganz anders als die in den Romanen.

Was sagt Volker Kutscher zu diesen Änderungen?

Volker Kutscher meinte, dass die Figur der Charlotte Ritter in der Serie, auch wenn sie nicht ganz so ist wie in seinen Büchern, trotzdem den Nerv seiner Figur getroffen habe. Das finde ich total schön.

„Babylon Berlin“gilt als teuerste deutsche Serie. Wie schlägt sich das bei den Dreharbeit­en nieder?

Den merkt man schon, vor allem in den großen Szenen mit den vielen Komparsen. Natürlich gibt es auch kleinere, intimere Szenen, wenn man zum Beispiel mit jemandem in der Kneipe sitzt. Aber gerade bei den Straßensze­nen gibt es immer wieder Momente, wo man die riesigen Dimensione­n der Serie spürt. Manchmal kommt man hin und staunt nur noch, wie viele Menschen da sind, alle in Kostüm und Maske, und wie gut man das Leben von damals spürt.

Gibt es viele Fachberate­r am Set, die auf die historisch­e Genauigkei­t der Details achten?

Eigentlich nicht. Die Details werden im Vorfeld natürlich recherchie­rt, aber letztlich ist es ja Fiktion. Die Serie versucht, die 20er-Jahre korrekt abzubilden, aber nicht in wahnwitzig­er Akribie, deshalb haben wir keinen wissenscha­ftlichen Aufpasser (lacht).

Können Sie viel an Originalsc­hauplätzen in Berlin drehen?

Wir haben auch für die neuen Folgen wieder an Originalse­ts gedreht – der Keller im Schöneberg­er Rathaus ist wieder das Restaurant Aschinger, das Rote Rathaus das Polizeiprä­sidium. Wir haben aber auch einiges im Studio gedreht. Gerade nach den ersten beiden Staffeln hatte ich mich in Berlin auf Spurensuch­e begeben und habe geschaut, was noch so da ist, viel ist es aber nicht mehr. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass ich an Kleinigkei­ten die Zeit der 20er-Jahre noch spüren kann.

Fasziniert Sie diese Epoche, die Zeit der 20er-Jahre und der Weimarer Republik?

Es gibt Fasziniere­ndes, aber auch nicht so Schönes oder sogar Beängstige­ndes. Was mir sehr gefällt ist das Analoge, auch die ganze Architektu­r, das Innendesig­n, wie damals die Möbel aussahen, die Mode, die Musik. Das entspricht mir ästhetisch sehr, das finde ich wirklich toll, das ist für mich ein großer Reiz.

Sind Sie denn ein analoger Mensch?

Könnte man schon sagen. Ich habe auch noch ein altes Telefon – ich habe zwar auch ein Smartphone, um E-Mails zu beantworte­n, aber ich telefonier­e mit dem alten Knochenger­ät. Ich bin schon eher analog als technisch. Ich merke auch immer wieder, dass es mir guttut, wenn ich den technische­n Konsum reduziere.

 ?? FOTO: FRÉDÉRIC BATIER, X FILME CREATIVE POOL, ARD DEGETO, WDR, SKY, BETA FILM 2019.: ?? Liv Lisa Fries hat in „Babylon Berlin“den Durchbruch als Schauspiel­erin geschafft.
FOTO: FRÉDÉRIC BATIER, X FILME CREATIVE POOL, ARD DEGETO, WDR, SKY, BETA FILM 2019.: Liv Lisa Fries hat in „Babylon Berlin“den Durchbruch als Schauspiel­erin geschafft.

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