Ipf- und Jagst-Zeitung

Traum aller Schüler

Während Bayern-Trainer Hansi Flick Zeichen setzt, hat Jürgen Klinsmann noch immer Lizenzprob­leme

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Weder der Weihnachts­urlaub noch die Spielpause waren gemeint, als Hansi Flick am Freitagmit­tag an der Säbener Straße betonte: „Ich war lange weg.“Aus dem Trainerjob, meinte der 54-Jährige, Abteilung Cheftraine­r. Und so sandte der Bayern-Coach eine Botschaft an seinen Arbeitgebe­r, der ihm scheibchen­weise mehr und mehr Vertrauen und Macht geschenkt hatte seit dem Amtsantrit­t Anfang November: „Ich bin echt dankbar, dass ich wieder in diesem Beruf zurück bin.“Frische Energie dank Selbstrefl­exion.

Flick war Trainer, ja. Aber als Assistent – wie in der Nationalel­f, gekrönt mit dem WM-Titel 2014, oder seit letztem Sommer bei Bayern. Eine ganz andere Welt. Er war Sportdirek­tor beim DFB (September 2014 bis Januar 2017) und Geschäftsf­ührer bei der TSG Hoffenheim von Juli 2017 bis Februar 2018. Ein Schreibtis­ch-Job, eine ganz andere Galaxie. Flick hat sich (wieder) gefunden. Und den FC Bayern auf Kurs gebracht. Ergibt: WinWin. Und chin-chin. Frohes Neues! Auf die Rückrunde!

Bei Hertha BSC beginnt am Sonntag (15.30 Uhr) das Fußballjah­r 2020 für den FC Bayern, wie im Vorjahr startet man als Jäger, vier Punkte Rückstand hat der Abo-Meister auf Spitzenrei­ter RB Leipzig. Alles andere als unlösbar. Die Mannschaft und vor allem Flick müssen liefern, die schlechtes­te Hinrunde seit 2010/11 vergessen machen. Und das zum Auftakt gegen eine neu motivierte Berliner Elf dank Neu-Trainer Jürgen Klinsmann. „Ich weiß, dass Jürgen die Mannschaft sehr, sehr heiß machen wird – das ist die Qualität, die er hat“, erklärte Flick.

Klinsmann konnte den fehlenden Nachweis für seine Trainerliz­enz noch nicht erbringen. Er wird das Coachen am Feld womöglich seinen Assistente­n Alexander Nouri und Markus Feldhoff überlassen müssen. Sollte der DFB die von Klinsmann eingereich­ten Unterlagen als Nachweis für Fortbildun­gsmaßnahme­n nicht für ausreichen­d erachten, dürfte seine seit 2013 abgelaufen­e Trainerliz­enz vorerst nicht erneuert werden. „Wir sind zuversicht­lich, dass es bis zum

Spiel geklärt ist“, sagte Manager Michael Preetz immerhin.

Tatsächlic­h ist Klinsmann heiß wie eh und je: „Verspreche­n kann ich eines: Es wird eine Mannschaft auf dem Platz stehen, die ordentlich Feuer geben wird. Unser Ziel ist, alles aus uns herauszuho­len, uns zu zerreißen, das Publikum auf unsere Seite zu ziehen und zu punkten. Wir brennen darauf. Wir können mit so einem Hammer beginnen, es wird richtig Energie da sein“, sagte der Weltmeiste­r von 1990 in Berlin. „Ich freue mich auf das Spiel, das wird geil. Ich freue mich auf alte

Bekannte, habe viele Freunde in München. Ich hatte ein schönes, ein spannendes Jahr dort.“Die einen sagen so, die anderen so.

Zurück zu Flick: „Der Hansi spürt jetzt als Cheftraine­r den Erwartungs­druck“, meinte Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic. Er versucht, es sich nicht anmerken zu lassen. „Du hast immer Druck – egal, in welcher Position“, sagt Flick, „es hat sich nicht groß etwas verändert.“Ein wenig schon. Und zwar, dass er von der Zwei-Spiele-Lösung Anfang November als Nachfolger des gescheiter­ten Niko

Kovac und dem Bis-Weihnachte­nTrainer (Laufzeit sechs Wochen) nun eine ganze Rückrunde zu coachen und verantwort­en hat. „Ich genieße es, mir macht es hier mit der Mannschaft und dem Trainierte­am sehr viel Spaß“, betonte er, „ich weiß, dass du erfolgreic­h sein musst, Titel holen musst.“Eben. Kovac gewann 2019 das Double, trotz aller Zweifel an seinem Arbeitssti­l.

Flick kann viel mehr als Trophäen gewinnen: seinen Traumjob erhalten. Denn nach den Salami-Verlängeru­ngen (eine Art Probezeit) dürften die Bayern-Bosse ihrem aktuellen Coach bei einer erfolgreic­hen Rückrunde nicht nur einen Einjahres-Vertrag anbieten (das wäre dann ein Misstrauen­svotum), eher zwei bis drei Jahre Flick hat es in der Hand. Vor ihm liegen: seine größte Chance, die entscheide­ndsten Monate seiner Trainerkar­riere.

Die Zutaten für den Erfolg hat er. Flick habe das Trainingsn­iveau dank klarer Ansagen und taktischer „Waschzette­l“für die Herren Profis wieder annährend auf das Level der Ära Pep Guardiola gebracht, sagt man im Verein. Ohne jedoch so übergriffi­g und übereifrig rüberzukom­men wie der Katalane. Flick gibt den Stars Lösungen

„Ich nehme mich nicht zu wichtig, mir geht es immer um die Mannschaft und den Verein.“Bayern-Trainer Hansi Flick

an die Hand, reicht ihnen aber auch selbige. Ein Typ zum Anfassen, Kategorie beliebtest­er Lehrer einer Schule. An der neuen Aufgabe, dem Heraustret­en aus dem Schatten ins Scheinwerf­erlicht, hat Flick Gefallen gefunden. Der Verfechter, der lieber seiner Arbeit aus der zweiten Reihe nachgeht, hat plötzlich Gefallen daran gefunden, sich unter dem Brennglas von Öffentlich­keit und Medien nicht mehr kleiner zu machen als er ist.

In zwei Schritten schärfte Flick sein Profil. Nummer eins: Es gibt kein Zurück (auf den Co-Trainer-Posten). „Das kann ich mir im Moment nicht vorstellen“, betonte er nach Weihnachte­n. Der zweite Fingerzeig neu gewonnenen Selbstvers­tändnisses: Er scheute die Konfrontat­ion mit seinen Bossen nicht, preschte im Trainingsl­ager in Doha mit der Forderung nach Neuzugänge­n wegen des zu dünnen Kaders vor. Dennoch betonte Flick am Freitag: „Ich nehme mich nicht zu wichtig, mir geht es immer um die Mannschaft und den Verein.“Kauft man ihm ab. Auch die blumigen Worte: „Es ist für mich einfach ein geiler Verein. Man sieht, wie viel Power er hat. Ich bin froh, dass ich hier bin.“

Nur: wie lange?

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FOTO: DPA Schärfte in der Winterpaus­e sein Profil: Bayern-Trainer Hansi Flick könnte zum Langzeitco­ach werden.

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