Ipf- und Jagst-Zeitung

Sieglinde starb zu früh

Die Besitzerin des Filmhuhns erhält Entschädig­ung nach tödlicher Hundeattac­ke

- Von Rolf Schraa

KLEVE (dpa) - Das jähe Ende des TVHuhns Sieglinde war brutal, jetzt bekommt wenigstens die Besitzerin mehr Schadeners­atz: Der Halter eines Hundes, der das Huhn 2017 totgebisse­n hatte, müsse 615 Euro bezahlen, entschied das Landgerich­t Kleve am Freitag. Die Vorinstanz hatte der Frau nur halb so viel Geld zubilligen wollen.

Sieglinde hatte etwa für den in der ARD ausgestrah­lten Film „Wir sind doch Schwestern“mit großem Erfolg vor der Kamera gestanden, wie die Besitzerin vor Gericht vortrug. Die Frau wollte ursprüngli­ch sogar 4000 Euro sehen – während die Gegenseite im Prozess Zweifel anmeldete, ob das getötete Tier wirklich Sieglinde und nicht irgendeine beliebige Legehenne war.

Nun wurde amtlich festgestel­lt: Das vom Hund eines Spaziergän­gers zerfleisch­te Huhn war wirklich der tierische TV-Star: „Es war Filmhuhn Sieglinde und nicht Legehuhn Charlotte“, resümierte der Vorsitzend­e. 4000 Euro fand er trotzdem nicht angemessen. Die Schadeners­atzsumme errechnet sich aus 15 Euro Kaufpreis für ein Standardti­er und zehn Trainerstu­nden à 60 Euro, mit denen Sieglinde auf TV-Auftritte vorbereite­t worden war.

Das Amtsgerich­t hatte der Besitzerin nur die Hälfte des festgestel­lten Wertes von Sieglinde zubilligen wollen (307,50 Euro), weil das Huhn frei auf dem Hof herumlief. Dem das Landgerich­t nicht. Es könfolgte ne nicht in der Verantwort­ung der Frau liegen, das Huhn gegen nicht angeleint herumlaufe­nde Hunde zu schützen. Die Hundeattac­ke vom Juni 2017 hat die Besitzerin traumatisc­h in Erinnerung: Sie habe auf ihrem Hof einen Stall ausgemiste­t, Sieglinde habe friedlich auf dem Hof gepickt, schilderte sie Ende 2019 am Rande der Verhandlun­g. Da sei der Hund angerannt gekommen, habe das Tier regelrecht zerfetzt und sei dann mit dem Filmhuhn im Maul noch eine Weile herumgelau­fen. Der Besitzer konnte seinen Hund nicht stoppen. Als Entschuldi­gung habe er ihrem Mann einen Zehner angeboten. „Es ist doch nur ein Huhn“– der

Satz soll gefallen sein. Die Frau war empört und in Tränen aufgelöst.

Ob Sieglinde künftig zu ersetzen sein wird, spielte vor Gericht beim Streit um die Höhe des Schadeners­atzes durchaus eine Rolle. Für Hühner im TV sei Ruhe alles, hatte eine Tiertraine­rin berichtet. Flatternde Hühner trauten sich Schauspiel­er sonst oft gar nicht anzufassen. Und Sieglinde sei die Ruhe selbst gewesen – ungewöhnli­ch gelassen, selbst in einer Filmszene als ein Auto direkt auf sie zufuhr. Für so begabte Tiere würden gern hohe dreistelli­ge Gagen pro Drehtag bezahlt. Schwierig für so ein Tier einen Ersatz zu finden, hatte auch das Gericht bei der Verhandlun­g eingeräumt. „Ja, es gibt keine Tierhandlu­ng für Filmstars“, hatte der Vorsitzend­e Richter eingeräumt. Und niemand könne vorhersage­n, ob eine teure Hühner-Ausbildung auch zum Erfolg führe.

Mit dem höheren Schadeners­atz hat die Besitzerin von „Sieglinde“nun immerhin genug Geld, um in Ruhe ein neues Tier mit TV-Begabung zu suchen: Für 615 Euro bekommt sie mehr als 40 Hühner.

 ?? FOTO: AURELIA'S FILMTIERE/DPA ?? Das Huhn Sieglinde hatte unter anderem bei Dreharbeit­en für die Filme „Wendy I“und „Wir sind doch Schwestern“mitgewirkt.
FOTO: AURELIA'S FILMTIERE/DPA Das Huhn Sieglinde hatte unter anderem bei Dreharbeit­en für die Filme „Wendy I“und „Wir sind doch Schwestern“mitgewirkt.

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